CRM on Demand steht vor Reifeprüfung

12.08.2005
Die Erfolge von Salesforce.com und Rightnow haben die Wettbewerber auf den Plan gerufen. Hosting-Angebote von Siebel, SAP und Microsoft könnten den On-Demand-Markt kräftig durcheinander wirbeln.
In den beiden vergangenen Jahren haben die CRM-on-Dmeand-Anbieter ihre Nutzerzahlen mehr als verdreifacht.
In den beiden vergangenen Jahren haben die CRM-on-Dmeand-Anbieter ihre Nutzerzahlen mehr als verdreifacht.
Die Geschäft mit On-Demand-Applikatione werden sich in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln.
Die Geschäft mit On-Demand-Applikatione werden sich in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln.

Quartalsumsätze schnellen im Jahresvergleich um 40 bis 100 Prozent in die Höhe, Gewinne explodieren im dreistelligen Prozentbereich. Dieses Szenario erinnert an beste Dotcom-Zeiten. Doch auch heute können manche Anbieter über boomende Geschäfte jubeln. Während so mancher Softwarehersteller Quartal für Quartal mit Bangen dem nächsten Finanzbericht entgegenblickt, freuen sich die Anbieter von On-Demand-Lösungen im Customer-Relationship-Management-Bereich (CRM) auf die vierteljährliche Demonstration ihres Wachstums.

Preise geraten unter Druck

Die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen CRM-on-Demand-Anbietern sind gering. Salesforce.com verlangt je nach Zahl der Nutzer und Laufzeit des Hosting-Vertrags zwischen 70 und 130 Dollar pro Nutzer und Monat. Bei Siebel müssen die Kunden 70 Dollar für die Standardlösung und 100 Dollar je Nutzer und Monat für die Industrielösungen auf den Tisch legen. On-Demand-Neuling Sage liegt mit einem Preis von 69 Dollar pro Anwender im Monat nur knapp darunter.

Mit dem Markteintritt von SAP und Microsoft könnten diese Preise allerdings unter Druck geraten. Beide Softwareanbieter sind mit ihren On-Demand-Offerten jedoch noch nicht weit genug, um Preislisten veröffentlichen zu können. Zusätzlicher Druck könnte von Seiten des Open-Source-Lagers entstehen, mutmaßt Frank Naujoks, Analyst der Hewson Group. Deutsche Anbieter wie V-Tiger oder Wice bieten einfache Standard-CRM-Funktionen bereits für unter zehn Euro pro User und Monat an. Dafür müssten die Kunden jedoch Abstriche beim Service in Kauf nehmen.

Hier lesen Sie …

• was die CRM-on-Demand-Angebote attraktiv macht und an wen sie sich richten;

• welche Grenzen Hosting-Offerten gerade in komplexen Systemen offenbaren;

• wie sich der CRM-on- Demand-Markt in den kommenden Monaten verändern wird.

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www.computerwoche.de/go/

*79657: SAP denkt über Mietsoftware nach;

*79267: IDC zum CRM-Markt;

*78017: Krise bei Siebel setzt sich fort;

*73105: Siebel und Salesforce.com erweitern Angebot;

*70985: CRM-Markt erlebt ein Comeback.

Rightnow Technologies meldete beispielsweise Ende Juli das 30. Wachstumsquartal in Folge. Die Umsätze der Monate April bis Juni 2005 verbesserten sich im Jahresvergleich um 43 Prozent auf 21,1 Millionen Dollar. Der Gewinn schoss im Vergleich zum zweiten Quartal 2004 von 634000 Dollar auf 1,6 Millionen Dollar in die Höhe. Im Mai hatte Salesforce.com, der Pionier in Sachen CRM on Demand, mit Einnahmen von 64,2 Millionen Dollar ein Umsatzplus von 84 Prozent für sein erstes Quartal des Finanzjahres 2006 berichtet. Der Profit verzehnfachte sich auf fast 4,4 Millionen Dollar.

"Als ob es nichts anderes gäbe"

"Natürlich tut sich in diesem Bereich einiges, gerade hinsichtlich der Kundenzahlen", beschreibt Frank Naujoks, Analyst der Hewson Group, diese Entwicklung. Andererseits reichten die Zahlen in Deutschland noch längst nicht an Größenordnungen beispielsweise einer SAP heran, dämpft der Marktforscher die aufkeimende Euphorie: "Die On-Demand-Anbieter stellen es manchmal so dar, als ob es nichts anderes mehr gäbe." Setzt man die Zahlen jedoch in Relation zum Gesamtmarkt oder zu dem einen oder anderen klassischen Anbieter von Business-Applikationen, dann relativiert sich das Ganze schnell wieder. Naujoks taxiert den Anteil der On-Demand-Lösungen am deutschen CRM-Geschäft auf etwa fünf bis acht Prozent.

"Die Geschäftsprobleme der Kunden sind immens und daher das Potenzial für CRM on Demand entsprechend groß", will sich dagegen Peter Steidl, Geschäftsführer der deutschen Salesforce.com-Niederlassung, die gute Stimmung nicht verderben lassen.

Inhouse - komplex und teuer

Anwender klagten vor allem über mangelnde Nutzerakzeptanz der meist zu komplexen herkömmlichen CRM-Lösungen. Außerdem würden den Kunden die Betriebskosten ihrer Inhouse-CRM-Lösung oft über den Kopf wachsen, berichtet Steidl aus seinen Gesprächen mit On-Demand-Interessenten. Der Aufwand lasse sich mit Hilfe eines On-Demand-Modells rund um die Hälfte reduzieren, verspricht der Salesforce.com-Manager.

Die Kunden hätten erkannt, dass sich On-Demand-Lösungen schnell umsetzen ließen und zügig Ergebnisse vorwiesen, ergänzt Thomas Koenen, Sales Director Central Europe von Rightnow. Die durchschnittliche Laufzeit von der Entscheidung eines Kunden für eine gehostete CRM-Lösung von Rightnow bis zur Produktivsetzung betrage 45 Tage.

Marktforscher warnen die Kunden indes, den Versprechungen der On-Demand-Anbieter leichtfertig Glauben zu schenken. So haben die Analysten von Forrester Research anhand einer Modellrechnung ermittelt, dass eine On-Demand-Lösung mit 336000 Dollar zwar günstigere Startkosten gegenüber einer Inhouse-Implementierung mit etwa 440000 Dollar biete. Im Laufe der Jahre verringere sich der Kostenvorteil jedoch zusehends, rechnet Forrester-Analystin Liz Herbert vor. Ab etwa dem dritten Jahr müssten Anwender für ein On-Demand-System mehr Geld in die Hand nehmen. Nach fünf Jahren lägen die aufgelaufenen Kosten der gehosteten CRM-Software laut Forrester-Rechnung bei insgesamt 1,6 Millionen Dollar, die herkömmliche lizenzierte CRM-Software schlage dagegen mit 1,4 Millionen Dollar zu Buche. Langfristig tendiere ein "Software-as-a-Service"-Modell (SaaS) also dazu, teurer zu sein", lautet das Fazit.

Neben den Kosten müssten On-Demand-Interessenten weitere Limitierungen des Modells im Auge behalten, mahnt die Analystin. So versprächen die Anbieter einen deutlich geringeren Aufwand, was IT-Infrastruktur und Administration des CRM-Systems betreffe. Dies mag zwar beim Ausrollen einer gehosteten CRM-Lösung zutreffen. Wenn es jedoch darum gehe, die Software an die individuellen Bedürfnisse des Kunden anzupassen sowie in die bereits bestehende Applikationslandschaft zu integrieren, müssten die Kunden wieder auf die dafür notwendigen Ressourcen innerhalb der eigenen IT-Abteilung bauen. Ferner sollten die Anwender darauf achten, welche Möglichkeiten zur Integration und Anpassung ihr CRM-on-Demand-Anbieter offeriert. Meist gebe es im Vergleich zu einer inhouse implementierten CRM-Software weniger Optionen.

"Man muss sich von dem Vorurteil lösen, dass eine Anwendung, die im Web steht, nicht verändert werden kann", weist Salesforce-Manager Steidl diese Bedenken zurück. Diese Zeiten seien vorbei: "Die Kunden denken heute in Prozessen." Da gebe es nichts, was sich nicht mit einer On-Demand-Lösung abdecken lasse.

Auch von Einschränkungen in Sachen Integration will Steidl nichts wissen. Gerade in Deutschland sei beispielsweise die Anbindung der CRM-Software an SAP-Systeme fast schon eine Standardfrage der Kunden. Außerdem brächten Kunden, die von einer Inhouse- auf eine gehostete Software umstiegen, bestimmte Integrationsanforderungen mit, da die abzulösenden Produkte meist fest in die bestehende Softwarearchitektur eingeklinkt seien. Diese Verknüpfungen müsse auch die On-Demand-Lösung bieten.

Taugt On Demand nur für Kleine?

Trotz dieser von Salesforce.com angepriesenen Möglichkeiten, auch komplexe Anforderungen beim Kunden abzubilden, gehen die Marktforscher von Gartner davon aus, dass in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen mit geringen Ansprüchen an ihre CRM-Lösung von den On-Demand-Angeboten Gebrauch machen. Mehr als 80 Prozent der Salesforce.com-Kunden hätten weniger als 20 Nutzer. Diese Anwender seien mit den Standardoptionen in aller Regel gut bedient, heißt es in einem Bericht vom Mai dieses Jahres. Liebäugelten jedoch größere Unternehmen mit komplexen Abläufen in ihren Vertriebs- und Marketing-Abteilungen mit dem Salesforce.com-Angebot, sollten sie sich der Grenzen der Lösung bewusst sein.

Am eigenen Leib erfahren haben dies die CRM-Verantwortlichen von Cisco Systems. Laut einem Bericht des Finanzdienstleisters JMP Securities vom vergangenen Juni hat der Netzspezialist in der zweiten Jahreshälfte 2004 einen Vertrag über 10000 Nutzer mit Salesforce.com geschlossen, die bis spätestens Mitte dieses Jahres hätten produktiv gehen sollen. Nachdem die Frist bereits bis Mitte 2006 verlängert worden war, rechnen die Finanzanalysten nun damit, dass Cisco die Zusammenarbeit mit Salesforce.com noch einmal auf den Prüfstand stellen wird. Aktuell arbeiteten gerade einmal 1000 Nutzer mit dem CRM-System.

Alte CRM-Ketten gelöst

Diese leidvollen Erfahrungen kann die Software AG nicht bestätigen. Das deutsche Softwarehaus setzt seit dem vergangenen Jahr auf eine Salesforce.com- Lösung. Die Ablösung des proprietären Vorgängersystems sowie die Implementierung der On-Demand-Software hätten keine Probleme bereitet, verlautete aus der IT-Abteilung der Darm- städter.

Man habe sich frei von den Zwängen der Altapplikation gemacht und die internen Prozesse an die Möglichkeiten der Standardlösung angepasst. Da es mit der neuen Lösung einfacher sei, schnell aussagefähige Berichte anzufertigen, hätten die Anwender die neue Software ohne Widerspruch akzeptiert. Allerdings liegt die Zahl der Nutzer deutlich niedriger als bei Cisco. Bei der Software AG arbeiten etwas mehr als 300 Vertriebs- und Marketing-Mitarbeiter mit der Salesforce.com-Lösung.

Trotz aller Problemfälle gehen Marktforscher davon aus, dass sich die Geschäfte mit CRM-on-Demand-Lösungen weiter gut entwickeln werden. Allein in Europa werde das Marktvolumen Gartner zufolge von 13 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf über 183 Millionen Dollar 2009 ansteigen.

Die Großen zeigen Interesse

Von diesem Kuchen möchten sich auch die etablierten Anbieter von Business-Software ein Stück abschneiden. Seit Mai dieses Jahres bietet beispielsweise Sage eine einfach gestrickte CRM-on-Demand-Lösung an, deren Funktionsumfang jedoch nicht an die herkömmliche "Sales-Logix"-Software heranreicht. Allerdings mussten sich die Briten etwas einfallen lassen, um ihr CRM-Geschäft wieder in Schwung zu bringen. 2004 gingen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr von 37 auf knapp über 32 Millionen Dollar zurück.

Auch bei SAP kam das CRM-Geschäft zuletzt ins Stolpern. Im zurückliegenden zweiten Quartal wiesen die Walldorfer Einnahmen von 107 Millionen Euro für diesen Geschäftsbereich aus, drei Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahresquartal. Zu einem klaren On-Demand-Bekenntnis konnte sich der größte deutsche Softwarehersteller indes noch nicht durchringen. Bislang blieb es bei Spekulationen. Während Analysten bereits zur Kundenveranstaltung Sapphire im Mai 2005 in Boston eine Ankündigung zu gehosteten Softwarelösungen erwarteten, beließ es SAP-Chef Henning Kagermann bei vagen Andeutungen.

Auch Microsoft plant, seine für Anfang 2006 vorgesehene Version CRM 3.0 in einer Hosting-Variante anzubieten. Bereits heute können Partner die bestehenden Microsoft-Lösungen on Demand anbieten. Der Markt ist darauf allerdings bislang nicht so recht angesprungen. Wie Microsoft mögliche Hosting-Offerten forcieren will, ist noch nicht bekannt. Vorrangig wird sich der weltgrößte Softwarehersteller darum bemühen müssen, nach den Verzögerungen und dem Rückzug von Version 2.0 das neue Release überhaupt rechtzeitig auf den Markt zu bringen.

Den On-Demand-Protagonisten ist indes nicht bange vor einem Markteintritt der Großen. Bis diese etwas Vergleichbares bieten könnten, werde noch einige Zeit vergehen, glaubt Koenen von Rightnow. SAP sei dafür bekannt, frühzeitig etwas anzukündigen. In der Folge vergingen Jahre, bis etwas Konkretes auf den Markt komme. Gleiches gelte für Microsoft.

"Es würde mich wundern, wenn Henning Kagermann mit einem eigenen On-Demand-Modell die Quadratur des Kreises gelingt", spottet Steidl von Salesforce.com. Die SAP mache zwar in ihrem Geschäft einen guten Job. Wie Siebel müssten sich die Walldorfer jedoch mit Channel-Konflikten herumschlagen. Wenn Kunden, die eine gehostete CRM-Lösung für 70 Euro pro User und Monat beziehen, für weitere Funktionen zusätzlich eine Millionen teure Inhouse-Software benötigten, müsse der Hersteller das seinen Kunden erklären.

Diesen Konflikt sieht Stefan Sonntag, Executive Director Channels bei Siebel in Europa, nicht. Der CRM-Pionier bietet seit dem vergangenen Jahr eine eigene On-Demand-Lösung an. Mit den mittlerweile acht Releases habe Siebel rund 2500 Kunden und 40000 Nutzer gewinnen können, wirbt Sonntag. Einen Widerspruch zwischen der herkömmlich lizenzierten CRM-Software und den Hosting-Angeboten erkennt er nicht. Gerade Großunternehmen würden neben einer zentralen CRM-Instanz Außenstellen und einzelne Abteilungen mit Hilfe von gehosteten Lösungen einbinden.

On Demand löst kein Problem

Angesichts rückläufiger Umsätze und roter Zahlen stand auch Siebel in den vergangenen Jahren unter Druck. Der für seine komplexen und teuren CRM-Implementierungen berüchtigte Anbieter bemüht sich seit einiger Zeit, seine Offerten stärker zu modularisieren und zu vereinfachen.

Die Anwender müssten sich zunächst über ihr Geschäftsproblem klar werden, fordert Sonntag: "Die Tatsache, dass eine Software on Demand über das Internet läuft, löst per se noch kein Problem." Auch ein Auto könne man kaufen, leasen oder mieten. In allen drei Fällen gehe es darum, dass der Kunde sein Transportproblem lösen möchte.

Um seine Position im On-Demand-Markt auszubauen, setzt Siebel in erster Linie auf vertikale Anpassungen. Die Frage sei doch, ob die Kunden bei 30 oder 80 Prozent Funktionsumfang mit CRM beginnen. Das mache einen gewaltigen Kostenunterschied. "Warum sollte man sich in einer Mietlösung seine industriespezifische Lösung selbst zusammenbauen müssen?"

"Die Branchenausrichtung ist in meinen Augen ein Marketing-Gag", hält Salesforce.com-Manager Steidl dagegen. Jedes Unternehmen habe seine eigenen Prozesse und eigene Terminologie. Gerade wenn Veränderungen dynamisch erfolgen müssten, komme es darauf an, eine bewegliche CRM-Lösung zu haben, die sich schnell an den Markt anpassen lasse.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, denken die Salesforce.com-Verantwortlichen über den CRM-Bereich hinaus. CEO Marc Benioff kündigte erst kürzlich an, eine komplette On-Demand-Plattform anbieten zu wollen. Darauf sollen sich verschiedene gehostete Applikationen verknüpfen lassen.

Nur die Plattform zählt

Der Marktauftritt von "Multiforce", Version 1.0, ist ein erster Schritt. Aus der Sicht des Salesforce.com-Chefs ist diese Strategie überlebensnotwendig: "Wenn man sich auf die Applikationen konzentriert, kann man für eine Weile gewinnen, aber nicht für immer. Letztlich gewinnt immer die Plattform."