Entsteht ein neuer Big Player im Servicegeschäft?

Compunet begibt sich unter das Dach von GE Capital

12.07.1996

Die in Kerpen bei Köln ansässige Compunet-Gruppe vertreibt ein Portfolio von Computer- und Netzwerkprodukten sowie entsprechenden Dienstleistungen an Firmenkunden. Seit der Gründung 1984 war das Unternehmen dadurch in einer Art Grauzone zwischen der Rolle eines reinen Hardware-Wiederverkäufers und der eines Systemintegrators angesiedelt. Mit großem Erfolg: Bisher wuchs Compunet im Durchschnitt um jährlich knapp 80 Prozent und erzielte 1995 mit rund 1800 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,4 Milliarden Mark.

Eben dieses rasante Wachstum war nun auch das Hauptmotiv der Kerpener, sich in die Arme eines starken Investors zu begeben. "Unser Wachstum wurde bisher im Prinzip von den geschäftsführenden Gesellschaftern finanziert, was so auf Dauer nicht mehr tragbar gewesen wäre", erklärte Unternehmenssprecherin Fiona Stollmann gegenüber der CW. Nachdem man kurzzeitig auch mit einem Gang an die Börse geliebäugelt hatte, waren vom Management um Firmengründer und Vorstandssprecher Jost Stollmann schon seit rund zwei Jahren mit verschiedenen Unternehmen Gespräche über mögliche strategische Allianzen geführt worden mit GE Capital TMS sei nun aber der Wunschpartner an Land gezogen worden, heißt es bei Compunet.

Insbesondere auch, weil, so die Compunet-Sprecherin, "Selbständigkeit, Herstellerunabhängigkeit und Firmenphilosophie trotz des Verkaufs gewahrt bleiben". Das Unternehmen wird Bestandteil von GE Capital TMS, behält aber seinen Namen und soll weiterhin von den Gründern mit Jost Stollmann an der Spitze geführt werden. Über die Höhe des Kaufpreises und die Modalitäten der Übernahme schweigen sich die beiden Firmen aus. Als (jedoch wenig aussagekräftiger) Anhaltspunkt dient lediglich das Compunet-Aktienkapital, das sich im Besitz von etwa 40 Führungskräften befindet und derzeit mit rund 21 Millionen Mark bewertet wird. Die Übernahme wird rechtskräftig, wenn das für Wettbewerbsfragen zuständige EU-Kommissariat in Brüssel grünes Licht erteilt hat.

Zumindest auf dem Papier entsteht damit einer der weltweit bedeutendsten Anbieter von DV-Produkten und -Services mit einem Umsatz von mehr als sieben Milliarden Mark und 9000 Mitarbeitern. GE Capital hatte erst 1994 alle Dienstleistungs-Aktivitäten im IT- und Kommunikationsbereich durch die Gründung von TMS gebündelt. Im April beteiligte sich TMS an der Ferntree Computer Corp., dem führenden Desktop-Systemintegrator Australiens, und verhandelt derzeit mit Ameridata Technologies, einem Anbieter von DV-Services in Nordamerika.

Analysten bewerteten indes den Deal in ersten Reaktionen positiv. Eine "paneuropäische Expansion und die immens gestiegenen Anforderungen im Multivendor-Geschäft wären für Compunet alleine auf Dauer nicht zu verkraften gewesen", bilanziert Tom Anthofer, Chef der Londoner Niederlassung des bei der Vorbereitung des Deals involvierten internationalen Investmentbank- und Beratungshauses Broadview Associates. Beide Seiten hätten nur Vorteile - TMS eine "europäische Achse", Compunet zusätzliches Kapital und Unterstützung bei großen Turnkey-Projekten.

Momentan generiert das Unternehmen nur rund 20 Prozent seines Umsatzes mit Services - auch wenn man dabei berücksichtigen muß, daß im Projektgeschäft die Trennung zwischen Hardware-Umsätzen und Erlösen aus reiner Dienstleistung nur bedingt möglich ist. Auf den für Compunet relevanten Märkten zeichne sich ein dramatischer Wandel ab, so daß sich das Unternehmen für die Zukunft neu plazieren müsse, heißt es denn auch offiziell in einer Anspielung auf die schwierige Situation im PC-Business. Trotzdem peilt man in Kerpen bis zum Jahr 2000 ein Umsatzziel von jährlich rund 3,4 Milliarden Mark an.

Einige Marktforscher sehen dies auch als realistisch an. "Compunet ist von einer Bank übernommen worden", meint Felix Hamann, Wettbewerbsbeobachter bei der Input GmbH. Das Unternehmen könne daher aller Voraussicht nach sein bisheriges Wachstumstempo halten. Im übrigen sei man jetzt in der Lage, sich von dem latent vorhande- nen Image als "Boxenschieber" zu befreien und im Projektgeschäft mit IBM, Digital, Siemens-Nixdorf & Co. besser mitzuhalten - in einem Marktsegment, wo, so der Input-Experte, Compunet bei Ausschreibungen bisher oft nur zweiter Sieger war. Hinzu komme, daß man im Verbund mit TMS mit neuen Angeboten, etwa im Bereich PC-Leasing, im Markt auftreten könne.