Löcher in der Produktstrategie

Craig Conway ist der neue Chef bei Peoplesoft

01.10.1999
MÜNCHEN (CW) - Generationswechsel bei Peoplesoft: Der Gründer und bisherige Chief Executive Officer (CEO) Dave Duffield (58) räumt seinen Posten für Craig Conway (44), der das Unternehmen ins Internet-Zeitalter führen soll.

Duffields Rücktritt kommt für Fachleute nicht überraschend. Seit rund einem Jahr suchte die Softwareschmiede nach einem Mann fürs Grobe, der Duffield vom täglichen operativen Geschäft entlasten sollte. Im Mai dieses Jahres stieg der bislang im ERP-Umfeld unbekannte Conway nach einer Karriere bei Onetouch Software, TGV und Oracle bei Peoplesoft zunächst als Chief Operating Officer (COO) ein und übernimmt nun auch den Posten des CEO. Duffield wird dem Unternehmen weiterhin als Chairman of the Board zur Verfügung stehen.

Conway tritt kein leichtes Erbe an: Die Gewinne des Unternehmens schmelzen dahin, und die Einnahmen durch Lizenzverkäufe sanken im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (Ende: 30. Juni) um 61 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Die Folge waren ein Kursrutsch der Aktie um mehr als 50 Prozent und eine Restrukturierung des Unternehmens, der über 400 Mitarbeiter zum Opfer fielen.

Zwar haben auch Peoplesofts Mitbewerber Baan, J.D. Edwards und SAP mit stagnierenden Umsätzen infolge der nachlassenden Datum-2000-Nachfrage zu kämpfen, doch scheinen sie laut Analysten für die Wachstumsmärkte der Zukunft besser positioniert zu sein. Ein großes Loch in der Strategie der Softwerker aus Pleasanton, Kalifornien, hat Pierre Mitchell, Analyst von AMR Research, ausgemacht: "Peoplesoft hat keine ausgereifte Front-Office-Strategie", gibt er zu Protokoll. Konkret: Außer Kooperationen mit Vantive und Siebel verfüge das Softwarehaus über keine eigenen Lösungen für Vertrieb, Marketing und Service, während die Mitbewerber in diesem Segment durch Zukäufe (Baan) oder Eigenentwicklungen (SAP, Oracle) besser aufgestellt seien.

Ein Hoffnungsträger Peoplesofts ist die neue Web-basierte Version 8 der gleichnamigen Software, die Ende des Jahres zur Verfügung stehen soll. Daneben verspricht man sich einen Umsatzschub durch den Verkauf Data-Warehouse-basierter Anwendungen für die Unternehmens-, Finanz- und Kennzahlenanalyse (Enterprise-Performance-Management = EPM).

Doch Harry Tse, Analyst der Yankee Group, räumt diesen Ansätzen eher geringe Chancen ein: "80 Prozent der Einnahmen erzielt Peoplesoft bisher durch den Verkauf von Personal-Management-Lösungen." Deren Anwender hätten wenig Interesse an E-Commerce und Web-basierter Software. Dabei war Peoplesoft im Vergleich zu den anderen ERP-Anbietern mit dem Peoplesoft Business Network (PSBN), das bereits im November 1998 aus der Taufe gehoben wurde, Vorreiter in puncto Internet-Strategie. Doch wurde das Projekt und die dazugehörige Marketing-Kampagne im Juli dieses Jahres ohne weiteren Ersatz kurzerhand zu den Akten gelegt. Wahrscheinlich, so mutmaßten Insider damals, sei damit kurz- und mittelfristig kein Geld zu verdienen gewesen.Vorrangiges Ziel von Conway müsse es deshalb sein, mehr Finanz- und Produktionsapplikationen an den Mann zu bringen, empfiehlt Tse. Doch damit tun sich die Softwerker speziell außerhalb ihres Kernmarktes USA sehr schwer.

Gespalten ist die Meinung der Fachleute darüber, ob Conway der Richtige für den CEO-Posten ist. Im Vergleich mit Hasso Plattner von SAP oder Larry Ellison von Oracle bleibe der neue Mann blaß, findet Steve Bonadio von der Meta Group: "Diese Leute sind sprachgewaltig, charismatisch, selbstsicher und aggressiv. Auf Conway scheinen die meisten dieser Attribute nicht zuzutreffen." David Caruso von AMR Research dagegen hält den neuen CEO für eine gute Wahl: "Conway konzentriert sich auf pragmatische Dinge, um das Unternehmen wieder in Form zu bringen.