Weitere Runde im Preiskampf erwartet

Compaq geht neue Wege bei Vertrieb und Marketing

04.04.1997

Wieder einmal gelang der Firmenspitze des größten PC-Herstellers ein Überraschungscoup. Compaq will noch in diesem Frühjahr die Produktion von Business-PCs auf ein "Build-to-order"-Konzept umstellen, schreibt das "Wall Street Journal". Das Verfahren, das schon andere PC-Hersteller wie etwa Acer anwenden, soll die Herstellkosten senken und die Termintreue bei Lieferungen erhöhen.

In der Vergangenheit traten oftmals Lieferengpässe auf, wenn statt der vorgehaltenen Modelle, deren Produktion auf geschätzten Marktzahlen beruhte, andere Konfigurationen bestellt wurden. Hinzu kam das Risiko, veraltete Maschinen im Lager zu haben, wenn sich neue Prozessoren oder andere Komponenten schnell durchsetzten.

Diesen Gefahren, die beispielsweise Apple in der Vergangenheit zu drastischen Abschreibungen auf den Lagerbestand gezwungen hatten, begegnete IBM in den USA bereits vor zwei Jahren. Damals entschloß sich die PC-Division, ausgewählten Händlern die Endmontage der Rechner vor Ort zu überlassen, was zu erheblichen Kostensenkungen insbesondere bei den Garantieleistungen führte. Ein ähnliches Konzept verfolgt seit kurzem auch Hewlett-Packard in Deutschland.

Compaqs Entscheidung ist etwas anders gelagert, wie Deutschlandchef Kurt Dobitsch gegenüber der COMPUTERWOCHE erklärte. Demnach ist nicht geplant, den Händlern die Endmontage zu überlassen, vielmehr sollen sie die Geräte gemäß den Kundenwünschen konfigurieren, also beispielsweise statt eines CD-ROM-Laufwerks ein zweites Akku-Pack einbauen. Für diese "Configuration-to-order" kommen in Europa "ohnehin nur eine Handvoll von Vertriebspartnern in Frage", so Dobitsch weiter.

In Europa kein Direktvertrieb

Die zweite in Houston beschlossene Maßnahme dürfte insbesondere den Distributoren und Händlern nachträglich die Osterfreuden vergällen. Compaq will nämlich, so das US-Wirtschaftsblatt, zukünftig einige PC-Modelle direkt an die Kunden liefern. Dobitsch dementiert diese Meldung allerdings. Er sieht keine Veränderungen in der Vermarktungsstrategie, "da in den USA mit der dafür gegründeten Compaq-Direct-Abteilung bisher schon zehn Prozent des Umsatzes erzielt wurden" und beispielsweise Regierungsaufträge schon immer direkt ausgeführt worden seien.

In Europa wurden bislang keine Umsätze im Direktgeschäft erzielt, allerdings kristallisieren sich derzeit zwei Marketing-Modelle heraus: In England wird momentan ein Call-Center aufgebaut, das den Soho-Markt betreuen soll. Die Lieferung der Rechner erfolge aber nach wie vor über den Handel. Für Deutschland plant Dobitsch, verstärkt den Mittelstand zu bedienen, und hat dazu eine Armada von 1000 bis 1500 Value Added Resellers (VARs) rekrutiert, die von einer rund 50köpfigen Vertriebsmannschaft in der Compaq-Zentrale in München betreut werden sollen.

Die Veränderungen bei Compaq dürften eine neue Runde im Preiskampf einleiten, erwartet das "Wall Street Journal" und prognostiziert eine generelle Kostensenkung von zehn Prozent, da andere Hersteller nachziehen müßten.