Herkunft des Programms aus dem Public-Domain verschwiegen

Copyright für Dbase annulliert: Ashton-Tate steht am Abgrund

25.01.1991

MÜNCHEN (gs) - Harte Zeiten für Ashton-Tate: Ein US-Richter hat dem Marktführer bei PC-Datenbanken das Copyright für seinen Bestseller Dbase abgesprochen.

Was als Drohung begann, den blühenden Markt der Dbase-kompatiblen Produkte zu vernichten, endete für Ashton-Tate in einem fürchterlichen Fiasko: Richter Terence J. Hatter, der eine zwei Jahre alte Copyright-Klage des Datenbank-Primus gegen Fox Software zu entscheiden hatte, schmetterte nicht nur die Klage ab, sondern entzog Ashton-Tate gleichzeitig das Copyright auf Dbase gänzlich.

Hatters Begründung: Das Unternehmen habe bei der - in den USA erforderlichen - Anmeldung seines Copyrights Anfang der achtziger Jahre verschwiegen, daß sein Produkt keine reine Neuschöpfung war, sondern die Weiterentwicklung eines Public-Domain-Programms mit der Bezeichnung "JPLDIS".

Auf dieses "Jet Propulsion Laboratories Document Information System" war Wayne Ratliff, der spätere "Erfinder" von Dbase, gestoßen, als er zeitweise für die Pentagon-Forscher in Pasadena arbeitete.

Er programmierte es auf seinem Homecomputer nach und verkaufte es - zuerst unter dem Namen "Vulcan", nach der Gründung von Ashton-Tate dann als "Dbase II". Für Dbase II war das ursprüngliche Copyright beantragt und auch gewährt worden. Später war es auf die Nachfolge-Versionen Dbase III, III plus und IV ausgedehnt worden.

Diese staatlich finanzierte Herkunft seines Bestsellers, so Richter Hatter, habe Ashton-Tate der Copyrightbehörde absichtlich, wiederholt und in betrügerischer Absicht verschwiegen. Wegen des "unredlichen Verhaltens" der kalifornischen Softwareschmiede erklärte er das Dbase-Copyright für ungültig.

Hatters Entscheidung könnte ein Erdbeben auslösen - nicht nur bei den PC-Datenbanken, sondern auf dem gesamten Softwaremarkt. Schon wird spekuliert, ob auf dieser Grundlage nicht auch Lotus das Copyright für 1-2-3 und Apple das auf die Bediener-Oberfläche des Macintosh verlieren könnte.

Für Prozesse, die derzeit noch für starke Irritationen sorgen wie der von Apple gegen Microsoft und Hewlett-Packard wegen deren Produkte "Windows" beziehungsweise "New Wave" -, wäre damit ein Präzedenzfall geschaffen. Andere müßten möglicherweise neu verhandelt werden.

Wie es wirklich weitergehen wird, weiß im Augenblick niemand. Denn während bei der Konkurrenz schon die Korken knallen, versucht Ashton-Tate-CEO Bill Lyons verzweifelt den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, die sein streitlustiger Vorgänger geknüpft hat. Lyons, der erst im vergangenen Dezember das Erbe des weithin verhaßten und schließlich geschaßten Edward Esber jr. angetreten hatte, will in jedem Fall Berufung einlegen.

Lyons: Hatter hat einen falschen Maßstab eingelegt

Zum einen habe nie die Absicht bestanden die Copyrightbehörde zu hintergehen: "Der Anwalt, der damals den ursprünglichen Antrag formuliert hatte, erwähnte JPLDIS ganz einfach deshalb nicht, weil er nie davon gehört hatte." Außerdem hätte die Behörde das Copyright auch dann gewährt, wenn JPLDIS erwähnt worden wäre.

Vor allem aber, so Lyons, seien die entscheidenden Punkte der Klage überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Hatter habe mithin einen falschen rechtlichen Maßstab angelegt. Ashton-Tate hatte Fox Software vorgeworfen, mit ihrem Dbase-IV-Konkurrenten Foxbase Pro das Konzept, das "Look-and-Feel", die Programmiersprache, die Verarbeitungsfolge und das gesamte Erscheinungsbild von Dbase widerrechtlich kopiert zu haben.

Was das "Look-and-Feel" anging, schien die Sache klar: Das auf der Herbst-Comdex 1988 erstmals gezeigte Foxbase Pro sah exakt so aus wie das noch nicht freigegebene Ashton-Tate-Produkt. Ganz offensichtlich hatte Fox die gesamte Benutzeroberfläche des Dbase-III-Nachfolgers schlicht abgekupfert.

Doch von Anfang an ging es nur vordergründig um das "Look-and-Feel" der beiden Produkte. Als Ashton-Tate seine Klage einreichte zuckte die ganze Branche zusammen. Ein Tabu war gebrochen: Zum ersten Mal beanspruchte ein Unternehmen das Copyright auf eine Programmiersprache.

Ashton-Tate-Chef Ed Esber hatte nie Zweifel daran gelassen, daß es ihm um wesentlich mehr ging als nur um Äußerlichkeiten. Was er forderte, war das vollständige und absolute Verfügungsrecht über alles, was mit Dbase zu tun hat. Die Anwender empörte dabei vor allem, daß der Marktführer versuchte, Produkte verbieten zu lassen, die sie ständig gefordert, von ihm aber nie bekommen hatten und auf absehbare Zeit auch nicht bekommen würden.

Juristen hoffen auf lukrative Prozesse

Der Herstellerin eines Dbase-Debuggers, die es gewagt hatte, ihr Produkt "dBug" zu nennen, hatte Esber ebenso seine Anwälte auf den Hals gehetzt, wie "Dbase-Usergruppen", die sich nicht nur mit dem Ashton-Tate-Produkt beschäftigten, sondern auch mit den immer beliebteren Dbase-Compilern wie Foxbase, Clipper oder Quicksilver. Versuche einer Normierung der Programmiersprache "Dbase" durch ein unabhängiges Gremium beantwortete er ebenfalls mit der Drohung gerichtlicher Schritte. Selbst Wordtech Systems, die Ashton-Tate vor Jahren ihr SQL-Know-how überlassen hatte und von Esbers Vorgänger dafür einen Freibrief für die Verwendung der Sprache erhalten hatte, stellte Esber eine Klage in Aussicht: Der Dispens habe nur für frühere Versionen der Wordtech-Produkte Dbxl und Quicksilver gegolten.

"Eine dunkle Wolke über der Datenbank-Welt ist verschwunden", jubelte Dave Fulton, Präsident des in Pittsburgh, Ohio, ansässigen Siegers Fox Software, als er von dem Urteil erfuhr. "Jetzt können wir endlich die ganze Landschaft standardisieren und so reifen, wie wir als Anbieter von Computer-Anwendungen reifen sollten."

Auch andere freuen sich. "Die Preise werden sinken und die Qualität wird steigen; das ist der ganze Sinn von Wettbewerb", kommentierte der Chefentwickler eines amerikanischen Großanwenders die Entscheidung. Währenddessen hoffen die Juristen bereits auf weitere lukrative Prozesse: Sofort nach Hatters Urteil erhob der Anwalt Rudolph Peletz aus Pennsylvania eine Feststellungsklage gegen Ashton-Tate, die den Dbase-Hersteller verpflichten soll, alle aufgrund des ungültigen Copyrights erzielten Gewinne zurückzuzahlen. Sollte das Gericht der Forderung stattgeben, stünden dem Softwarehaus eine Prozeßlawine und Kosten in unkalkulierbarer Höhe bevor. Für die durch enorme Verzögerungen und Qualitätsprobleme bei Dbase IV finanziell angeschlagene PC-Traditionsfirma wäre das vermutlich das Todesurteil.

Doch auch ohne diese Klage wird Ashton-Tate sich warm anziehen müssen in der nächsten Zeit. Der Dbase-Anteil am Markt der PC-Datenbanken erodiert; Hersteller Dbase-kompatibler Produkte nutzen die Entwicklungsprobleme des Noch-Marktführers. Ein Produkt für den boomenden Zukunftsmarkt der Server-Datenbanken hat er nicht anzubieten. Das Vertrauen der Aktionäre ist auf einem Tiefpunkt. Einziger Lichtblick derzeit: Das im Januar freigegebene Dbase IV für VMS. Weitere Versionen des Programms für verschiedene Unix-Plattformen und für den Macintosh sollen in den nächsten Monaten folgen. Doch ob diese Anstrengungen - viele halten sie für viel zu spät - eine Wende herbeiführen können, ist fraglich.

Zudem hat die gebeutelte Softwarefirma weiterhin eine Klage am Hals, die Fox als Reaktion auf deren Angriff eingereicht hatte. Der Vorwurf: Bei Gesprächen über eine eventuelle Fusion der beiden Unternehmen habe Ashton-Tate Fox-Know-how gestohlen und in Dbase IV verwendet.

Und wie um die Demontage des einstigen Fast-Monopolisten zu vollenden, beschlossen amerikanische Dbase-Usergruppen und Entwickler, Ashton-Tates Forderung zu erfüllen, und den Namen ihres Produkts nicht mehr zu mißbrauchen: Künftig wird "Dbase" nur noch dieses spezielle Produkt sein, eines unter vielen in der nunmehr mit "Xbase" bezeichneten Softwarewelt. Die "International Dbase Users Group (IDBUG)" erwägt bereits, sich in "International Xbase Users Group (IXBUG)" umzubenennen.

Letztlich wurde Ashton-Tate ein Opfer seiner eigenen Strategie. Jahrelang hatte das Unternehmen die Produktentwicklung vernachlässigt und versucht, seine Marktposition mit Hilfe der Gerichte zu verteidigen. Für eine Zukunft, in der allein Preis und Leistung zählen, ist es damit denkbar schlecht vorbereitet. "Ohne ein solides technisches Fundament und ohne gesetzliche Barrieren gegen die Konkurrenz", bilanzierte Computerworld-Kolumnist James Daly, "wird die Firma es in den nächsten Jahren sehr schwer haben."