Computing on Demand steht noch am Anfang

17.12.2002
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

"Ein Entwickler muss sich seine Compute-Ressourcen nicht mehr im Unternehmen zusammensuchen, das übernimmt künftig die Grid-Software", erläutert Lippert. Effizienz und Auslastung stiegen, einfacher ausgedrückt: "Unternehmen können mit der gleichen Hardware mehr machen." Zudem sei die Komplexität der Infrastruktur nicht mehr sichtbar. "Das ist wie Rechenleistung aus der Steckdose."

Hype und Realität

Der Wunsch, die Komplexität heterogener IT-Systeme zu reduzieren und teure Installationen besser auszulasten, weckt das Interesse von IT-Verantwortlichen an Grid-Konzepten und Computing on Demand. Aber vermag die Industrie die Versprechen auch einzulösen? Zweifel sind angebracht. Damit wirklich alle Systeme zusammenarbeiten können, bedarf es eines nie gekannten Integrationsgrads, warnen Experten. "Bei Strom und Wasser sind die Schnittstellen seit hundert Jahren standardisiert", gibt Berater Zilch zu bedenken. "In vielen Bereichen der IT kann man das nicht behaupten."

Hürden überwinden muss das On-Demand-Unternehmen auch in der Netzinfrastruktur. Für große Datenvolumina ausgelegte Hochgeschwindigkeitsnetze sind heute meist innerhalb von Unternehmen anzutreffen. In Zukunft aber sollen IT-Ressourcen wie Strom über ein öffentliches Netz fließen. "Das ist eine ganz andere Dimension", sagt Zilch. "Verfügbarkeit und Sicherheit sind schon innerhalb von Unternehmensgrenzen kritisch." Auch Herstellervertreter geben sich noch zurückhaltend: "Rechenleistung zu kaufen wie Elektrizität ist eine nette Vision, die aber noch etliche Jahre in der Zukunft liegt", kommentiert etwa Michael Hjalsted, Marketing Director Systems und Server Emea beim IT-Konzern Unisys. "Es gibt noch eine Menge Abstimmungsbedarf über Standards. Grundlagen wie Breitbandnetze, Anwendungen und Sicherheit sind noch nicht verfügbar."

Dennoch verweisen die Protagonisten des On-Demand-Computing auf erste Kundenprojekte. So hat etwa die deutsche Sun-Niederlassung ein Grid-System aus rund 1500 verteilten Workstations beim Automobilhersteller Ford installiert. Die Kölner betreiben darauf Strömungs- und Crash-Analysen. Mehrere deutsche Großbanken interessieren sich laut Sun-Manager Lippert für Grid-Systeme in der Risiko- und Portfolioanalyse. IBM wirbt derweil mit einem milliardenschweren Outsourcing-Auftrag von American Express, der auch On-Demand-Bestandteile enthält.

Dass IBM für die Transformation zum On-Demand-Business auch die Dienste seiner Beratungsabteilung Business Consulting Services feilbietet, erscheint nur folgerichtig. Doch ist der CIO erst einmal abgeschafft, die IT automatisiert, virtualisiert und visualisiert, könnten eines Tages auch die Consultants mit leeren Händen dastehen. Bis es so weit ist, dürften die IBM-Strategen eine neue Vision entworfen haben.