CRM: Die Effizienz zählt

08.11.2004
Führende Customer-Relationship-Management-(CRM-)Experten aus Deutschland sind sich einig: Bei CRM-Initiativen steht der Kunde häufig nicht im Mittelpunkt.

Was tun Unternehmen, die CRM-Lösungen einsetzen, wirklich für ihre Kunden?" Dieser Frage geht der CRM-Expertenrat in seinem diesjährigen Gutachten nach. Um eines vorweg zu verraten: Die Autoren legen den Anwendern nicht nahe, ihre Kunden bedingungslos zu verwöhnen. Derart verstandenes Kundenbeziehungs-Management führe in den Ruin, vor allem wenn sich Unternehmen zum Sklaven von Kunden machen, die nicht viel kaufen. Peter Winkelmann, Leiter des Studienschwerpunkts Marketing und Vertrieb an der Fachhochschule Landshut, bringt es auf den Punkt: "Es geht darum, Kunden- und Kostenorientierung in eine durchdachte Balance zu bringen." Diese Herausforderung berge jedoch die Gefahr, beim Streben nach mehr interner Effizienz, Kostensenkungen und schlankeren Abläufen den Kunden aus den Augen zu verlieren.

CRM-Vorreiter befragt

Mit ihrem Jahresgutachten wollen die Autoren CRM-Anwendern helfen, die erwähnte Balance zu finden. Dazu hat der CRM-Expertenrat 48 Interviews mit Vertretern von Unternehmen geführt, die nachweislich mit dem Thema CRM bestens vertraut sind: Die überwiegende Mehrheit hatte sich in den vergangenen zwei Jahren für den vom selben Gremium vergebenen CRM-Best-Practises-Award beworben. Die Gespräche wurden in der Regel mit den jeweiligen Projektverantwortlichen geführt.

Die Befragung ergab kein eindeutiges Bild: Bei 53 Prozent der CRM-Anwender steht die Effizienzsteigerung im Fokus ihrer Bemühungen, bei den restlichen 47 Prozent ist es die Kundenorientierung. Der Expertenrat kommt zu dem Schluss, dass die Kunden zwar nicht zu kurz kommen, aber nicht die dominierenden Faktoren in CRM-Projekten darstellen.

Effizienz durch Vernetzung

Ein genauerer Blick auf die Resultate ergibt, dass die Effizienzsteigerung vor allem bei Unternehmen im Vordergrund steht, die direkt an Firmenkunden verkaufen (58 Prozent). Die Autoren erklären dies mit der dort sowieso schon engeren Vernetzung von Lieferanten und Firmenkunden.

In manchen Industrien sind die Zulieferer sogar in in die Wertschöpfung ihrer Schlüsselkunden integriert. Beim B-to-C-Geschäft stehen dagegen die Endkunden stärker im Mittelpunkt der CRM-Bemühungen (55 Prozent). Die Autoren geben jedoch zu bedenken, dass die Kunden letzlich auch von CRM-Konzepten profitieren, die stärker auf Kostenvorteile ausgerichtet sind: "Kundenorientierung sollte nicht isoliert, sondern nur im Einklang mit Effizienz- und Kostenorientierung gesehen werden."

Der Studie zufolge haben die Anwenderunternehmen zwar den Kundendialog verbessern, zur Reaktion auf Kundenwünsche und Verbesserungsvorschläge aber häufig noch keine geeigneten Strukturen entwickelt haben. Sie erklären dies damit, dass die Firmen in der Vergangenheit noch zu sehr mit der Schaffung von Grundlagen wie der Integration der Kundendaten beschäftigt waren. Die Kundeninformationen in ein unternehmensumspannendes Wissens-Management zu bringen müsse der erste Schritt für CRM-Initiativen sein.

Kostendruck bleibt bestimmend

Bei der Frage, welche Aspekte beim weiteren Ausbau der eingesetzten CRM-Systeme be-sonders ins Gewicht fallen, stehen integrierte Kundenprozesse auf Platz eins. Das sei in erster Linie dem anhaltend hohen Kostendruck in den Unternehmen geschuldet, so die CRM-Weisen. Insgesamt bekomme die Kundenhinwendung aber ein höheres Gewicht als bisher.

Hinsichtlich der Nutzung von Kundendatenauswertung plädieren die Autoren des Gutachtens für eine neue Perspektive: Bislang geht es meist darum, den Wert des Kunden für das Unternehmen (Customer Value) zu ermitteln, also zu analysieren, was der Kunde dem Unternehmen bringt, und daraus abzuleiten, was das Unternehmen für ihn tut.

Dieser Ansatz sollte um einen zweiten Aspekt erweitert werden: Laut Winkelmann gilt es parallel, Mehrwerte und Problemlösungshilfen für den Kunden zu entwicklen (Value to the Customer). Der Nutzen des Kunden sei die Voraussetzung für den Vorteil des Unternehmens: "Nur wenn man in die richti-gen Kunden investiert und Werte beim Kunden schafft, haben die Lieferanten am Ende des Tages die Kunden, die sie verdienen", so der Professor. Wer dagegen seine Kunden immer nur melke, werde sie aushungern und verlieren.

Auch für Frank Borchardt ist das Thema Kundenorientierung noch nicht abgeschlossen. Der Leiter Business Services bei der Paul Hartmann AG wurde als Gewinner des Best Practises Award 2003 für ein Jahr in den CRM-Expertenrat berufen und leitet das Projekt seines Unternehmens bereits seit mehr als drei Jahren. "Neben der sukzessiven Einführung der Systeme für Außen- und Innendienst, Marketing und die Kunden selbst bleibt die Ausrichtung auf die Kunden eine permanente Aufgabe", so Borchardt. Dies reiche von der Betreuung anhand definierter Referenzstrategien je Kundensegment über das Controlling von garantierten Serviceprozessen bis hin zur Erhöhung des Kundenwerts. Das Beispiel zeigt, dass sich auch die CRM-Vorreiter nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen können. (rg)