Holland Automation gibt tätigkeitsbezogenen Benutzersprachen und Bürocomputer-Netzen die besten Zukunftschancen:

CP/M vor dem Niedergang - En-bloc-Software im Kommen

21.08.1981

DORDRECHT - Die Zielsetzung, mit der das Mikrocomputer-Betriebssystem CP/M einstmals ins Rennen geschickt wurde, nämlich das Schreiben von Programmen ohne Treiber für Drucker oder Display, war phantastisch, urteilt Tom van der Loo, Managing Director und Mehrheitsgesellschafter des Software-Hauses Holland Automation (HA) B. V., Dordrecht. Nach heutigen Maßstäben allerdings müsse CP/M als antiquiert eingestuft werden.

Wer die Qualität von CP/M betrachte, meint van der Loo, komme nicht daran vorbei, daß ein Betriebssystem, das eine Vielzahl von Programmiersprachen unterstütze, dies nicht gleichmäßig gut tun könne. Außerdem sei der Markterfolg von CP/M wesentlich darin begründet, daß fast ausschließlich "kleine" Anwender CP/M installiert hatten und bei diesen Leuten vielfach nur ein Software-Halbwissen gegeben sei - mit ein Grund dafür, daß man der Programmiersprache Basic noch eine lange. Lebensdauer voraussagen dürfe.

Bei quantitativer Betrachtung wird nach Meinung des Holländers eine dem Herdentrieb vergleichbare Verhaltensweise der CP/M-User erkennbar: Was so viele andere installiert haben, muß ja gut sein; und im übrigen warte man die weitere Entwicklung ab. Van der Loo: "In der Masse stirbt's sich leichter."

Die konkreten Probleme eines CP/ M-Anwenders, zählt der HA-Chef auf, beginnen mit einem Manual, das aufgrund der vielen der Ur-Software hinzugefügten Erweiterungen inzwischen zu einem regelrechten Wälzer angewachsen ist und zudem willkürlich erscheinende und logisch nicht mehr nachvollziehbare User-Anweisungen enthält.

Ein weiteres Problem sieht er darin, daß ein CP/M-Erwerber erst noch einen Compiler - überwiegend "Microsoft"-Basic - und ein Dateimanagement benötigt, um seine Arbeit aufnehmen zu können.

Habe er dies alles zusammen, so seien 48 KB im Rechner bereits belegt - nicht eben wenig für die angesprochene Benutzergruppe. Für kommerzielle Anwendungen, die im Mikrocomputer-Bereich stark an Bedeutung zunahmen, sei CP/M damit immer noch nicht sonderlich geeignet.

Van der Loo: "Was will der DV-Normalverbraucher mit Texteditor und Assembler?" Offenbar, meint er habe die amerikanische Digital Research Inc. (Pacific Grove, Kalifornien), der Vertreiber von CP/M, die Zeichen der Zeit erkannt und aus diesem Grunde das Nachfolge-Betriebssystem CP/M 86 auf den Markt gebracht.

Was heißt "easy"?

Ein Umsteigen auf das neue CP/M 86 aber könne für den CP/M-Anwender unangenehm werden, warnt der Holländer: Es müsse Gründe haben, wenn Digital Research eine solche Konvertierung als "easy" bezeichne und nicht von völliger Kompatibilität rede.

Sieht van der Loo einerseits schwere Zeiten auf die große CP/M-Gemeinde zukommen, so hat er andererseits einen Ausweg parat: "Das Konzept der Brücke zwischen moderner Hardware-Spezifikation und überkommener Benutzer-Tradition", wie es Holland Automation verfolgt.

Daß er damit richtig liegt, folgert van der Loo - er ist nach eigener Darstellung der eigentliche Entwickler des verbreiteten Nixdorf-Kommerzpakets "Comet" - daraus, daß immer mehr Hersteller bei ihm anklopfen, häufig auf dem Umweg über regionale Verkaufsmanager, denen angesichts der unübersichtlichen CP/M-Software-Welt die Argumente auszugehen drohen und die diesen Trend früher spüren als die Bürokraten in marktfernen Chefetagen.

Es ist nämlich ein homogenes Software-System, was die Holländer bieten, unterstreicht der Firmenchef. Es reicht von der System- bis zur parametrierten Anwendungs-Software. " Unser Anwender", meint van der Loo pointiert, "hat nur das Problem, Basic kennen zu müssen und die Referenzkarte mit den wichtigsten Basic-Befehlen zu haben."

Entwickelt haben die Holländer ihre Software für Mikrocomputer auf der Basis von Intel 8080/8085-, Motorola 6800- und Zilog Z80-Prozessoren. Solange der Anwender von HA-Software bei Produkten dieses Hardware-Sektors bleibt, kann er seine Software-Investitionen ohne Anpassungsaufwand und aufwärtskompatibel überall implementieren, betont man in Dordrecht. Im übrigen sei es nur eine Frage des betreffenden Auftrags, diesen Software-Komfort etwa auch für Prozessoren von National Semiconductor verfügbar zu machen.

Mit seinem Angebot zählt Holland Automation sich zu den wenigen Software-Häusern in Europa, die komplette Mikrocomputer-Software liefern. Zwar wendet HA sich in der Regel nicht an den EDV-Endverbraucher, sondern an den - so van der Loo -, "der das Ding verkauft"; Gedanken um den Endabnehmer haben sich die Dordrechter aber doch gemacht.

Die HA-Software-Entwickler beherzigen nach Angaben ihres Chefs die Erkenntnis: "Was der Anwender falsch machen kann, das macht er auch falsch." Die sich daraus ergebende Konsequenz, narrensichere Software produzieren zu müssen, stellt van der Loo in krassen Gegensatz zu der in den USA weithin geübten Praxis, unausgereifte Mikrocomputer-Programme auf den Markt zu bringen.

Der US-Markt, meint der Holländer, ist so groß, daß sich auch minderwertige Produkte immer noch in ausreichend großen Stückzahlen absetzen lassen. Für Europa gelte dies nicht, weder was das Marktvolumen noch was die Mentalität der DV-Konsumenten betreffe. Immerhin lasse sich an den expandierenden Geschäftsbeziehungen zwischen HA und amerikanischen Anbietern ablesen, daß jenseits des Atlantiks ein Umdenkprozeß in Gang gekommen sei.

Fundament der HA-Software-Produktreihe ist das Prozessor-unabhängige Betriebssystem. In Zusammenarbeit mit dem Dateimanagement-System und dem "Commercial-Basic" verbindet es die Applikations-Software mit den Intel-/Motorola-/Zilog-Mikroprozessoren. Einen eigenen Produktnamen hat dieses Software-System nicht. Wie bei "OEM-Software" nicht anders zu erwarten, taucht sie im jeweiligen Mikrocomputer unter dem Etikett des Hardware-Herstellers wieder auf, so etwa bei Olivetti, Triumph-Adler, DDC und Ormig.

Alle drei Komponenten, unterstreicht van der Loo, sind HA-Entwicklungen. Augenblicklich sind die Software-Entwickler in Dordrecht damit befaßt, die vorhandene Software den Forderungen anzupassen, die mit der neuen 16-Bit-Architektur der Mikroprozessoren einhergehen. Bald schon, heißt es, werden 16-Bit-Prozessoren dank der HA-Software das gleiche zu bieten haben wie die überkommenen 8-Bit-Mikros.

Das Herz des HA-Betriebssystems sind die drei I/O-Treiber für Tastatur Bildschirm und Drucker (woraus auch ersichtlich wird, daß Computer mit primitiverer Ausstattung für die Holländer kaum in Betracht kommen). Diese Treiber, betont van der Loo, bewahren das gesamte Software-System vor (späteren) Hardware-Einflüssen. Soll die HA-Software beispielsweise auf neuer oder veränderter Hardware implementiert werden, so müssen nur diese Treiber - zusammen mit mindestens einem Treiber für den Datenspeicher - angepaßt werden.

Basic-Variante

Ein besonderes Driver-Chaining-Verfahren der Holländer generiert das auf die jeweilige Konfiguration abgestimmte I/O-System. Schnittstelle zwischen Dateien und Programmen ist das File-Management-System (FMS). Es steuert die gesamte Kommunikation und führt nach van der Loos Darstellung auch komplizierteste Datei-Strukturen auf einfache Programmier-Statements zurück. FMS unterstützt drei Datei-Organisationen:

- sequentiell,

- indexsequentiell,

- direkt.

Die Programme - wahlweise abgespeichert im Source- oder Compiled-Code - werden von FMS wie Dateien behandelt. Multi-User-Dateizugriff ist möglich. Interface-Funktionen zwischen dem Anwender und dem System nimmt das Commercial Basic wahr. HA, versichert van der Loo, hat mit dieser Sprache unter Berücksichtigung internationaler Vereinbarungen eine der stärksten Basic-Varianten entwickelt.

Zu diesem Zweck haben die Holländer gängige Statements funktionell ausgedehnt und neue Statements hinzugefügt. Herausgekommen ist - so der HA-Chef - eine High-Level-Parametersprache auf Anwenderebene. Außer dem üblichen Source-Interpreter hält HA auch einen Code-lnterpreter bereit, der auf einer kompilierten, kompakteren Code-Basis arbeitet, auf diese Weise schnellere Ausführungszeiten ermöglicht und gleichzeitig diebstahlverhindernd wirkt.

Die HA-Software-Palette umfaßt noch ein Dienstprogramm-Paket (beispielsweise mit Routinefunktionen für die Pflege von Plattenspeichern), ein spezielles Dateipflege-Package "Filekeeper" und einige horizontale Kommerz-Applikationen. Gerade diese portablen, parametrierbaren und darum in unterschiedlichen Umgebungen einsetzbaren Anwendungen haben den Dordrechtern die überwiegende Zahl der Aufträge eingebracht, merkt van der Loo an. Hauptgrund: Sie vergrößern den Markt - auch geografisch.

Derzeit ist Basic noch die gegebene Mikrocomputer-Programmiersprache, sinniert van der Loo. Der Normalmensch, der nicht in der Trennschärfe von Schwarz-Weiß-Tönen, sondern in Grau-Tönen denkt, lerne es schnell. Auf Dauer aber gibt es für den HA-Boß nur eines: "Wir müssen weg von Basic." Den Vorzügen auf der Software-Produktionsseite stünden erhebliche Schwachstellen bei der Dokumentation gegenüber.

Die Zukunft stellt van der Loo sich so vor, daß jeder Fachabteilungs-Beschäftigte seinen eigenen berufsspezifischen Interpreter bereitgestellt erhält, mit dem er sich in einer - beispielsweise - Buchhaltungssprache verständigen könne, die er nicht mehr besonders zu erlernen hätte. Wenige Chancen auf lange Sicht gibt er solchen Programmiersprachen, die an der allgemeinen menschlichen Umgangssprache orientiert sind.

Hardwareseits geht für van der Loo der Trend eindeutig zum Bürocomputer-Netzverbund nach Etherhet-Muster. Der Großrechner in der Mitte eines solchen Netzes wird nach seiner Überzeugung zunehmend an Bedeutung verlieren. Haupteinsatzgebiet der Jumbos, glaubt der Firmenchef, ist dann das Number Crunching in technisch-wissenschaftlichen Anwendungen.

Die (miteinander beliebig) vernetzten Bürocomputer - so schildert es van der Loo - arbeiten autonom und liefern ihre Daten nur zu Sicherungszwecken und einigen wenigen zentralen Lenkungsaufgaben in einen gemeinsamen Großspeicher. System- und Anwendungs-Software ist im jeweiligen Arbeitsplatz-Computer resident.

Von Schäden durch Systemausfälle bleibt das Netz weitgehend verschont. Daß ein solches Netz aus Bürocomputern verschiedener Fabrikate und Technologien kein Wunschtraum ist, will van der Loo bald im eigenen Hause in Dordrecht demonstrieren.