Cooperative Processing ist der naechste Meilenstein Client-Server: Durchsetzung ist nur noch eine Frage der Zeit

19.11.1993

PARIS (ciw) - Ab Mitte, spaetestens ab Ende der Dekade wird Client- Server(CS)-Middleware das strategische Fundament in unternehmensweiten DV-Umgebungen bilden - nicht mehr die zentrale Mainframe-Umgebung. Deshalb muessen IT-Manager heute beginnen, die Infrastruktur aufzubauen, auf deren Basis CS-Applikationen entwickelt und eingesetzt werden koennen. Zu dieser Strategie rieten Analysten der Gartner Group den Teilnehmern des European Symposium 93 ueber die Zukunft der Informationstechnologie.

"Die Frage, ob eine Client-Server-Architektur eingefuehrt wird oder nicht, verliert an strategischer Relevanz. Fuer die meisten Grossanwender steht heute nur noch das Wann und Wie zur Diskussion", betont Peter Schay, Vice-President der Gartner Group und zustaendig fuer den Client-Server-Service des IT- Beratungsunternehmens.

Der Wunsch nach einer bestimmten Applikation koenne dabei allerdings genausowenig die Rechtfertigung fuer den Aufbau einer Client-Server-Infrastruktur sein wie kurzfristige Kostenueberlegungen.

Die Investitionsentscheidung, so Schay weiter, haenge von der IT- Strategie fuer die 90er Jahre ab, die der Chief Information Officer verfolge. "So wie man fuer eine Vergnuegungsfahrt mit dem Wagen keine Autobahn baut, wird man fuer eine Applikation nicht eine komplette Infrastruktur erschaffen. Aber man kann sich nur dann zwischen Flugzeug, Zug und Auto als Verkehrsmittel entscheiden, wenn Landebahnen, Schienen und Strassen vorhanden sind", erlaeutert der Analyst.

Schay zufolge kann die Entwicklung hin zu Client-Server- Architekturen ihren Anfang sowohl im Mainframe-Rechenzentrum nehmen als auch bei unvernetzt arbeitenden PCs. Beide Evolutionswege, Top-down-processing- und Bottom-up-processing- evolution, fuehren zu einer, wie die Gartner Group es bezeichnet, "Enterprise Server Platform Architecture" (ESP). Diese stellt auf verschiedenen Rechnern eine Reihe von Services zur Verfuegung wie Netzwerk-Infrastruktur, System- und Netzwerk-Management, Unterstuetzung verteilter Datenbanken, Applikationsservices etc.

Allerdings duerfte der Bottom-up-Ansatz an Bedeutung gewinnen. Bis 1996, schaetzen die Auguren, werden die Aufwendungen dafuer von heute 35 auf 70 Prozent des gesamten IT-Budgets angestiegen sein. Das bedeute auch, dass jede ESP-Strategie staerker vom Bottom-up- Ansatz gepraegt und von Produkten der entsprechenen Player wie Microsoft und Novell beeinflusst wird.

"Getrieben wird die Entwicklung zur ESP vom Endanwender, der die persoenlichen Produktivitaets-Tools benutzt und verzweifelt nach leistungsfaehigeren und robusteren Loesungen sucht. Er moechte staerker von den Segnungen des Bottom-up profitieren, ohne die Sicherheit des Top-down zu verlieren", sagt Schay.

Am Markt fuer Middleware findet Wettbewerb statt

Bis 1997 werden Message-basierte Client-Server-Technologien weit verbreitet sein, prophezeit Gartner. Damit bezeichnen die Auguren CS-Systeme, die es Applikationen erlauben, innerhalb eines Netzwerkes via Messages mit jeder anderen Anwendung im Netz zu kommunizieren. Als Beispiele fuer solche Middleware-Produkte nennt Schay "Suitedome" von Suite Software, "MQ-Series" von IBM und Systems Strategy sowie den "Reliable Transaction Router" von Digital Equipment. Allerdings rechnet er nicht vor 1996 mit einer Standardisierung dieser Technologien.

Da Betriebssysteme relativ schnell zu Commodity-Produkten werden, ist laut Gartner Group der Markt fuer Middleware-Erzeugnisse bereits als naechstes Schlachtfeld festgelegt. Diese Auseinandersetzung duerfte von Herstellerseite allerdings weitaus grimmiger angegangen werden und bei den Anwendern zu noch groesserer Verwirrung fuehren als das Gefecht um die Dominanz im Betriebssystem-Sektor.

Microsoft beispielsweise sei dabei, sowohl auf Basis des Client-OS (Windows, Chicago) als auch mit Hilfe von NT fuer den Server- Bereich ein reichhaltiges Angebot an Middleware zu offerieren. Schon durch schiere Masse werde die Systemsoftware der Gates- Company in Diskussionen um moegliche Standards immer eine Rolle spielen. Apple, Novell, IBM und Lotus bleibe so lange nur die Reaktion auf Microsofts Strategien, bis sie sich auf eine durchgaengige alternative Architektur geeinigt haetten.

Auf Applikations-Servern sieht Schay Unix als das beherrschende Betriebssystem. Windows NT werde bis 1994 ein wichtiger Player im Low-end-Server-Markt werden, koenne aber weder die Funktionalitaet noch die Vertriebskanaele aufweisen, um bei den High-end-Servern gegen MVS und Unix zu konkurrieren. Das gelte zumindest bis 1996. Der Analyst machte allerdings darauf aufmerksam, "dass sich Unix in den naechsten paar Jahren staerker veraendern wird als in den letzten 20".

Objektorientierte Tools zur Entwicklung grafischer User Interfaces, Distributed Object Request Broker (Dorb) und sogenannte Objectware von unabhaengigen Softwarehaeusern werden laut Schay erst 1996 - und das auch nur bei wirklich progressiven Anwendern - zur akzeptierten CS-Middleware avancieren, beim Rest der Anwenderschaft werde das noch mindestens zwei Jahre laenger dauern. Zwar wuerden OO-Techniken zusammen mit Client-Server- Computing weitere Moeglichkeiten in der Informationsverarbeitung eroeffnen, aber die Gartner Group raet ihren Kunden, sie erst dann zu benutzen, wenn Dorbs und andere Technologien ausgereift sind.

Dann erst koenne sich Client-Server-Computing ueber seine heutigen fuenf Auspraegungen Distributed Presentation, Remote Presentation, Distributed Logic, Remote Data Management und Distributed Database hinaus zur Cooperative Processing Architecture entwickeln.

Anders als bei CS beherrscht im Cooperative Computing nicht der Client den Prozess, sondern die Kontrolle wird je nach Aufgabe von einem Prozessor an den naechsten gereicht, erklaert Michael Schneider, Vice-President Advanced Technology Group bei der Gartner Group.

Das Ergebnis ist ein Peer-to-peer-System, in dem Messages ausgetauscht werden. "Das bedeutet, jeder Prozess akzeptiert und produziert Nachrichten, bis eine Aufgabe erledigt ist." Sichergestellt werden muesse jedoch, dass fuer die Kommunikation zwischen den Prozessen uebereinstimmende Message-Strukturen geschaffen werden.

CS ermoeglicht bessere Anwenderproduktivitaet

Als wesentliche Voraussetzungen fuer diese Art der Verarbeitung nennt Schneider verteilte Betriebssysteme und die Weiterentwicklung objektorientierter Techniken. "Cooperative Processing fuehrt zu einer hochflexiblen und hardware- sowie kommunikationsunabhaengigen Architektur", beschreibt er die Vorteile.

Insgesamt zeigten sich die Berater davon ueberzeugt, dass sich CS durch Verbesserungen der Enduser-Produktivitaet, geringere Trainingszeiten und -ausgaben sowie verbesserten Kundenservice auszahlt.

Allerdings liessen sich heute einige Vorteile lediglich in "weichen Dollar" ausdruecken. Schliesslich sei nur schwer zu belegen, inwieweit sich beispielsweise die verbesserte IT-Ausstattung der Fachabteilungen im Umsatzwachstum eines Unternehmens niederschlage.

Einen "fundamentalen Fehler" nennt es Schay, die Kosten fuer CS- Vorhaben ausschliesslich in den IT-Abteilungen zu suchen. Nur wenn eine korrekte Kosten-Nutzen-Analyse stattfinde, die auch die Vorteile fuer den Enduser und die Ausgaben der Fachabteilungen beruecksichtige, koennen seiner Meinung nach stichhaltige Aussagen ueber die erzielten Verbesserungen gemacht werden.