Enterprise Software

CRM - aus der Nische zur zentralen Plattform

15.07.2015
Von 
Harald Weiss ist Fachjournalist in New York und Mitglied bei New York Reporters.

Über 100 Anbieter - aus Wahl wird Qual

Neben Pegasystems gibt es noch weit über 100 Spezialanbieter. Die Marktforscher von Software Advice haben unlängst versucht, ein Ranking darüber zu erstellen. Hierzu nutzen sie ausschließlich User-Empfehlungen. Unter den zehn Anbietern, die die meisten Empfehlungen bekamen, waren von den Großen nur Salesforce und Microsoft. Andere Marktforscher, wie Captera, nutzen für ihr Ranking die Nennungen in Social-Media und ergänzen diese mit der Anzahl an Kunden. Hierbei landet Salesforce auf dem ersten Platz und von den großen Anbietern finden sich SAP auf Platz vier, Microsoft auf Platz fünf und Oracle auf Platz sieben.

Das CRM-Ranking von Captera.
Das CRM-Ranking von Captera.
Foto: Harald Weiss

"Customer Engagement Plattform"

Dass sich der CRM-Markt so rasant ausweitet, liegt vor allem daran, dass CRM aus seiner Nische herauskommt und Teil einer unternehmensweiten Lösung wird. Heute sind Lösungen gefragt, bei denen CRM im Mittelpunkt einer umfassenden Plattform steht, die beispielsweise auch das Backoffice abdeckt. Der Grund dafür ist, dass die Kommunikation mit Interessenten und Kunden parallel über verschiedene Kanäle abläuft. Wer den ersten Kontakt mit einem Unternehmen auf einer Webseite startet, soll schnell aktuelle Produkt-Informationen erhalten und zu einer Bestellung geführt werden. Dazu aber müssen der aktuelle Bestand, die Logistik und die Abrechnung im direkten Zugriff sein.

Das aber ist erst mit der Integration von CRM und ERP möglich. "Inzwischen erkennen die meisten Unternehmen, dass CRM und ERP zusammengehören und dass eine Integration von Back- und Front-Office gewaltige Geschäftsvorteile mit sich bringt", sagt Jerry Roche, CEO bei FinancialForce, Anbieter einer speziellen ERP-Lösung auf der Salesforce-Plattform.

Aus den getrennten Welten CRM und ERP entstehen jetzt "Customer Engagement Plattformen". Der CRM-Guru Paul Greenberg definiert das so: "Customer Engagement ist die fortlaufende Interaktion zwischen Kunde und Unternehmen, die auf vielen Wegen auf einer vom Unternehmen bereitgestellten Plattform stattfindet; wobei der Kunde über Form und Umfang selbst entscheidet." Das heißt, dass diese Systeme stets alle Transaktionen im Auge haben: Vom ersten Interesse eines potenziellen Kunden über alle weiteren Kontaktaufnahmen, Informationen und Kaufabschlüsse bis hin zur Wartung und der Vertragspflege.

Das MIT hat darüber eine Untersuchung durchgeführt. "Sobald die Finanzabteilung, der Vertrieb, der Service-Bereich und die Rechtsabteilung alle auf dieselben Kundendaten zugreifen, erhöht das die Produktivität der Mitarbeiter ganz erheblich", heißt es in deren Studie.

Paul Greenberg sieht CRM als fortlaufende Interaktion zwischen Kunde und Unternehmen.
Paul Greenberg sieht CRM als fortlaufende Interaktion zwischen Kunde und Unternehmen.
Foto: Harald Weiss

CRM wird intelligent

Um diese neuen Anforderungen besser zu erfüllen rüsten die CRM-Anbieter ihre Systeme mit Künstlicher Intelligenz auf. IBM plant den Einsatz von Watson, Microsoft hat hierzu Cortana entwickelt und Google machte jüngst Schlagzeilen mit der Google Now Plattform. Salesforce hat hierzu die Wave Analytics akquiriert und soeben kam noch der Startup Tempo hinzu, der eine Kalender App entwickelt hat, die über die Fähigkeiten von Maschinen-Lernen verfügt.

In diese Kategorie gehört auch die umfangreiche Nutzung von Vorhersagemodellen (Predictive Analytics). Zwar wird schon seit ein paar Jahren daran gearbeitet, doch die Systeme sind noch immer zu komplex, um von den Sachbearbeitern selbstständig genutzt zu werden. Als Lösung sehen die Anbieter auf der Eingabeseite die verstärkte Vertikalisierung ihrer Basistechnologie. Hierzu werden viele vordefinierte Szenarien in der Terminologie des Fachbereiches als Templates bereitgestellt. Auf der Ausgabeseite schreitet die Visualisierung der Ergebnisse immer stärker voran, sodass auch hier immer weniger Technologie-Knowhow nötig ist.

Unzureichende Datenqualität

Doch ein Basisproblem dieser neuen Analytics stellen die Eingangsdaten dar. Alle Social-Media- und viele Kunden-Daten sind extrem verrauscht. Das heißt, die Daten sind verzerrt und unpräzise. Jeder kennt das Problem: Man kauft bei Amazon etwas für seine Kinder und schon bekommt man nur noch Empfehlungen für Kinderspiele und Kinderbücher. Im B2B-Bereich sind solche Probleme an der Tagesordnung. Im Durchschnitt wechseln jedes Jahr 25 Prozent aller Mitarbeiter auf eine neue Position. Auch die Produktpallette im Einkauf wird fortlaufend geändert. Das heißt, es ist für alle CRM-Programme schwer genug, den aktuellen Stand halbwegs korrekt abzubilden - weitergehende Analysen sind häufig nur ein Wunschtraum.

Mobile und App-Store

Technologisch gibt es bei den neuen "Customer Engagement Plattformen" zwei wichtige Trends: Mobile und Cloud. Laut Gartner werden bereits 20 bis 40 Prozent aller Kunden-Transaktionen auf mobilen Endgeräten getätigt. "Mobile ist das Schlachtfeld auf dem sich die Zukunft der CRM-Anbieter entscheiden wird", sagt Mark Seemann, CEO von Synety, einem Anbieter von Cloud-basierten Kommunikationslösungen. Hier sind es vor allem die neuen Business-Apps, die immer mehr genutzt werden. Salesforce startete damit schon 2008 und deren AppExchange gilt weiterhin als einer der leistungsstärksten App-Stores für Business-Apps.

Viele CRM-Anbieter sind dem Beispiel von Salesforce gefolgt und haben ebenfalls Plattformen gestartet. Jüngster Anbieter ist SugarCRM. Hier sieht man auch einen Zusammenhang zwischen der schlechten CRM-Akzeptanz der früheren Jahre und dem heutigen Boom. "CRM wurde früher deshalb wenig genutzt, weil man die Kundendaten unterwegs benötigt und nicht im Büro. Mit Mobile-CRM hat sich das deutlich verbessert - und es bewirkte ein Plus von 15 Prozent bei der Produktivität. Zwei Drittel der Außendienstmitarbeiter, die Mobile-CRM nutzen, erreichen ihre Quote. Doch nur 22 Prozent derer, die keine Mobile-CRM nutzen schaffen ihre Quote", heißt es in einem Firmen-Report.

Alles aus der Wolke

Der zweite wesentliche technologische Trend führt in die Cloud. "On-Premise-Lösungen fallen gegenüber den SaaS-Angeboten ganz deutlich zurück", sagt Gartner-Analystin Joanne Correira. Hierzu verweist sie darauf, dass 2008 der SaaS-Anteil bei 12 Prozent lag, doch im vorigen Jahr waren es stolze 87 Prozent. Marktführer bei Cloud-basierten CRM-Lösungen ist Salesforce, die damit im vorigen Jahr 4,3 Milliarden Dollar umsetzen konnten. Das bedeutet einen Marktanteil von 16,3 Prozent. Auf den Plätzen zwei bis fünf folgen SAP (2,8 Milliarden - 12,8 Prozent), Oracle (2,1 Milliarden - 10,1 Prozent), Microsoft (1,4 Milliarden - 5,8 Prozent) und IBM (0,9 Milliarden - 3,9 Prozent). Die zehn umsatzstärksten Anbieter nehmen gemeinsam einen Anteil von 60 Prozent ein.

Die aktuellen CRM-Marktführer laut Gartner.
Die aktuellen CRM-Marktführer laut Gartner.
Foto: Harald Weiss

Schöne neue CRM-Welt

Was die zukünftigen Anwendung und Features angeht, so wird CRM schon bald in eine neue Interaktions-Umgebung eingebettet sein. Beispielsweise hat IBM ein Feature angekündigt, mit dem sich die Gemütslage einer Person ermitteln lässt, wenn diese mit dem Service-Desk chattet, tweetet oder eine Mail schreibt. Auf der jüngsten CES wurden Handy-basierte Hologramme vorgestellt, mit denen sich bald beeindruckende Kundenpräsentationen erstellen lassen. Augmented-Reality wird ebenfalls im Rahmen von Produktvorstellungen zum Einsatz gelangen. Hinzu kommen sprachgesteuerte Bedienungsführung und eine entsprechende Sprachausgabe. "Schon bald kann der Verkäufer seine CRM-App in natürlicher Sprache aufrufen und anfragen, welches die drei größten Accounts sind, die zum Ende des Quartals erneuert werden müssen. Die Software antwortet in klarer Sprache mit dem Firmennamen und der Ansprechperson - nicht zu vergessen der Hinweis, ob es eine der drei Personen anwählen soll", sagt Gartner-Analyst Jim Davies über die Zukunft des mobilen CRMs. (sh)

Quelle Teaserbild Homepage: ivosar - shutterstock.com