Preisgekrönte Systementwicklung für Industrie und Schalunterricht

Computerprogramme simulieren künftig chemische Verbindungen

22.12.1989

FRANKFURT (CW) - Computerprogramme für den Chemieunterricht entwickelt der Münchener Professor Ivar Ugi. Die "Spielerei" am PC soll Schüler zu einem besseren Verständnis der Chemie verhelfen. Für seine Errungenschaft, chemische Grundbegriffe in eine "computerverständliche" Mathematik zu übersetzen, erhielt Ugi nun den Philip-Morris-Forschungspreis.

"Die jungen Menschen haben immer weniger Kenntnisse auf diesem Gebiet, sie begegnen der Chemie ängstlich staunend wie seinerzeit die Steinzeitmenschen einem Gewitter", klagt Professor Ivar Ugi, Ordinarius für Organische Chemie an der TU München. Naturwissenschaften gehören nach seiner Beobachtung nicht gerade zu den Lieblingsfächern an bundesdeutschen Schulen. Die Chemie rangiere dabei ganz am Ende der Bewertungsskale. "Das steht aber in krassem Widerspruch zur Bedeutung dieses Fachgebietes für unser Leben, für Umwelt und Wirtschaft gerade in der Bundesrepublik", so der Wissenschaftler.

Ugi fordert deshalb als einen neuen Weg im Chemieunterricht den Einsatz von Computern. Damit will er "eine ganze Generation von Schülern über die kreative Spielerei am Computer zu einem besseren Verständnis der Chemie bringen". Als ersten Schritt zu diesem Ziel hat sich der 59jährige, gebürtige Este bereits an das bayerische Kultusministerium gewandt.

Unterstützung findet Ugis "Computerchemie" bei Josef Kraus, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes: "Die Chemie hat gerade in der Umwelterziehung eine herausragende Bedeutung. Simulationsprogramme von chemischen Abläufen stelle zur Demonstration komplexer Wechselwirkungen einen großen Fortschritt dar." Allerdings dürfe das "klassische Experiment" nicht vernachlässigt werden. Die "Computerchemie" sollte nach Ansicht von Kraus für alle Schulen, einschließlich der Berufsschulen gelten.

Auch bei den Lehrern stößt Ugis Initiative, den Chemieunterricht "ganz anders" zu machen auf Interesse. "Das kann einen enormen Impuls auslösen, der von den Schülern mit Sicherheit positiv angenommen würde", urteilt Heinrich Trost, zuständig für den Bereich Naturwissenschaften am Hamburger Institut für Lehrerfortbildung. Schwierigkeiten sieht er allerdings in der praktischen, Umsetzung, denn "es gibt bei manchen Lehrern Berührugsängste mit Computern".

Ivar Ugi arbeitet seit rund 20 Jahren an der schwierigen Aufgabe, chemische Grundbegriffe neu zu formulieren, um sie in eine "computerverständliche" Mathematik zu übersetzen "Der Witz in der Chemie ist", so Ugi, "daß jedes Problem in der Regel eine astronomisch hohe Zahl von Lösungen hat". Doch nur ein paar dieser Möglichkeiten sind wirklich gut und es wert, realisiert zu werden. Die Rechnerprogramme des Professors erlauben eine systematische Durchforschung von chemischen Verbindungen ohne großen Labor- und Kostenaufwand. Daher seien sie ein Ansatz hin zur ökologischen Chemie und bedeutsam für die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Branche.

Ansatz hin zur ökologischen Chemie

Für seine Methode, die bereits jetzt in der chemischen Industrie zur Herstellung und Überprüfung von chemischen Verbindungen angewandt wird, erhielt Ugi den hochdotierten Philip-Morris-Forschungspreis. Ziel dieses Preises ist es "zukunftsfähige Ideen und Techniken zu fördern", so der Vorsitzende des Kuratoriums der Philip-Morris-Stiftung, Günter Wille. Der Forschungspreis soll darüber hinaus helfen, gute Ideen schnell umzusetzen. Im Fall von Professor Ugi heißt es aber auch: Am Zuge sind nun die Schulpolitiker.