E-Commerce/Neue Wege der Kommunikation mit Kunden

Community statt Call-Center

10.05.2002
Web-Communities bieten Unternehmen die Möglichkeit, Kunden zu binden und qualifizierte Kundendaten zu sammeln. Firmen sollten ein solches System jedoch nicht als reines Marketing-Instrument betrachten. Vorrangiges Ziel muss die vernetzte Kommunikation von Kunden untereinander sowie zwischen Kunden und Unternehmen sein. Von Alexander Erlmeier*

Kundenorientierung, Kundenservice und Kundenbindung sind die Schlagworte, die Manager seit Jahren zu hören bekommen. Von den Fachabteilungen wurde dieser Wunsch in jüngster Vergangenheit meist durch die Forderung nach einem CRM-System (Customer-Relationship-Management) artikuliert. Doch CRM-Systeme dienen in der Regel nur der Dokumentation der Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden. Um die Kommunikation, die über den reinen Verkaufsprozess hinausgeht, zu ermöglichen, können Anbieter auf Community-Lösung zurückgreifen. Communities (virtuelle Gemeinschaften) bieten die Möglichkeit, den Informationsaustausch mit den Kunden und auch zwischen den Kunden zu fördern. In Verbindung mit einem Online-Shop handelt es sich sowohl um eine Interessens- als auch um eine Handelsgemeinschaft, die im Wesentlichen auf dem Austausch zwischen Verkäufer und Käufer basiert. Der Betreiber will neue Kundenkontakte gewinnen und bestehende Beziehungen pflegen. In Kombination mit E-Commerce-Lösungen gelingt es erfolgreichen virtuellen Gemeinschaften, eine emotionale und loyale Bindung der Käufer an das Unternehmen aufzubauen und Vertrauen in dessen Produkte und Leistungen zu schaffen. Dass damit auch mehr Umsatz generiert werden kann, ist ein erfreuliches Nebenprodukt.

Der Einsatz einer Community hat sowohl für den Betreiber als auch für das Mitglied einen Mehrwert. Über die an seine Bedürfnisse angepassten Mitgliederprofile erhält das Unternehmen qualifizierte Kundendaten, die es für gezielte Marketing-Aktionen nutzen kann. Die Rückläuferzahlen werden dadurch ungleich höher sein als bei den sonst üblichen produktbezogenen Cross-Selling-Promotions.

Die Mitglieder wiederum erhalten nähere Informationen zu den angebotenen Produkten, indem sie direkt mit dem Kundenbetreuer kommunizieren, etwa in einem verkaufsunterstützenden Chat. Darüber hinaus lassen sich mit speziellen Funktionen Produkt- oder Supportanfragen zentral behandeln, falls diese nicht sogar bereits von anderen Community-Mitgliedern beantwortet wurden. Durch den Informationsaustausch zwischen allen Akteuren erhalten die Beteiligten einen direkten Draht untereinander, sodass der Site-Betreiber gezielte Umfragen, Gewinnspiele und Analysen zum Beispiel zur Produktverbesserung oder Sortimentsgestaltung betreiben kann.

Anreize für Kunden, sich in einer Community zu engagieren, lassen sich durch Bewertungs- beziehungsweise Punktesysteme schaffen. Der Betreiber könnte fleißige Anwender zum Beispiel zu ehrenamtlichen Leitern ernennen, die sich um den allgemeinen Ablauf innerhalb der Community kümmern und dafür erweiterte Rechte erhalten. Durch diese Form des Delegierens von Verwaltungsfunktionen bedeutet ein Anstieg der Mitgliederzahl nicht gleichzeitig auch einen höheren Aufwand für die Betreuung der Website. Generell sollte das Unternehmen aber besonders bei kommerziellen Communities eine kontinuierliche Kontrolle und Pflege der Beiträge keinesfalls vernachlässigen und hierfür ausreichend Ressourcen bereitstellen. Denn negative Beiträge und Kommentare von anderen Kunden, zumal von vermeintlich neutralen Meinungsbildern, führen zu ungleich größeren Vertrauensverlusten.

Amazon.com ist auf dem Gebiet des "Community Building" ein Vorreiter gewesen. Der E-Commerce-Primus hat mit seinem Konzept die erfolgreiche Koppelung von Community und Online-Shop vorgemacht. Konsequent analysiert das Unternehmen das Kundenverhalten und versucht dadurch, das Kaufverhalten von Online-Shoppern vorherzusagen. Entsprechend ihrer ausgemachten Präferenzen werden den potenziellen Käufern individuelle Angebote unterbreitet. Darüber hinaus bietet Amazon.com seinen Besuchern die Möglichkeit, Artikel zu rezensieren sowie auf Rezensionen anderer Kunden zurückzugreifen. Dieser sehr offene Ansatz wird nicht nur bei Produkten des persönlichen Geschmacksempfindens wie Büchern oder Musik praktiziert, sondern auch bei beratungsintensiveren Elektronik-Artikeln wie DVD Recorder oder Videokameras.

Transaktion und KommunikationDer Kontakt zum Kunden wurde im E-Commerce oft vernachlässigt. Während Softwarelösungen auf die Digitalisierung der Geschäftsprozesse fokussiert sind und sich auf die Transaktionsebene, also auf elektronisches Bestellen, beschränken, schließen Communities die immer größer werdende Lücke zwischen Technik und Mensch, oder besser zwischen Transaktion und Kommunikation. Für den Münchner Anbieter von Community-Software Cassiopeia besteht eine E-Business-Infrastruktur daher aus zwei integrierten Ebenen - einer Transaktionsebene, in der strukturierte Informationen maschinell verarbeitet werden, und einer Kommunikationsebene, in der Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner übergreifend durch Kommunikation miteinander vernetzt werden. Ein weiterer Hersteller von Community-Software ist die ebenfalls in München beheimatete Firma Webfair.

Der Informationsbedarf der Communitiy-Beteiligten ist im Voraus nie vollständig bekannt. Meist ergibt er sich aus dem Kontext. Daher bedarf es einer wechselseitigen Many-to-many-Kommunikation. Diese muss dabei zwischen denen stattfinden, die Informationen suchen, und denen, die über sie verfügen. Besonders nutzbringend ist die wechselseitige Kommunikation dann, wenn sie innerhalb eines Netzwerkes von Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern erfolgt, da auf diese Weise bislang verborgene Informationen sowie Wissensträger transparent werden. Communities bieten so Gruppen von Personen die Möglichkeit, sich untereinander zu verständigen, und dies über speziell zugeschnittene Kommunikationskanäle. Bei einer virtuellen Gemeinschaft auf einer E-Commerce-Site sollte das System den gesamten Verkaufsprozess von der Informations- über die Einkaufs- bis zur Supportphase begleiten.

Chat mit dem VertriebIn der Informationsphase kann sich der Kunde durch den Einsatz synchroner Kommunikationsmodule wie dem Chat mit seiner Frage direkt an den Vertriebsmitarbeiter wenden oder die vorhandenen Beiträge im betreffendem Forum lesen. Während des Einkaufs diskutiert der Kunde mit dem virtuellen Vertriebsteam über Rabatte und Lieferbedingungen. Die Supportphase dient nach dem Verkauf des Produkts als Rückkanal: Der Nutzer stellt Fragen in die Commuity ein, und andere Kunden oder Experten des Unternehmens antworten ihm.

Speziell für den Bereich After-Sales sind Customer-Self-Service-Communities von Interesse, da sich damit Geld sparen lässt. Ein Unternehmen der Computerindustrie vernetzt seine Kunden in einer Community, damit sich gleichgesinnte Bastler austauschen, ihre neuesten Erfahrungen ins Netz stellen und anderen Ratschläge geben können. Jeder so bediente Anwender ruft nicht mehr das hauseigene Call-Center an, was die Kosten im Servicebereich reduziert.

Zu den wichtigen Funktionen innerhalb einer Community zähen Chats; sie erlauben einen direkten Austausch zwischen Mitgliedern. Da wäre zum Beispiel der private Chat, etwa zwischen einem potenziellen Käufer und einem Kundenbetreuer. Mehrere Online-Anwender treffen sich in Chat-Räumen, in denen sie über bestimmte Themen debattieren können. Zusätzlich lassen sich diese Räume moderieren und zum Promotion-Event machen, zum Beispiel beim Chat mit einem Prominenten oder mit einem Experten. Weitere Community-Funktionen wie Diskussionsforen, schwarze Bretter oder E-Mail-Konten lassen sich ebenfalls an den jeweiligen Anwendungsbereich anpassen.

Für den Kunden dürfen die Einstiegsbarrieren auf keinen Fall zu hoch sein, denn der Wert einer Community steigt exponentiell mit ihrer Mitgliederzahl. Insofern sollten Site-Betreiber beispielsweise bei der Registrierung nicht gleich eine Fülle von Daten verlangen. Wer sich nicht sicher ist, eine kritische Masse an aktiven Mitgliedern motivieren zu können, sollte die Finger von Community-Funktionen lassen: Leere Foren und Boards oder verwaiste Chats wirken auf den Besucher abschreckend. Daher muss der Betreiber anfangs durch redaktionelle Betreuung und Aktionen sicherstellen, dass die Community mit Leben gefüllt wird. (fn)

*Alexander Erlmeier ist Geschäftsführer der Aicomm Online Solutions GmbH in München.

AngeklicktBetreiber von Communities verfolgen das Ziel, über Registrierungsmechanismen an qualifiziertere und detailliertere Kundendaten zu gelangen, als dies bei einer normalen Kauftransaktion unter Angabe der Liefer- und Rechnungsanschrift möglich wäre. Wie bereitwillig der Besucher detaillierte soziodemographische Daten oder Interessensprofile hinterlegt, hängt letztlich von seinem subjektiv wahrgenommenen Mehrwert der Mitgliedschaft an einer virtuellen Gemeinschaft ab. Firmen versprechen sich von Communities neben Kundenbindung und der Förderung des Produktabsatzes auch Einsparungen beim Customer-Service, indem sich Mitglieder gegenseitig helfen, statt ihre Anfragen im Call-Center loszuwerden.