Vorstandschef Gable gibt Widerstand gegen Übernahme auf:

Computervision wird zur Prime-Division

05.02.1988

NATICK/WIESBADEN (ujf) - Joe Henson, Topmanager der Prime Computer lnc. in Natick/Massachusetts, hat sein Ziel erreicht: Sein Rivale Bob Gable, Chef des CAD-Herstellers Computervision (CV), gab nach und ermöglichte so eine Fusion der beiden Unternehmen. Fürs erste soll CV als Abteilung von Prime geführt werden.

Wenn diese COMPUTERWOCHE ausgeliefert wird, gehört die Mehrheit der Computervision-Aktien höchstwahrscheinlich dem Hardwareanbieter Prime: Bis zum New Yorker Börsenschluß des 4. Februar hatten die Aktionäre Zeit, dem Angebot von Primes Chief Executive Joe Henson zu folgen und ihre Anteile für 15 Dollar das Stück zu verkaufen. CV-Boß Robert Gable hatte sich Ende Januar plötzlich für diesen Deal ausgesprochen, nachdem er zuvor über vier Wochen lang versucht hatte, seinen Aktionären das Gegenteil klarzumachen: eine Fusion liege nicht in ihrem wohlverstandenen Interesse.

Obwohl Gable bis zuletzt mit allen juristischen Kniffen gegen die neue Muttergesellschaft gekämpft hatte, reichte ihm sein Gegenspieler Henson jetzt die Hand: Der CV-Chef soll daran mitarbeiten, seine Firma unter das organisatorische Dach von Prime einzubauen. Nach Abschluß der Fusion soll das CAD-Unternehmen als Division der Prime Inc. operieren, wobei die Hauptaufgabe der Integrations-"Task-Force" im Abbau von Redundanzen liegt.

Die wesentlichste Doublette ist das von beiden Partnern vertriebene CAD-Softwarepaket Medusa. In den USA war Prime zwar der erste lizenzierte Anbieter dieses Produkts, einer Entwicklung des englischen Softwarehauses Cambridge Interactive Systems Ltd. (CIS). Doch dann übernahm Computervision die CIS und entwickelte die Software weiter. Die beiden dabei entstandenen getrennten Entwicklungslinien müssen die Ingenieure der künftigen CAD/CAM-Division von Prime nun wieder zusammenführen.

Personelle Doppelbesetzungen, die der Zusammenschluß mit sich bringt, will Henson nach Möglichkeit unter Ausnutzung der normalen Fluktuation beheben; eine Garantie, daß niemand entlassen wird, könne er jedoch nicht geben, sagte der Prime-Chef. Ob die Fusion Folgen für die knapp 600 Arbeitsplätze in der Bundesrepublik haben wird - die Münchner Computervision GmbH beschäftigt rund 260 und die Wiesbadener Prime-Niederlassung etwa 320 Mitarbeiter -, ist gegenwärtig noch nicht abzusehen. Die Geschäftsführer Wolfgang Sass (CV) und Erwin Leonhardi (Prime) warten noch auf die entsprechenden Anweisungen aus den Staaten. Sollte die Sortimentsbereinigung konsequent durchgeführt werden, müßte die CAD-Abteilung aus Wiesbaden in die Münchner Tochter integriert werden.

Neben der Flurbereinigung im CAD-Sektor hat der bisher vor allem auf dem Minicomputer-Markt aktive Hersteller Prime auch Neuland zu beackern: Ein Vertrieb für die neu ins Sortiment genommenen Minisupercomputer muß aufgebaut werden (siehe Seite 20).

Die deutsche GmbH steht offenbar weiter unter Druck seitens der amerikanischen Mutter. Nachdem schon im vorangegangenen Jahr der Umsatz nicht nach Plan gewachsen war, sollen die Einnahmen 1987 sogar rückläufig gewesen sein: Ein Kölner Branchendienst behauptet, die Wiesbadener Filiale habe nur noch etwa 10 Millionen Mark von ihren Kunden kassieren können (nach 124 Millionen Mark im Jahr 1986). Eine Firmensprecherin wollte diesen Betrag auf CW-Anfrage weder bestätigen noch dementieren: "Wir haben noch keine Zahlen. Unsere Kaufleute rechnen noch!" Das offizielle deutsche Geschäftsergebnis wird Ende Februar publiziert.