Interview

"Compaqs Vertriebsmodell ist eine Kompromißlösung"

11.06.1999
Mit Luis Praxmarer, Managing Director der Meta Group Deutschland GmbH in München, sprach CW-Redakteur Heinrich Vaske

CW: Compaq hat angekündigt, bis Jahresende 500 Händler mit Online-Shops auszustatten, um so den Vertrieb zu verbessern. Ist das die richtige Antwort auf Direktvertreiber wie Dell und Gateway?

PRAXMARER: Wir haben von Compaq so etwas erwartet. Man hat gemerkt, daß sie Schwierigkeiten hatten, einem Modell zu folgen, das sich aggressiv gegen die Partner wendet. Insofern ist dies eine Kompromißlösung. Compaq realisiert das Ganze über die Deutsche Telekom - eine gute Wahl. Dieser Partner hat den nötigen Background, um eine adäquate Web-Infrastruktur aufzubauen, auf der die Online-Shops dann laufen. Das große Problem liegt darin, daß es sich um einen deutschen Alleingang handelt. Es fehlt die Integration in ein europäisches und ein weltweites System.

CW: Warum kann der Vertrieb nicht regional unterschiedlich organisiert werden?

PRAXMARER: Der Vertrieb ist Bestandteil der gesamten Logistikkette - und die ist nicht mehr lokal zu betrachten. Wenn Compaq Konzepte wie Built-to-Order mit E-Commerce realisieren will, wird sich das Management fragen müssen, wie das deutsche Modell in das europäische und weltweite integriert werden kann.

CW: Wäre es nicht möglich, daß das deutsche Modell irgendwann auf das weltweite übertragen wird?

PRAXMARER: Das kann ich mir kaum vorstellen. Die Deutschen werden eher wieder zurückgepfiffen. Mir ist in der gesamten Industrie kein Beispiel bekannt, wo ein deutsches Modell auf eine weltweite Organisation übertragen worden wäre.

CW: Im Gegensatz zu Compaq verzichtet Dell auf Partner und setzt sehr erfolgreich auf den Direktvertrieb. Man produziert hochwertige PCs, läßt den Kunden konfigurieren und setzt auf eine ausgefeilte Logistik. Vor diesem Hintergrund scheint Compaqs Händlermodell überholt.

PRAXMARER: Dell ist damals aus einer kleinen Nische heraus gestartet und hat von Anfang an den Direktvertrieb präferiert. Damit waren sie besser für das Online-Business positioniert. Compaq dagegen ist weltweit über Händler groß geworden. Daran wurde bis heute wenig geändert - wahrscheinlich ein Grund dafür, daß Eckhard Pfeiffer gehen mußte. Ihm standen die Partner und Händler sehr nahe, nach Ansicht von Ben Rosen vermutlich zu nahe. Pfeiffer konnte den Direktvertrieb nicht so aggressiv aufbauen wie die Wettbewerber. Es ist sehr schwierig, ein neues Modell mit einem alten zu verbinden, ohne in Channel-Konflikte zu geraten.

CW: Was ist das Erfolgsrezept für einen Online-Vertrieb?

PRAXMARER: Am weitesten fortgeschritten ist in der IT-Branche wahrscheinlich Cisco. Die Prozesse sind durchgängig, ein Großteil des Umsatzes wird online erzielt. Cisco läßt den ganzen Vertrieb über Partner laufen, die an ein Bestellsystem angeschlossen sind. Dort gibt es nicht das Problem, daß direkter und indirekter Vertrieb nebeneinander her laufen müssen, daß also sowohl Endkunden als auch Partner anzusprechen sind. Sämtliche Cisco-Partner sind in die Logistik des Online-Bestellvorgangs integriert. Wer nicht mitzieht, ist kein Cisco-Partner mehr. Alle großen IT-Hersteller müssen sich über ihre Logistikketten und die dahinterliegenden Kosten Gedanken machen.

CW: Compaq läßt sich besser mit Dell vergleichen...

PRAXMARER: ... dort wurde die Logistik nicht auf Partner, sondern ausschließlich auf den Endkunden ausgerichtet. Die Ansätze sind konträr - und beide erfolgreich. Die Vorgehensweise bei Dell war immer sehr eindeutig, während Compaq verschiedene Vertriebswege parallel bedient. Man möchte Key-Accounts selbst betreuen, andere Kunden über Partner bedienen, und eigentlich möchte man auch direkt verkaufen. Das wird nicht funktionieren. Insgesamt ist die Idee mit den Händler-Shops nicht schlecht, aber sie müßte weltweit kompromißlos durchgezogen und zum einzigen Vertriebskanal aufgewertet werden.

CW: Haben die anderen PC-Lieferanten einen Vorsprung gegenüber Compaq?

PRAXMARER: Generell kann man einen großen Widerspruch erkennen zwischen dem, was nach außen präsentiert und nach innen implementiert wird. Wir betreuen einige große Projekte bei Anwendern, die 20 000 oder 30 000 PCs im Jahr bestellen. Die wollen Online-Verbindungen zu ihren Lieferanten. Außer Dell kann ihnen dies niemand garantieren, weil die Logistik nicht entsprechend optimiert wurde. Da ist ein krasser Widerspruch zu den zahlreichen E-Commerce-Präsentationen der Anbieter erkennbar.