Buchbesprechung:

Computerkunst

16.05.1975

Man kann die Produktion von Computer-Kunst als ersten Schritt in Richtung auf ein "ästhetisches Labor" oder als neues Experimentierfeld für Künstler sehen. Man kann auch versuchen, möglichst viel praktischen Nutzen daraus zu ziehen - für Tapeten- und Stoffmuster, für Design und Architektur.

Dr. rer. nat. Frieder Nake (37), der in Stuttgart Mathematik und Physik studierte, dann mehrere Jahre am Universitäts-Rechenzentrum arbeitete und jetzt Informatik-Professor in Bremen ist, will mit seinem Buch "Ästhetik der Informationsverarbeitung" eine Übersicht geben und "Bruchstücke zu einer formalisierten Theorie der Ästhetik" liefern. Nake geht davon aus, daß die Rollen von Künstler und Betrachter symmetrisch zum ästhetischen Objekt sind und in einem kybernetischen Modell dargestellt werden können. Die Ästhetik sieht er als spezielle Art der Datenverarbeitung und damit als Teilgebiet der Informatik - den Computer als Mittel, um die Ästhetik als Teil eines Produktionsprozesses zu erkennen und die Spekulationen über Kunst sowie den bürgerlichen Kunstbetrieb zu zerstören. Solche "ideologischen Einsprengsel" sind allerdings doch selten.

Da Nake zu den deutschen Pionieren der Computergrafik zählt, dominiert das Thema "Bilder", obwohl er selbst zugibt, daß Beziehungen zwischen Melodie und Informationstheorie leichter herzustellen wären.

Nake geht zwar eingehend auf Verfahren zur Bildbeschreibung und auch auf grafische Programmiersprachen ein - man vermißt aber die Auseinandersetzung mit den experimentellen Ergebnissen der ästhetischen Kybernetik, etwa der Frage nach dem "schönen Maß".

Das recht teure Buch will mit Liebe zur Sache und Sachkunde gelesen sein - es ist weder Rezeptbuch zur Kunstproduktion noch zügig lesbare Information über neuere kulturelle Entwicklungen. Wer das berücksichtigt, kann es mit Nutzen auch dann lesen, wenn er "nur" an den Fragen der determiniert programmierten Datenverarbeitung interessiert ist. -py

(Frieder Nake: "Ästhetik der Informationsverarbeitung"; Springer-Verlag, Wien; DM 159,-)