Mit Ameriquest auf das falsche Pferd gesetzt

Computer 2000 ist der US-Ausflug nicht bekommen

30.05.1997

Lange hatte Europas führender Computerhändler C2000 mit dem Einstieg in den US-Markt gezögert. Und immer wieder fand Vorstandschef Walter von Szczytnicki für das Zaudern die gleichen Worte: "Das ist kein leichter Schritt. Ohne den geeigneten Partner ist die Gefahr eines Scheiterns sehr groß." Deshalb müsse man den Weggefährten sehr sorgfältig auswählen. Als die Münchner schließlich Ende 1994 ihren Einstieg beim US-Vollsortimenter Ameriquest meldeten, schien sich ihre Geduld ausgezahlt zu haben: Der erst kurz zuvor aus der Zusammenlegung von sieben kleinen Handelsgesellschaften entstandene Broadliner rangierte bereits unter Amerikas zehn wichtigsten Distributoren. Zudem stand mit Harold Clark, dem Ex-Geschäftsführer von Ingram Micro, ein ausgewiesener Branchenprofi an der Spitze.

Doch die Freude über den scheinbaren Supercoup währte nicht lange. Clark gelang es nicht, die aufgekauften Unternehmen zu einer schlagkräftigen Einheit zu formen. In der Folgezeit häuften sich die Logistikprobleme, die immer mehr große Kunden vergraulten. Und Ameriquest, schon zum Zeitpunkt der C2000-Beteiligung nicht profitabel, rutschte immer weiter in die roten Zahlen.

Auch die Finanzspritzen von C2000 halfen nicht. Inklusive Kaufpreis hat die Münchner das US-Abenteuer bislang knapp 200 Millionen Mark gekostet. Und dem Vernehmen nach mußten sie die ebenfalls zum Viag-Konzern gehörende Klöckner & Co., seit Anfang 1995 Hauptaktionär bei C2000, um ein 50-Millionen-Mark-Darlehn bitten. Weitaus schlimmer aber wog, daß auch der führende europäische Computerhändler aufgrund der anhaltenden Probleme mit Ameriquest in die Verlustzone stürzte.

Für das Geschäftsjahr 1995/96 stellte sich ein Fehlbetrag von 15,7 Millionen Mark ein, was zum Ausfall der Dividende führte und die Aktionäre in Unruhe versetzte. In diesem Jahr sieht es noch katastrophaler aus. Schon für das erste Halbjahr mußte Szczytnicki einen Verlust vor Steuern von 38 Millionen Mark bekanntgeben. Für das Gesamtjahr, das am 30. September endet, werden ebenfalls rote Zahlen anfallen, die Dividende ist erneut gestrichen.

Nun hat der Viag-Konzern die Notbremse gezogen. Ameriquest wird weitgehend aufgelöst. Nahezu alle Unternehmensteile stehen zum Verkauf oder werden geschlossen, das Gros der Beschäftigten - zuletzt 400 - muß gehen.

Einzig die etwa 100 Mitarbeiter starke Advanced Systems Group, spezialisiert auf den Vertrieb von High-end-Workstations und -Servern, bleibt übrig.

Über diesen bislang profitablen Kern soll nun endlich Geld in die Kasse kommen. Viag-Chef Georg Obermeier ließ unlängst keinen Zweifel daran, daß er ab dem nächsten Jahr fest mit schwarzen Zahlen rechnet: "Wir werden auf keinen Fall einen weiteren Verlust akzeptieren. 1997 wird dieses Loch gestopft."

Zweiter Versuch nicht ausgeschlossen

Trotz des verpatzten Engagements in den Vereinigten Staaten wollen Viag und C2000 aber einen weiteren Versuch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht ausschließen. "C2000 ist zwar in Europa die Nummer 1 unter den Distributoren und auf dem besten Weg hin zu einem Unternehmen mit einer Umsatzgröße von zehn Milliarden Mark. Doch wir dürfen uns in Europa nicht einigeln, denn die US-Player stoßen zunehmend in den europäischen Markt vor", erklärte Obermeier vor zwei Wochen.

Tatsächlich haben amerikanische Computerhändler in den vergangenen Monaten in der europäischen und deutschen Distributorenszene einige Unruhe gestiftet.

Im Januar sorgte zunächst der Kaufrausch der CHS Electronics Inc. für Wirbel. Innerhalb kürzester Zeit erwarb die in Miami ansässige Gesellschaft das Europa-Geschäft von Merisel und den deutschen Distributoren Frank & Walter.

Mitte April machte die Tech Data Corp. mobil. Vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden wird sie 75 Prozent des deutschen IT-Großhändlers Macrotron aufkaufen.

Hält dieser Trend an, dürfte für C2000 die Luft im europäischen Distributorengeschäft zunehmend dünner werden und einen neuerlichen Versuch in den USA dringend erforderlich machen. Dies ist anscheinend auch Obermeier bewußt, denn er versichert: "Wenn wir unsere Hausaufgaben bei Ameriquest gemacht haben, werden wir über neue Maßnahmen im amerikanischen Markt nachdenken.

*Beate Kneuse ist freie Fachjournalist in Stuttgart.