Texanischer PC-Cloner einigt sich mit IBM über dessen Forderungen:

Compaq erwirbt doch Lizenzen für den Mikrokanal

21.07.1989

HOUSTON (IDG) - PC-Cloner Compaq und IBM haben eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der alle Patentstreitigkeiten, die PC-Technologie betreffen, aus dem Weg geräumt wurden. Compaq sicherte sich die Rechte an allen IBM-Entwicklungen in Sachen PC bis 1993, darunter auch die Patente für den Mikrokanal.

Damit hat sowohl Compaq eine gewisse Rechtsunsicherheit beseitigt, andererseits hat sich IBM eine Tür offen gehalten, den Mikrokanal-Bus auch für andere Clone-Hersteller bereitzustellen.

IBM hatte im vergangenen Jahr überraschend von allen Clone-Herstellern Lizenz- und Urheberrechtsgebühren für PC-Patente verlangt. Die ursprünglichen Forderungen lagen im Rahmen von je eins bis fünf Prozent des Verkaufserlöses der kompatiblen Geräte. Die meisten Clone-Hersteller wollten die Big-Blue-Forderungen zunächst prüfen und dann weitere Schritte einleiten. Nachdem Tandy und Wyse als erste auf die Forderungen des Marktführers eingegangen waren, hat nun auch IBMs größter Rivale im PC-Markt das Handtuch geworfen: Welchen Betrag die Texaner nach Armonk überweisen, wurde jedoch nicht bekanntgegeben. Nur soviel sickerte durch, daß Compaq eine "bestimmte Summe" - Spekulationen gehen von insgesamt rund 160 Millionen Dollar aus - in fünf jährlichen Raten zahlen wird.

In dem Abkommen überlassen beide Unternehmen der anderen Seite die Nutzung aller PC-Patente, die bis zum 1. Juli 1993 angemeldet werden. Darin ist auch die Mikrokanalarchitektur (MCA), IBMs Entwicklung eines 32-Bit-Busses, eingeschlossen. Compaq-Chef Rod Canion erklärte in dieser Sache klar und deutlich, daß dieses Abkommen nichts an Compaqs bisheriger Produktpolitik ändern werde. Compaq entwickle derzeit keine MCA-Produkte, und man habe auch keine Pläne, sie in Zukunft zu entwickeln. Die Texaner setzen nach Canions Worten weiterhin auf den EISA-Bus. Vor Journalisten erklärte jedoch Mike Swavely, President of Compaqs North American Region, daß, falls die Anwender einmal MCA-Produkte wünschen sollten, Compaq ihnen diesen Wunsch natürlich erfüllen werde.

Nach Ansicht von Branchenkennern bedeutet das Abkommen einen klaren Erfolg für beide Seiten. Der IBM ist es gelungen, den größten Rivalen im PC-Markt und Wortführer des ElSA-Konsortiums zur Zahlung von Lizenzgebühren zu zwingen und auch noch die MCA-Patente in das Abkommen einzubringen. IBM hat andererseits mit dem Abkommen auch einen Teil seiner Proprietary-Welt aufgegeben und macht die PS/2-Welt und den Mikrokanal zwar nicht zu einer offenen Architektur aber doch zu einer Plattform, auf der mit Compaq jetzt auch ein anderer namhafter Hersteller alle Rechte hat,

einzusteigen.

Für andere PC-Hersteller hat das Abkommen Signalwirkung. Ob im EISA-Konsortium oder nicht, sie müssen nach Analystenansicht wohl oder übel ähnliche Vereinbarungen mit IBM schließen, um im Geschäft zu bleiben.