Wer nur in Software denkt, setzt die Wirtschaftlichkeit aufs Spiel

CRM: Ohne Metriken ein teures Abenteuer

12.07.2002
Maßnahmen zur Kundenbindung waren in den vergangenen zwei Jahren ein Topthema der IT. Doch trotz Milliardeninvestitionen sind drei Viertel der Unternehmen mit den Ergebnissen unzufrieden. Einer Studie von Booz Allen Hamilton zufolge verspricht Customer Relationship Management (CRM) nur Erfolg, wenn intelligente Mess- und Steuerungsgrößen eingeführt werden. Von Gregor Harter und Christine Rupp*

"CRM-Software sollte nur ein Werkzeug zur Umsetzung einer Geschäftsstrategie sein, kein Selbstzweck", so Christian Schaller vom Lehrstuhl für Allgemeine und Industrielle Betriebswirtschaftslehre der TU München. Recht hat er. Doch was ist in den letzten Jahren passiert? Marktführer Siebel, aber auch Anbieter wie Vantive, Peoplesoft, Oracle, Xchange oder SAP und Microsoft galten vielen Geschäftsleitungen als Retter in der Kundenbindungsnot. Die Hoffnung der Manager: Wenn nur die Software einmal läuft, ist auch das Thema CRM bewältigt.

Rund 3,9 Milliarden Dollar betrug 2001 der weltweite Markt für CRM-Systeme, schätzt das Marktforschungsunternehmen Gartner. Für die nächsten Jahre wird mit weiter stark steigenden Investitionen gerechnet. Den Berichten diverser Marktforscher zufolge müssen mindestens aber 70 Prozent aller CRM-Projekte als Misserfolg verbucht werden. In den seltensten Fällen liegt die Schuld bei der Software; vielmehr sind die Unternehmen oft nicht in Lage, die CRM-Modelle umzusetzen.

Das bestätigen auch die Erfahrungen der Management- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton (BAH): Nur wenige Unternehmen erweitern ihre Mess- und Steuerungssysteme um CRM-spezifische Metriken. Folglich können sie den Erfolg ihres CRM-Engagements nicht quantitativ belegen. Von der Unternehmensleitung werden oft CRM-Ziele wie "Steigerung der Kundenzufriedenheit oder Erhöhung der Kundenbindung" definiert. Außer Acht bleibt dabei das betriebswirtschaftliche Kernziel: eine höhere Kundenprofitabilität und damit mehr Unternehmensgewinn. Da sich das Erreichen oder Verfehlen strategischer Ziele nicht messen lässt, ist die Folge meist eine diffuse Unzufriedenheit.

Ende des vergangenen Jahres hat BAH dieses Phänomen gemeinsam mit der Kellogg School of Management an der Northwestern University untersucht. Aufgrund der Ergebnisse empfehlen die Berater den Aufbau von stringent abgeleiteten CRM-Metriken - angefangen von der strategischen Unternehmensebene bis zu den operativen Bewertungskriterien jedes einzelnen Mitarbeiters. Ein typisches strategisches CRM-Ziel lautet "Steigerung des Vorsteuergewinns (Ebit) um fünf Prozent". Auf der Ebene der Business Units bedeutet das vielleicht "Umsatzsteigerung um 15 Prozent" oder "Kostensenkung um zehn Prozent", für die einzelne Abteilung oder den Mitarbeiter "Reduktion der Akquisitionskosten je Kunde um zehn Prozent, sprich: auf 350 Euro".

Jeder Kostentreiber, der unmittelbaren Einfluss auf die Höhe des Ebit hat, lässt sich mit detaillierten CRM-Metriken belegen. Durch die konsequente Implementierung derartiger Mess- und Stellgrößen in seinem CRM-Prozess konnte beispielsweise ein multinational aktiver Telekommunikations-Carrier die Produktivität seiner rund 400 Call-Center-Mitarbeiter verdreifachen.

Solche Strukturen einzurichten ist eine Topmanagement-Aufgabe. Die Metriken müssen auch in den persönlichen Zielen der Mitarbeiter verankert werden, und das kann nur von oben nach unten erfolgen. Sinnvoll ist es, Gehalt und Leistungsanreize direkt an die CRM-Metriken zu koppeln.

CRM-Server und -Software, die passende Datenbank und die generelle IT-Struktur - das alles ist wichtig, aber nicht erfolgsentscheidend. Solange sich die Mitarbeiter nicht dafür interessieren, ob sie ihre Zeit mit defizitären oder hochprofitablen Kunden verbringen, ist jede CRM-Lösung hinausgeworfenes Geld. Und ohne Mess- und Steuerungsgrößen, die sich direkt aus der Unternehmensstrategie ableiten lassen, läuft das hochmotorisierte CRM-Schiff zwangsläufig auf Grund.

Die IT hat ihre Schuldigkeit getan: Terabytes von Kundendaten liegen in Data Warehouses. Mittels Data Mining kann jeder Befugte in diesem Bestand schürfen. Einen echten Return on Investment (RoI) werden aber nur die Unternehmen erzielen, die ihre IT-Ressourcen geschickt mit CRM-Metriken verknüpfen. (qua)

*Gregor Harter ist Partner bei Booz Allen Hamilton in München, Christine Rupp arbeitet dort als Associate.

Abb: Die Ziel-Metrik-Pyramide

CRM-Ziele und -Metriken müssen auf allen Ebenen des Unternehmens verankert sein. Quelle: Booz/Allen/Hamilton