Content Commerce/Das Profil: Spezifizieren, prognostizieren, bewerten und strukturieren

Content-Manager: Herausforderung hoch 2

15.06.2001
Aus welchen Quellen kommt der Content, wie und von wem wird er geliefert und erfasst, über welche Importverfahren wird er integriert, wie werden die Inhalte geordnet, von wem kontrolliert, und wie werden sie schließlich wem präsentiert? Auf all diese Fragen sollte der Content-Manager Antworten parat haben. Von Markus Schmidt*

Die Ware Content bringt neue Arbeitsgebiete mit sich. Betrachtet man die gesamte Wertschöpfungskette dieses Wirtschaftsguts, trifft man auf mehrere Kategorien von Unternehmen: In diesem Markt agieren Content-Hersteller, die sich der Produktion und dem Vertrieb von digitalen Inhalten widmen, Content-Broker, die damit handeln, und Organisationen aus nahezu jeder Branche, die Content beschaffen, weiterverarbeiten, durch eigene Inhalte ergänzen und ihn - entgeltlich oder unentgeltlich - verschiedenen Content-Konsumenten anbieten. Auf der einen Seite wächst mit den technischen Möglichkeiten die Informationsflut und damit auch der Informationsmüll, der sich den Nutzern im weltweiten Netz darbietet. Auf der anderen Seite hat sich nützlicher Content zum knappen Gut entwickelt und wird im Netz gehandelt sowie getauscht. Nur Inhalte, welche die Informationsbedürfnisse der Nutzer befriedigen, sind wertvoll. Das Wirtschaften mit dieser begehrten Ware stellt die Kernaufgabe der Content-Manager dar.

Der Begriff Content-Manager

Ein neues Berufbild nimmt Gestalt an. Content-Manager sind mindestens ebenso gefragt wie die Systeme, die ihre Arbeit unterstützen sollen. Die Abgrenzung beziehungsweise Definition des Aufgabengebiets ist bislang noch sehr unterschiedlich. Das ist unter anderem auf die vielfältigen Definitionen des Begriffs Content-Management zurückzuführen, aber auch auf die unterschiedlichen Zielvorstellungen, die Unternehmen mit der Besetzung einer solchen Stelle verfolgen. So trifft man in der neuen Berufsgruppe auf Online-Redakteure beziehungsweise -Publisher, Webmaster, Knowledge-Worker und viele weitere Vertreter dieser Zunft. Diese erfüllen jedoch nur Teilarbeiten im gesamten Aufgabenkomplex. Content- Management-Projekte bringen oft nicht den erhofften Erfolg, weil die Anforderungen an den Content-Manager unterschätzt werden.

Immer mehr Mitarbeiter aus den Fachabteilungen drängen in die Rolle des Content-Managers. Je nach Tragweite des jeweiligen Projektes muss die Frage geklärt werden, wo die neue Stelle in der Unternehmenshierarchie angesiedelt ist. Besonders bei Großprojekten ist es sinnvoll, einen zentralen Ansprechpartner im Unternehmen zu positionieren, der für die gesamte Koordination der Content-Management-Aktivitäten zuständig ist. Beim Aufbau eines konzernweiten, multinationalen Intranets beispielsweise kann dieser die Aufgaben und Zuständigkeiten für die einzelnen Länderbereiche an die entsprechenden Vertreter vor Ort delegieren. Der Content-Manager setzt die Rahmenbedingungen, gibt die Spielregeln vor, ist die Legislative im System. Sein wichtigstes Werkzeug ist das Content-Management-System. Es ermöglicht ihm, die Benutzer mit ihren entsprechenden Rechten und Rollen, die gesamte Site und den Content selbst zu verwalten sowie den umfassenden Content-Management-Prozess zu steuern. Die Software unterstützt ihn dabei, Regeln für wiederkehrende Publishing-Vorgänge aufzustellen. Die Koordination solcher arbeitsteiliger Prozesse nimmt an Bedeutung zu, wenn die Anzahl der involvierten Mitarbeiter steigt. Mit automatisierten Kontroll- und Freigabemechanismen kann der Content-Manager die Flexibilitäts- und Geschwindigkeitsvorteile bei der Informationsbereitstellung wahren und gleichzeitig garantieren, dass nur gewollte Inhalte in die entsprechenden Kanäle gelangen.

Websites von Intranet-, Extranet- oder Internet-Umgebungen der heutigen Generation sind von einer hohen Komplexität und Dynamik gekennzeichnet. Professionelle Content-Management-Systeme ermöglichen es, innerhalb kürzester Zeit Web-basierende Informationssysteme mit üppigen Inhalten, unzähligen Verknüpfungen und einer beachtlichen Seitenanzahl aufzubauen. Früher speisten HTML-Sachkundige die Inhalte ein, heute gehen sie direkt vom Desktop der Mitarbeiter aus den Fachabteilungen ins Web.

Sehr positive Effekte bei der dezentralen Content-Pflege sind die Entlastung der IT-Abteilung und eine spürbare Verkürzung der Aktualisierungszeiträume (Time to Web). Der unerwünschte Nebeneffekt schleicht sich oft erst nach und nach ein, wenn die Transparenz des Informationssystems aufgrund seiner zunehmenden Größe verloren geht, Informationen nicht richtig kanalisiert und veraltete beziehungsweise falsche Seiten nicht gelöscht werden. Mit der abnehmenden Wertigkeit der Inhalte schwinden folglich auch die Akzeptanz und die Nutzung des Systems. In der Verantwortung des Content-Managers liegt es, ein solches Projektscheitern von Beginn an systematisch zu verhindern.

Die Potenziale erkennen

Content-Management gewinnt vor allem bei Unternehmen an Bedeutung, die sich wegen wachsender Internationalität, Interdisziplinarität und Vernetzung komplexeren Herausforderungen stellen müssen. Die entscheidende Aufgabe des Content-Managers besteht darin, die neuen Potenziale für das Unternehmen zu erkennen, zu vermitteln und umzusetzen. Die Verwertung des Contents erzielt er dabei nicht unbedingt durch dessen Verkauf. Der Mehrwert kann zum Beispiel in der Aufwertung einer Internet-Seite liegen oder in der Nutzung von Intranet-Inhalten durch Mitarbeiter.

Der Content-Manager schafft Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen. Er sorgt über einen schnellen und effizienten Informationsfluss für Qualitätsverbesserungen, sichert über kürzere Prozesse und effizientere Ressourcennutzung Einsparpotenziale in der Kommunikation und unterstützt das Unternehmen bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder.

Wichtig: Content-Marketing

Um ein effizientes Content-Management-Projekt zu initiieren, laufende Projekte optimal zu steuern und die Umsetzung der Projektergebnisse sicherzustellen, bedarf es weit reichender Führungs- und Motivationsfähigkeiten. Content-Manager sollten neben technischen Kenntnissen einen hohen betriebswirtschaftlichen Hintergrund vorweisen können, schließlich müssen sie ein Produkt, nämlich den Content, von der Beschaffung über die Produktion bis hin zum Absatz betreuen. All ihre Maßnahmen orientieren sich konsequent an Bedürfnissen und Interessen der Content-Konsumenten, sei es im Intra-, Extra- oder Internet, denn jene bestimmen über den Erfolg oder Misserfolg des Vorhabens. Lag die Verantwortung für solche Projekte bislang überwiegend im Zuständigkeitsbereich der IT, zieht sich nun der Marketing-Gedanke durch den gesamten Prozess. Die Benutzerfreundlichkeit des Systems und die Attraktivität der Inhalte rücken in den Vordergrund.

Die Ziele festlegen

Nachdem der Content-Manager die Potenziale eines Content-Management-Projekts für das Unternehmen analysiert hat, legt er mit den Projektbeteiligten die Ziele und die entsprechenden Maßnahmen fest. Unter systematischer Abwägung aller sinnvollen Alternativen hat er eine Reihe strategischer Entscheidungen zu treffen. Dabei lautet die Ausgangsfrage seiner Überlegungen, welcher Content welchen Nutzern über welche Wege angeboten werden soll. Ein Anforderungsprofil, das lediglich den Umfang der zu erwartenden Inhalte und User widerspiegelt, reicht für die Bestimmung des Content-Angebotportfolios nicht aus. Der gegenwärtige und künftige Content-Bedarf der adressierten Nutzer muss unter deren Einbindung inhaltlich näher spezifiziert beziehungsweise prognostiziert, bewertet und strukturiert werden. Nach der Bedarfsanalyse klärt der Content-Manager, welcher Content-Bestand verfügbar ist. Kann der Bedarf hiermit nicht vollständig gedeckt werden, muss der Content-Manager unter Kosten-Nutzen-Überlegungen abwägen, ob er Fremd-Content hinzukauft (Content Syndication).

Je sorgfältiger ein derartiger Analyseprozess vollzogen wird, desto erfolgversprechender ist die spätere Nutzung des Informationssystems. Ein Content-Manager ist stark daran interessiert, dieses aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Professionelle Content-Management-Systeme helfen bei der (Vor-)Strukturierung der einzustellenden Informationen. Der Content-Manager baut damit nicht nur das Grundgerüst für die hierarchische Navigationsstruktur auf, sondern kann parallel beliebig viele Kategorien und Unterkategorien anlegen, denen später die Inhalte und Seiten zugeordnet werden. Über das Einrichten von Benutzern beziehungsweise Benutzergruppen und die Zuweisung von Zugriffsrechten auf Bereiche sowie Objekte über einen bestimmten Zeitraum werden die Inhalte ebenfalls strukturiert. So wird die Sicherheit von vertraulichen Informationen gewährleistet. Liegt dem System eine Datenbank zugrunde, können die Interessen der Content-Konsumenten besonders berücksichtigt werden, denn sie bietet die Voraussetzung für den personalisierten und dynamischen Abruf der Informationen. Die zahlreichen Zugangswege zu den gesuchten Informationen beschleunigen den Informationsbeschaffungsprozess und tragen entscheidend zur Zufriedenheit der Nutzer bei. Und die stellt eine wesentliche Messgröße dar, will der Content-Manager den Erfolg seiner Arbeit bewerten.

*Marcus Schmidt ist PR-Manager bei Pironet NDH.

Abb: Aufbauorganisation

Hierarchie der Content-Manager: Die Aufgaben und Kompetenzen werden an Mitarbeiter auf unterschiedlichen Ebenen delegiert. So hat der Chefredakteur in einem Intra-, Extra- oder Internet Schreibrechte auf einen größeren Teilbereich als ein Redakteur. (Quelle: Pironet NDH)