Controller nehmen Beratungsfunktion ein Bei der Realisierung hat das Projekt-Management das Sagen

14.01.1994

DV-Controlling muss nach Auffassung von Peter Windhoefel* auch als Beratungsinstanz des Projekt-Controllings verstanden werden. Die Aufgaben erschoepfen sich nicht in der buchhalterischen Nachkalkulation bereits geleisteter Arbeiten, sondern schliessen aktive Dienstleistungsfunktionen mit ein.

Koennen Sie sich vorstellen, dass eines Morgens der Finanzchef Ihres Hauses um einen Termin bei der Geschaeftsleitung bittet und dieser erklaert, nach Pruefung der Unterlagen des letzten Geschaeftsjahres habe er festgestellt, dass das Unternehmen grosse Verluste gemacht habe und nur durch sofortige Notmassnahmen vor dem Konkurs gerettet werden koenne? Undenkbar, werden Sie sagen. Eine solche Entwicklung zeichnet sich doch lange vorher ab, das laesst sich an Monatsergebnissen und Quartalsabschluessen feststellen, die Geschaeftsleitung bemerkt das viel frueher und kann dann gegensteuern etc.

Koennen Sie sich vorstellen, dass eines Morgens ein Projektleiter um einen Termin bei seinem DV-Manager bittet und diesem erklaert, das Review des letzten Projektes habe ergeben, dass der Aufwand gegenueber der Planung um ueber 35 Prozent ueberschritten wurde und dass die Fachabteilung die Einfuehrung gestoppt hat, weil die Mitarbeiter mit dem entwickelten Produkt nicht zurechtkamen?

Schlampigkeiten an der Tagesordnung

Undenkbar? Leider nein. Waehrend praktisch jedes Unternehmen ueber ein - mehr oder weniger gut funktionierendes - Fruehwarnsystem verfuegt, mit dem negative Entwicklungen fruehzeitig erkannt werden koennen, werden viele IV-Projekte nach dem Motto "Augen zu und durch" abgewickelt.

Wer ueber das Thema DV-Controlling spricht, muss daher auch ueber Projekt-Controlling sprechen. Gerade in einer Industrie, die einen wesentlichen Anteil ihres Geschaeftes in Form von Projekten abwickelt, ist das unverzichtbar .

Gemeint ist dabei nicht das penible Fortschreiben und Verbuchen von angefallenen Aufwaenden, wie sich ja auch das klassische Controlling nicht in der buchhalterischen Nachkalkulation der abgewickelten Geschaefte erschoepft. Natuerlich muss das Controlling eine kritische Sicht der Dinge haben und alle Entscheidungen und Aktivitaeten auf ihre - in erster Linie finanziellen - Auswirkungen hin ueberpruefen. Genauso wichtig ist aber die konstruktive Funktion des Controlling, also die Unterstuetzung der Projektleitung und der Projektmitarbeiter bereits bei der Entscheidungsfindung und der Umsetzung und Realisierung.

Das faengt bereits im Vorfeld an. Hier ist die Wirtschaftlichkeit eines beantragten Projektes zu pruefen und zu hinterfragen; eine Aufgabe, die in der Regel nicht von der IV-Abteilung geleistet werden kann und auch nicht geleistet werden sollte.

Dies gilt nicht nur fuer Neuentwicklungen, sondern auch fuer Aenderungs- und Erweiterungsprojekte zu bestehenden Anwendungen. Solche Vorhaben bieten einen guten Anlass, die Nutzungsintensitaet einer bestimmten Anwendung zu hinterfragen und zu pruefen, ob der Betrieb, die Wartung und Pflege dieser Applikation und natuerlich die beantragte Modifikation noch Sinn machen. So hat es der Verfasser zum Beispiel erlebt, dass Aenderungs- und Weiterentwicklungsaufwand von zirka vier Personenmonaten - entsprechend zirka 100 000 Mark gemaess den unternehmensinternen Verrechnungssaetzen - in ein DV-System floss, das lediglich von einer (!) Person benutzt wurde und einen Randbereich des Unternehmens unterstuetzte. Ein spaeteres Review ergab, dass nur eine einzige der geforderten Korrekturen mit einem Aufwand von maximal 20 Personentagen beziehungsweise rund 25 000 Mark aufgrund gesetzlicher Regelungen erforderlich war und dass die anderen Aenderungen mehr oder weniger in die Kategorie "Nice to have" fielen. Ein funktionierendes DV- und Projekt-Controlling haette dies bereits vor Projektstart festgestellt und moegliche Alternativen vorgeschlagen.

Aehnliche Aufgaben hat das Projekt-Controlling auch in den Analyse- und Konzeptionsphasen. Hier ist zum Beispiel zu pruefen, ob die vorgeschlagene Loesung sachgerecht ist oder ob zu viel Aufwand fuer einen eher unbedeutenden Geschaeftsvorfall betrieben werden soll. Auch die Gesamtkomplexitaet der konzipierten Loesung bedarf einer Ueberpruefung, um sicherzustellen, dass das entstehende Produkt auch zukuenftig pfleg- und wartbar ist und mit den bereits existierenden Anwendungen zusammenarbeiten kann.

Waehrend der heissen Realisierungsphasen wird die fachliche Beratungsfunktion des Projekt-Controllings naturgemaess reduziert. Dennoch ist es empfehlenswert, sie in alle fachlichen Fragestellungen mit einzubinden, um den oben skizzierten Aspekt der Verhaeltnismaessigkeit und sachlichen Angemessenheit auch weiterhin zu beruecksichtigen.

Auch das buchhalterische Einsammeln und Saldieren von geleisteten Aufwaenden sowie der Soll-Ist-Vergleich sind nicht in erster Linie Aufgaben eines Projekt-Controllings. Hierzu sollte vielmehr ein Berichtswesen institutionalisiert werden, das quasi automatisch funktioniert und alle quantitativ und qualitativ relevanten Daten in regelmaessigen Zeitabstaenden bereitstellt. Das Controlling ist jedoch gefordert, auf signifikante Abweichungen und Verzoegerungen zu reagieren und schnellstmoeglich gegenzusteuern, damit die eingangs beschriebene Schocksituation vermieden werden kann.

Bei der Skizzierung dieser Aufgabenstellungen faellt auf, dass eine Abgrenzung von Aufgaben zwischen Projekt-Management und Projekt- Controlling sehr schwer faellt. In der Tat ist der Verfasser der Ansicht, dass Projekt-Controlling in der hier verstandenen Form spaetestens mit dem offiziellen Projektstart eine originaere Aufgabe des Projekt-Managements ist und auch von diesem wahrgenommen werden sollte. Insofern ist das Projekt-Controlling weniger personen- als aufgabenbezogen.

Die Personalhierarchie ist nicht relevant

Die fuer das DV-Controlling insgesamt wichtige Frage, welche Person diese Funktion wahrnimmt und welchen organisatorischen und hierarchischen Status diese Person hat, stellt sich also fuer das Projekt-Controlling nicht oder nur am Rande.

Die explizite Definition eines Projekt-Controllers erscheint denn auch in der Regel nicht erforderlich, ja haeufig sogar schaedlich, da wegen der Abgrenzungsproblematik Schwierigkeiten und Kompetenzueberschreitungen zwischen Controller und Projekt-Manager zu befuerchten sind.

Das DV-Controlling sollte in erster Linie die Aufgaben definieren, die im Rahmen des Projekt-Controllings zu bearbeiten sind und das dafuer notwendige Handwerkszeug bereitstellen. Somit hat das DV- Controlling gegenueber dem Projekt-Manager vor allem eine beratende Funktion.

Keine Weisungsbefugnis fuer DV-Controlling

Auf Anforderung des Projekt-Managers koennen dann natuerlich auch Mitarbeiter des DV-Controllings temporaer im Projekt mitarbeiten beziehungsweise abgrenzbare Auftraege an das Controlling delegiert werden. Dies bietet sich zum Beispiel an, wenn spezielles betriebswirtschaftliches Know-how gefordert ist, das im DV-Bereich nicht vorliegt oder der Projekt-Manager aus Zeitmangel seine Controlling-Aufgaben nicht adaequat wahrnehmen kann. Federfuehrend bleibt in jedem Fall der Projekt-Manager, dem gegenueber auch ein Mitarbeiter des DV-Controllings keine Weisungsbefugnis hat.

Der Eindruck einer Kontrolle muss von Anfang an vermieden werden. Das DV-Controlling hat gegenueber dem Projekt-Management den Charakter eines Dienstleisters und nicht den einer Aufsicht, wie ja auch das klassische Controlling nicht als Aufpasser der Unternehmensleitung fungiert, sondern dieser zuarbeitet.

Eine kontrollierende Funktion erwaechst lediglich aus der normierenden Wirkung von definierten Aufgaben, Methoden und Werkzeugen, die dazu beitragen, dass Qualitaet und Effizienz der Projektabwicklung verbessert wird.