Experimente mit Sonnenenergie in Aachen

Computer führt "normales Familienleben"

29.08.1975

AACHEN - Ein "ganz normales Familienleben" wird auf dem Gelände des Philips-Forschungslaboratoriums in Aachen mit Hilfe eines Computers geführt: im "Sonnenhaus" läßt ein Philips-Prozeßrechner Licht scheinen, Herdplatten warm werden und die Dusche rauschen - als ob die vierköpfige Familie, die das Haus in zwei Jahren beziehen soll, jetzt schon darin wohnen würde.

Das für 600 000 Mark gebaute Haus gehört zu einem 9, 8-Millionen-Mark-Forschungsprojekt, in dessen Kosten sich das Bundesministerium für Forschung und Technologie sowie die Deutsche Philips teilen. Es soll zeigen, ob und inwieweit Sonnenenergie praktisch genutzt werden kann. Ausgangspunkt war die Feststellung, daß die Hälfte des bundesdeutschen Energieverbrauchs der Gebäudeheizung und Warmwasserversorgung dient. Beim Aachener Musterhaus wurde der Wärmebedarf durch einwandfreie Isolierung zunächst auf ein Sechstel des Durchschnittswertes gesenkt. Der verbleibende Bedarf wird durch 342 Sonnenkollektoren gedeckt, die unter einer 20 Quadratmeter großen Glasfläche im Dach untergebracht sind. Die von den Kollektoren gesammelte Wärme wird in einem 40 Kubikmeter fassenden Wassertank im Keller gespeichert und von dort nach Bedarf wieder abgegeben. Zusätzlicher Energie erbringt die Nutzung der Erdwärme sowie der Wärme in Abwasser und Abluft mit Hilfe einer Wärmepumpe, die dabei im Sommer sogar noch für Kühlung sorgt.

Mit der gespeicherten Wärme soll neben dem laufenden Warmwasser im Winter auch der Heizungsbedarf gedeckt werden. Zur Steuerung und Auswertung sind im Dachgeschoß des Versuchshauses zwei P-855- Minis installiert. Ein System mit 64 K dient der automatischen Programm-Generierung - das andere mit 32 K steuert das Energie- System, simuliert den Verbrauch im Wohnbereich anhand eines auf Kassette gespeicherten Programms und erfaßt auf Magnetband die Daten der über 100 Meßstationen im Haus. Sie werden als Ausgangsdaten für eine spätere Systemanalyse dienen. Bis 1979 läuft das von Bonn geförderte Sonnen-Energie-Forschungsprogramm. Matthöfers Perspektive: in 50 Jahren wird die Sonne einen Großteil der Häuser in Kleinstädten und Landgemeinden mit der nötigen Wärme versorgen. py