Computer geleiten durchs britische Paragraphen-Dickicht: Automaten als Sozial-Auskunfteien

20.08.1982

Wen sollte das nicht ärgern beziehungsweise bedrücken: Da gibt es einerseits paragraphenerfahrene Pfiffikusse, die aus unserem teilweise arg strapazierten Netz sozialer Hilfen auch noch den letzten Pfennig herauszuquetschen verstehen, während andererseits bekannt ist, daß wirklich Bedürftige oft nicht so recht wissen, wie sie an dringend benötigte Mittel herankommen könnten.

Zumindest jener zweiten Gruppe sollen in Großbritannien bald Computer hilfreich zur Seite stehen, kann man Berichten aus jenem Lande entnehmen. Sie sollen an Bildschirmen Auskunft darüber geben, welche Rechte ein Bedürftiger im konkreten Einzelfall eigentlich hat; eine meist nur schwer zu beantwortende Frage, denn im Streben nach sozialer Gerechtigkeit sind natürlich auch in anderen Ländern höchst undurchsichtige Paragraphen-Dickichte herangereift, durch die kaum jemand ohne Führer den Weg findet.

Der Witz an einer Reihe von vorerst sechs Computerversuchsinstallationen in britischen Sozialämtern und Bürgerinformationsbüros ist nun, daß Interessenten nicht erst offizielle Unterstützungsanträge stellen müssen, dann durch die ganze Behördenmühle gedreht werden und erst zuletzt erfahren, daß es vielleicht gar kein Geld gibt, sondern daß sie zunächst auf rein informativer Ebene ihre Rechte abklopfen können: Sie setzen sich an einen Bildschirm und durchlaufen einen sehr einfach gehaltenen Dialog mit dem Computer, der übrigens von der Surrey University entwickelt wurde (der Rechner ist ein "Casu Mini-C"-Mikrocomputer).

Im wesentlichen müssen die Klienten neben numerischen Daten (Einkommenshöhe, Geburtstag und so weiter) nur immer mit drei Tasten angeben, ob die jeweils am Bildschirm erscheinende Frage mit JA, NEIN oder WEISS NICHT beantwortet werden soll. Dabei ist die Tastatur, nicht zuletzt weil sie möglichst vertraut erscheinen soll, im Stile eines Taschenrechner-Eingabefeldes gehalten; allerdings sind die Tasten extra groß ausgeführt, damit beispielsweise gebrechliche Menschen keine unnötigen Schwierigkeiten beim Umgang mit der Hardware haben. Und die Software? Nun, die heutigen Computer dieser neuen Generation von sozialen Auskunfteimaschinen sind, bei Licht besehen, vorerst noch relativ grob orientierende Führer durch das Labyrinth der Sozialparagraphen und können die üblichen Vorschriftensammlungen und Handbücher daher noch längst nicht voll ersetzen. Auch ist ihr Gebrauch noch problematisch, wenn es um Fälle geht, in denen, etwa bei Vorliegen sozial stigmatisierender Krankheiten, höchste Diskretion zu wahren ist.

Aber das muß nicht so bleiben, und vom Ausgangspunkt Null her gesehen ist das, was die Programmierer der neuen Auskunftsrechner geleistet haben, durchaus anerkennenswert. Denn die zahllosen Klauseln

moderner Sozialgesetze in einen einfachen Dialog zu übertragen, ist eine Aufgabe, die man leicht zu unterschätzen neigt.

Besonders problematisch scheinen dabei übrigens, so zeigte sich auf einer Konferenz über Wohlfahrtsinformation und Computer, Dialogfragen allgemeiner Art zu sein: Denn was soll der Benutzer schon - ohne erläuterndes menschliches Gegenüber - antworten, wenn der Rechner wissen will: "Sind Sie im großen und ganzen gesund?"

Hat der Klient im etwa halbstündigen Dialog mit dem 4000 Pfund teuren System jedoch Klippen wie diese mehr oder weniger erfolgreich umschifft, so erhält er einen Ausdruck, auf dem die denkbaren Hilfen und die Stellen, wo er sie beantragen kann, fein säuberlich aufgelistet sind.