CRM allein bindet den Kunden nicht

10.02.2005
Von Alexander Weihs
Die Abbott GmbH & Co. KG unterstützt ihre Kundenbindungssysteme durch eine Business-Intelligence-Lösung auf Basis der Data-Warehouse-Technik.

Ausschlaggebend war letztendlich, dass unser Management von Beginn an geschlossen hinter dem Vorhaben stand", erklärt Armin Rothe, IT-Manager für den Bereich Decision Support bei Abbott Diagnostics in Wiesbaden, rückblickend den Erfolg des Projekts "Pace" (Profitability Analysis of Customer Entities). Hinter dem Kürzel verbirgt sich ein Informationssystem, das den Abbott-Managern heute eine schnelle und zuverlässige Bewertung der Kundenprofitabilität erlaubt. Zwar waren die Controller auch zuvor schon in der Lage, derartige Berichte zu erstellen, "an ein zeitnahes kundenspezifisches Reporting in kurzen Intervallen war aber überhaupt nicht zu denken", erinnert sich Rothe.

Die Abbott GmbH & Co. KG in Wiesbaden-Delkenheim entwickelt und produziert diagnostische Geräte und Reagenzien für den medizinischen Bereich. Die Abnehmer der Produkte, vorwiegend Krankenhäuser bis hin zu Groß- oder Uni-Kliniken, sind meist dezentral organisiert. Viele von ihnen verfügen über mehrere Kundennummern und werden innerhalb der Abbott-Organisation von verschiedenen Abteilungen betreut.

Daten sprudeln aus vielen Quellen

Um eine genaue Zuordnung von Umsätzen und Kosten für jeden einzelnen Kunden zu erhalten, müssen die erforderlichen Informationen aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen zusammengetragen werden. Das erfolgte bis vor kurzem größtenteils manuell auf Basis von Excel-Sheets und war sehr zeitaufwändig.

Die Ergebnisse waren dennoch nicht immer befriedigend, weil sich aufgrund der inkonsistenten Datenhaltung immer wieder Ungenauigkeiten einschlichen. Außerdem waren wegen der langen Erhebungszeiten die Daten oft nicht mehr aktuell. Sie taugten deshalb nur bedingt, um die Entscheidungen des Managements abzusichern. Mit seinem Vorschlag, die Excel-basierenden Reports durch eine moderne Business-Intelligence-(BI-)Lösung auf Basis der Data-Warehouse-Technik zu ersetzen, rannte Rothe deshalb offene Türen ein.

Grünes Licht ohne Budgetplan

Bei der Erarbeitung des Projektplans konnte sich der IT-Manager auf seine Erfahrungen aus vorangegangenen BI-Projekten stützen. So war schon frühzeitig klar, dass für die grafische Aufbereitung der Daten das Cognos-Frontend "Powerplay" zum Einsatz kommen würde. Auf das Tool hatte er sich festgelegt, weil es bei Abbott bereits als Oberfläche für diverse Sales- und Marketing-Reports diente und die Performance stimmte.

Auch von der darüber hinaus benötigten Hard- und Software und den erforderlichen Dienstleistungen hatte Rothe klare Vorstellungen. Konzept, Zeit- und Kostenplan überzeugten das Management, so dass er nach einer kurzen Wirtschaftlichkeitsprüfung grünes Licht erhielt, obwohl ein Budget für das Projekt ursprünglich nicht vorgesehen war.

Angesichts knapper interner Ressourcen - phasenweise sollten bis zu sechs Entwickler am Projekt arbeiten - holte Rothe das Beratungsunternehmen Objective Partner aus Weinheim mit ins Boot. Ausschlaggebend war dessen Kenntnis des Cognos-Frontends. "Schon in der Anfangsphase erwies sich aber vor allem unsere Data-Warehouse-Erfahrung als hilfreich", bemerkt Burghardt Benz, Business Unit Manager Information Management bei Objective Partner, "da wir bereits bei der Entwicklung des Analysemodells die für einen späteren Zeitpunkt vorgesehene Anbindung weiterer Länderorganisationen berücksichtigen mussten". Denn als Headquarter Emea der Diagnostika-Sparte steuert Abbott in Wiesbaden nicht nur Verkauf und Service in Deutschland, sondern in ganz Europa, Afrika und Teilen Asiens. Daten von 360 000 Kunden aus 130 Ländern laufen in Wiesbaden zusammen. Da die Länderorganisationen hinsichtlich Systemauswahl und -nutzung über gewisse Spielräume verfügen und etliche unterschiedliche Erfassungssysteme im Einsatz sind, mussten schon im Rahmen des deutschen Pilotprojekts zahlreiche Schnittstellen programmiert werden, um einen reibungslosen Rollout zu gewährleisten.

Der Startschuss für das Pace-Pilotprojekt fiel Anfang 2003. Im Blickpunkt stand zunächst eine genaue Analyse der Kundenstruktur sowie die Identifikation der erforderlichen Datenquellen, um künftig jedem einzelnen Kunden Umsätze und Kosten eindeutig zuordnen zu können. Die weiteren Schritte umfassten im Wesentlichen die Entwicklung des multidimensionalen Analysemodells, die Auswahl eines geeigneten ETL(Extract, Transform, Load)-Tools, das Design der Data-Warehouse-Datenbank selbst sowie die Frontend-Integration.

Auswahl nach Praxistest

Der eng gesteckte Zeitplan erforderte dabei ein teilweise zeitgleiches Arbeiten an den einzelnen Projektschritten, deren Ausführung Rothe allerdings weitgehend den Weinheimer Data-Warehouse-Spezialisten überließ. Die trieben das Vorhaben zügig voran und bereiteten die Entscheidung über das ETL-Tool vor: Nach einer Vorauswahl wurden schließlich drei Kandidaten zu einem Praxistest nach Wiesbaden eingeladen. Anderthalb Tage standen jedem Probanden zur Verfügung, um eine Pace-typische Musteraufgabe zu lösen. "Ein aufwändiges Vorgehen", erinnert sich Rothe, das sich aber heute auszahle. Mit Informaticas "Powercenter" habe man eine Lösung gefunden, die den Anforderungen nahezu hundertprozentig gerecht werde.

Ergebnis lässt sich nicht beziffern

Das Projekt konnte ohne nennenswerte Zwischenfälle termin- und budgetgerecht im Juli 2003 abgeschlossen werden. Die bis dahin entstandenen Kosten beziffert Rothe auf rund 340 000 Euro, wobei das Gros auf Hardware und ETL-Tool entfiel. Der Wert der Lösung ist aber vorrangig strategischer Natur und lässt sich seiner Ansicht nach nicht in Euro und Cent ausdrücken: "Erst mit Pace ist uns ein regelmäßiges, fehlerfreies kundenspezifisches Reporting überhaupt möglich." Bis zu acht Stunden dauerte früher die Berechnung der Profitabilität eines einzelnen Kunden, mit Pace sind es gerade mal 15 Minuten.

Zu dem System, das ursprünglich nur für das obere Management in der Emea-Finance-Zentrale vorgesehen war, haben heute auch Anwender auf Abteilungsebene Zugang. Mehr als 70 Mitarbeiter bedienen sich inzwischen im zentralen Data Warehouse, das auf einer SQL-Server-Datenbank in Wiesbaden abgelegt ist. "Ein flexibles Berechtigungskonzept sorgt dafür, dass nur die für die jeweiligen Aufgaben erforderlichen Auswertungen vorgenommen werden können", erläutert Rothe.

Standardisierte Kundenberichte

Mit Pace soll in naher Zukunft auch den Führungskräften der Länderorganisationen ein standardisiertes Berichtswesen auf Basis lokaler Data Marts zur Verfügung stehen, der Rollout läuft deshalb auf vollen Touren. Dass sich das Analysesystem überall schnell durchsetzen wird, davon ist Rothe überzeugt. Weil der Umsatz allein noch kein erfolgreiches Geschäft ausmache, rücke die Kundenprofitabilität zunehmend in den Blickpunkt unternehmerischer Entscheidungen. (ba)