Radikale Schrumpfkur macht aus CDC wieder reinen Systemanbieter

Control Data will Neukunden mit Billigmaschinen ködern

23.03.1990

MÜNCHEN - Die Control Data Corp. (CDC) hat sich im DV-Geschehen zurückgemeldet. Nach dem radikalen Abspecken im vergangenen Jahr, als fünf Geschäftsbereiche abgestoßen wurden, will sich der amerikanische DV-Konzern nun wieder auf alte Mainframe-Stärken besinnen. Neue Kunden sollen dabei vor allem mit einer aggressiven Preispolitik geködert werden.

"Die Umstrukturierung haben wir hinter uns. Sie war erfolgreich. Jetzt können wir uns auf unser ureigenstes Geschäft konzentrieren, nämlich Computersysteme herzustellen und zu verkaufen", erklärte James E. Ousley, President der Computer Products Group der Control Data Corp., Minneapolis, unlängst in München. In der Tat war 1989 für den BUNCH-Oldie das Jahr des Aufräumens. Alle Geschäftsbereiche, die sich das US-Unternehmen seit dem Gründungsjahr 1957 zugelegt hatte, wurden innerhalb weniger Monate dichtgemacht oder verkauft - Folge einer Expansionspolitik, die für Control Data letztlich zu einem Faß ohne Boden wurde und kräftige finanzielle Probleme bescherte.

Heute ist die einst arg diversifizierte Control Data wieder ein reiner System-Anbieter.

Auf der Strecke blieb als erstes der 1967 von Firmengründer William C. Norris ins Leben gerufenen Aus- und Weiterbildungsbereich. Das europäische Geschäft mit 17 deutschen Control Data Instituten und fünf französischen Filialen ging im März in den Besitz der australischen Computer Power Group über. Vor allem in der Bundesrepublik hatten sich die Fortbildungsaktivitäten für CDC recht lukrativ entwickelt. Vier Monate später fiel schließlich auch in den USA der Vorhang für das Aus- und Weiterbildungsgeschäft. Die Plato Computer Instruction ging an die Chicagoer Gesellschaft William R. Roach & Associates.

Im April löste Control Data die Supercomputer-Division Eta Systems auf. Erst 1986 gegründet, um Cray Research das Geschäft mit den Jumbos nicht allein zu überlassen, konnte sich diese Abteilung nicht lange halten. James E. Ousley sagte dazu rückblickend, die Entscheidung, aus dem Supercomputer-Geschäft auszusteigen, sei nicht leicht gewesen. "Wir konnten aber die hohen Investitionen nicht mehr aufbringen für ein Geschäft, das letztlich so attraktiv nun auch wieder nicht ist."

Eta-Schließung traf GmbH besonders hart

Die Eta-Rechner wurden allesamt verschrottet, nur in Italien sind noch drei Systeme installiert. Diese aber, so Dieter Porzel, Geschäftsführer der deutschen Control Data GmbH in Frankfurt und gleichzeitig General Manager der Central European Region, werden in absehbarer Zeit ebenfalls abgelöst. Porzel erklärte, vor allem für die GmbH sei die Eta-Schließung sehr schmerzlich gewesen, da man in diesem Sektor bundesweit immerhin 30 Kunden gehabt habe. Zwar hätten einige Großkunden Control Data "die Stange gehalten", doch sei mit der Technischen Hochschule Aachen auch ein wichtiger Kunde verloren gegangen. Darüber hinaus mußten 100 Mitarbeiter freigesetzt werden.

Ganz zurückgezogen hat sich Control Data aus dem Supercomputer-Geschäft dennoch nicht. Mit dem einstigen Rivalen Cray kam man im Mai überein, künftig die Systeme Cray 2, X-MP/EA und Y-MP zu vertreiben. Einen ähnlichen Pakt schloß Control Data wenige Wochen später mit der Convex Computer Corp., um auch den Kunden der unteren Eta-Leistungsklasse (Modelle P und Q) eine Alternative anbieten zu können. Die C-Serie von Convex soll hier die Produktlücke schließen.

Die Ausverkaufsstimmung bei Control Data hielt auch in der Folgezeit weiter an. Entgegen der noch im April bekundeten Absicht, die Datenspeicheraktivitäten zu forcieren, kam schließlich im Juni auch die gerade sanierte CDC-Division Imprimis Technology Inc. unter den Hammer. Die kalifornische Seagate Technology nutzte die Gunst der Stunde und ergatterte den Speichertechnik-Konkurrenten - immerhin eine der ältesten CDC-Abteilungen. Last, but not least entledigte sich der Computerbauer aus Minneapolis im Dezember noch des größten Teils seiner Serviceaktivitäten. Die Bell-Atlantic-Tochter Sorbus übernahm das herstellerunabhängige Wartungsgeschäft von DEC- und IBM-kompatiblen Systemen. Im Juni hatten die

Amerikaner bereits ihre europäischen Fremdwartungsaktivitäten an die französische Thomson Maintenance Informatique S.A. (Thomainfor) veräußert.

Insgesamt kassierte Control Data aus den Verkäufen rund 600 Millionen Dollar. Wenn sich auch der Aufwand für die Umstrukturierung auf den gleichen Betrag summierte und der DV-Hersteller für das Geschäftsjahr 1989 den satten Minusbetrag von 684 Millionen Dollar ausweisen mußte, so sieht sich das CDC-Team doch mittlerweile wieder auf dem Weg der Gesundung. Drittes und viertes Quartal 1989, so Ousley, hätten mit 8,5 beziehungsweise 19 Millionen Dollar wieder Gewinn abgeworfen. Schwarze Zahlen zeichneten sich auch für den ersten Abschnitt 1990 ab. Durch die wiedererlangte Liquidität werde Control Data wohl alle Schuldverschreibungen, die die Amerikaner aufgrund der kurzfristigen Verbindlichkeiten durch die Umstrukturierung eingehen mußten, bis 1991 abgebaut haben.

Die heutige Control Data macht im wesentlichen die Computer Products Group aus, deren Personalstamm sich durch die Schrumpfkur von 11000 auf 5300 Mitarbeiter reduzierte. Als Systemanbieter will sich CDC nun wieder auf sein angestammtes Tätigkeitsfeld konzentrieren. "Wir haben als Rechnerspezialist im technisch-wissenschaftlichen Geschäft angefangen, jetzt wollen wir in diesem Sektor die Nummer eins werden", lautet Ousleys ehrgeiziges Ziel. Dazu scheint den CDC-Mannen jetzt jedes Mittel recht zu sein. Denn die neuen Unix-Hochleistungsserver auf Basis der RISC-Architektur, die Control Data im Januar mit der System-Serie 4000 angekündigt hat, sollen mit Billigpreisen im Mainframe-Sektor für Unruhe sorgen.

Mit 400 000 Mark ist beispielsweise der Preis für die leistungsfähigste Maschine der 4000-Familie, die 4680, veranschlagt. Dabei will Günter Weick, Leiter Marketing bei der deutschen GmbH, den Rechner nicht als Workstation oder Server verstanden wissen, sondern als eine Maschine mit Mainframe-Qualitäten. "Wir haben die CPU-Technik aus dem Mainframe-Bereich mit extrem großen I/O-Systemen gepaart, an die beispielsweise High-Performance-Platten angeschlossen werden können, die eine Datenübertragungsleistung von 24 MB pro Sekunde bieten." Darüber hinaus verfüge die Maschine über einen speziellen Systembus mit einer Übertragungsleistung von 266 MB pro Sekunde.

"Der Preis für diesen Unix-Rechner", räumt Weick ein, "ist sicherlich extrem niedrig." Dennoch könne sich Control Data eine derart aggressive Preisgestaltung erlauben, da man mittlerweile dazu übergegangen sei, Standardsysteme zu bauen, für die man die besten Komponenten am Markt zukaufe.

Damit entfielen die hohen Kosten der Eigenentwicklung und -fertigung. Die wahren Beweggründe scheinen jedoch anderer Natur zu sein. "Wir wollen Neugeschäfte machen'', betont Weick, "deshalb müssen wir finanzielle Anreize schaffen."

Die Neukunden für das System 4000 sollen vor allem im Rechenzentrum gewonnen werden. "Maschinen unter Unix, die sich für den RZ-Einsatz eignen, sind noch nicht sehr weit verbreitet." Da der 4680 sowohl als Server als auch als RZ-Rechner eingesetzt werden könne, sieht Weick gerade bei dieser Klientel nun große Absatzchancen. Damit die anvisierte Kundschaft aber auch tatsächlich anbeißt, hat Control Data beschlossen, mit finanziellen Anreizen ein wenig nachzuhelfen. "Bei einem Preis von 400 000 Mark", so Weick, "fällt das Ausprobieren schon leichter."

Going home

Der Kahlschlag ist beendet, der Staub der Aufräumarbeiten aus den Kleidern geklopft. Jetzt will Control Data zu alten Tugenden zurückkehren. Fortan soll wieder ganz das Rechnergeschäft im Vordergrund stehen, nachdem sich der Alt-Mainframer mit jahrelangen ungezügelten Expansionsgelüsten tüchtig verzettelt hat Auf der Suche nach den Wurzeln stolperte der Computerbauer aus Minneapolis auch über einen alten Rivalen: die IBM. Denn im Bestreben, das Neukundengeschäft anzuheizen, zieht es CDC vor allem ins Rechenzentrum - und das ist traditionell eine Big-Blue-Domäne.

Mit einer Absichtserklärung indes sind noch keine Kunden gewonnen. Das weiß auch Control Data. So entwickelten die Amerikaner eine Unix-Maschine, die - was die Leistung anbelangt - wahrlich nicht von schlechten Eltern ist. Geradezu abenteuerlich aber nimmt sich der Preis aus. Der zierliche Betrag von 400 000 Mark, den CDC für die 4680 verlangen will, könnte tatsächlich so manchem IBM-getreuen RZ-Manager Appetit aufs Ausprobieren machen. Aber: Auch Billigpreise sind keine Garantie für Verkaufserfolge. Ob Control Data mit dieser Strategie tatsächlich zu neuer Hochform wird auflaufen können, muß die Zukunft zeigen. bk

Beate Kneuse