Netzwerk über ganz Frankreich

Credit Lyonnais setzt auf die Client-Server-Struktur

01.05.1992

PARIS (CW) - Wo bislang Sackgassen vorherrschten, hofft die Credit Lyonnais (CL), eine der größten Banken weltweit, mit einer neuen Hard- und Software-Topologie Finanzdienstleistungen zu evolutionieren und damit am Markt aggressiver auftreten zu können.

Das auf über 1700 Bankniederlassungen in ganz Frankreich ausgedehnte Netzwerk bietet den Bankangestellten Zugang zu relationalen Datenbanksystemen, die detaillierte Angaben zu persönlichen und Finanzdaten von Kunden beinhalten. Diese Daten sollen in Zukunft genutzt werden, um zum einen den CL-Kunden neue Finanzdienstleistungen unterbreiten zu können, zum anderen soll aber auch die Papierlawine in den Niederlassungen der CL mit der neuen MIS-Struktur ein gedämmt werden.

Mit dem als Client-Server-Topologie beschriebenen Netzwerk sei es nach Aussagen des CL-MIS-Managers Jacky Grinenwald den Bankangestellten möglich, bislang unzugängliche Kundendaten in Online-Datenbanken zu integrieren.

An dem "Elan" genannte Netzsystem arbeitet die CL seit 1985. Binnen zwei Jahren soll das landesweite Computernetz vollendet sein. Hardwareseitig setzt sich Elan zusammen aus LANs in den jeweiligen Niederlassungen, die über analoge Standleitungen mit Stratusrechnern in 18 Regionalbüros verbunden sind. Der US-amerikanische Rechnerhersteller aus Marlborough im Bundesstaat Massachusetts ist neben Tandem Computers der bedeutendste Fabrikant fehlertoleranter Systeme, die IBM bezieht deren XA-2000-Rechner und führt sie als OEM-Produkt in ihrer /88 Produktpalette.

Die Stratusrechner wiederum sind untereinander und mit IBM-Großrechnern in den drei DV-Zentren Lyon, Tours und Paris verbunden. Auf den Stratusmaschinen liegen unter der relationalen Datenbanklösung von Oracle die persönlichen und Finanzdaten der CL-Kunden. Die Mainframes sind einerseits für das Kredit- und Darlehenswesen zuständig, andererseits obliegt ihnen die generelle Verwaltung der Kontoführung. Vor Ort in den Niederlassungen werden in den LANs unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche neben den Anwendungen vor allem täglich benutzte Informationen wie etwa Zinsraten vorgehalten.

Mehr als die Hälfte der Anwendungen, die unter dem Elan-System in über 1700 de 2000 Bankniederlassungen geplant sind, laufen Grinenwald zufolge bereits, die restlichen Applikationen sollen in den kommenden drei Jahren folgen. Obwohl bislang lediglich zehn Prozent aller CL-Kundendaten in den DB-Systemen Aufnahme fanden, sollen die übrigen 90 Prozent innerhalb von 18 Monaten folgen.

Mit Elan mustert die CL eine Rechnertopologie aus, bei der Stand-alone-Minicomputer die meisten in den Niederlassungen relevanten Anwendungen "fuhren". Mit der Oracle-Anwendung sei es nun möglich, zentrale Datenbanken anzulegen, in denen die Summe der Kundendaten zusammenlaufe. Bislang habe man diese Informationen in einer Vielzahl darüber hinaus inkompatibler Datenbanksysteme gesammelt, auf die die Bankmitarbeiter keinen Zugriff hatten. Mit dem neuen DV-Konzept erhofft sich die CL nach Aussagen von MIS-Manager Grinenwald denn auch eine signifikante Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

Elan setze Bankangestellte vor Ort in die Lage, via Computer umgehend ein komplettes Kundenprofil anzufertigen, das auch Hinweise biete, für welche zusätzlichen Dienstleistungen der jeweilige Kunde geeignet sei. Zudem erhoffen sich die Banker von Elan eine ökonomischere Arbeitsweise in puncto Automatisierung von Prozeduren, die bislang nur durch die Bewegung großer Papierberge realisiert wurden.

Grinenwald schätzt, das die CL im Zuge des Elanprojektes etwa 265 Millionen Dollar für Hardware und Standardsoftware ausgeben wird. Darüber hinaus investiere die Bank etwa 400 Mannjahre in die Entwicklung spezieller Software-Anwendungen.

Grinenwalds Optimismus, mit dem neuen DV-Konzept werde die CL sich einen wesentlichen Vorteil vor anderen Banken erarbeiten, wird nicht von allen Branchenkennern geteilt. Ladd Willis, Vice-President der First Manhattan Consulting Group aus New York, verweist darauf, daß praktisch alle führenden Banken die letzten Jahre gut genutzt hätten, um Netz- und DB-Systeme ähnlich Elan zu entwickeln.

Darüber hinaus seien Banken wie die Bank America Corp. oder die Citicorp sogar schon dazu übergegangen, Supercomputer für die Analyse von Kundendaten in Datenbanksystemen einzusetzen, um so innovative Dienstleistungen und Marktstrategien zu entwerfen.