Entwicklungschef für neue Forschungsaufgaben freigestellt

Cray Research kündigt Einstieg in massivparallele Systeme an

12.10.1990

BOSTON/MÜNCHEN(jm) - Mit der jüngsten Bekanntmachung von John Rollwagen könnte der CEO der Cray Research Inc. die Zukunft des Supercomputer Herstellers in neue Bahnen lenken: Nach intensiven Forschungen sei man in Minneapolis zu der Überzeugung gelangt, daß kein Weg mehr an massivparallelen Systemen vorbeiführe.

Gegenüber diesen mit bis zu 65 000 Prozessoren ausgestatteten Maschienen fertigte Cray bislang Superrechner, in denen - wie im momentanen Spitzenmodell Y-MP/8 - nur bis zu acht CPU s parallel arbeiten. Vor allem die Kommunikation von Hunderten und Tausenden dieser Bausteine stellt hohe Anforderungen an die Systemsoftware-Entwickler. Zudem können Anwendungen für herkommliche "kleine" Superrechner nicht auf den massivparallelen Computern eingesetzt werden.

Y-MP-Nachfolger C-90 kurz vor der Betaphase

Cray wendet seine Forschungsaktivitäten damit auf ein Terrain, das bislang vor allem von Unternehmen wie der Thinking Machines Inc., Ncube, AMT Ltd. (Active Memory Technology) oder auch Intel besetzt wurde.

Um die Bedeutung zu unter streichen, die Rollwagen dem

Technologieschwenk in seinem Unternehmen beimißt, stellte er

Steve Nelson für das Forschungsteam zur Entwicklung des massivparallelen Rechners ab. Nelson war bisher als Senior Researcher bei Cray für die Fertigstellung des Supercomputer-Rechners und Y-MP-Nachfolgers C-90 zuständig.

"Das C-90-Projekt entwickelte sich sehr erfolgreich von der Design- in die Prototypphase, weswegen Nelson für diese neue Aufgabe freigestellt werden kann", gibt Rollwagen auch einen Hinweis auf die nähere Zukunft von anderen Cray-Produkten.

Siegfried Eckert, Leiter des Geschäftsbereiches Vertrieb bei der Cray Research GmbH in München, wollte zu der Vermutung, der Abzug Nelsons aus dem C-90-Projekt deute auch auf die Vollendung der nächsten Supercomputer-Generation und deren baldige Ankündigung hin, nicht Stellung nehmen. "Es ist allerdings so, daß sich die Arbeiten im C-90-Bereich sehr erfreulich entwickelt haben", meinte Eckert. Er wolle jedoch keinen Spekulationen Vorschub leisten, die eine Nachfrage zum jetzigen Zeitpunkt anheizen würden.

Massivparallele Rechner werde man von Cray Research wohl nicht vor Ende der 90er Jahre erwarten können, wimmelte er zu hochgesteckte Erwartungen an sein Unternehmen ab. Ziel sei dann allerdings, Systeme zu präsentieren, die Rechenleistungen im Tflop-Bereich gewährleisten sollen. Eine weitere nicht zu unterschätzende Problematik sei zudem, daß man nicht nur die Hardware, sondern vor allem auch Software zu entwickeln habe, die auf einem mit mehreren tausend CPUs bestückten Superrechner laufen müsse.

Für Analysten wie Barry F. Willman von Sanford C. Bernstein & Co. bedeutet Rollwagens Aüßerung, daß Cray Research über das Stadium des Studierens und der Forschung zu massivparallelen Superrechnern hinaus ist.

Mit der jetzt erfolgten und von Cray-Managern bestätigten Verlautbarung gibt Cray nun nach Willmans Ansicht ein Bekenntnis für diesen Rechnertyp ab, was bedeute, daß Entwicklungskapazitäten auf eine Technologie umgepolt würden, die nicht mehr mit bisherigen Cray-Computern vergleichbar seien.