Commodore zwischen Heim und Host

01.10.1982

Das ungebrochene Wachstum der Frankfurter Commodore Büromaschinen GmbH, so sieht es Geschäftsführer Harald Speyer, sei zu einem guten Teil auf den "rechtzeitigen Einstieg in das Heimcomputergeschäft" zurückzuführen (siehe Seite 1). Solche Erfolgsanalyse ist bei gewieften Mikrobossen, zumal unter Beobachtungsstreß, nicht ungewöhnlich - nur: Sie kann zum Bumerang werden, wenn sie sich an früheren Darstellungen messen lassen muß.

Nun zeigt sich, daß der Mikro-Marktführer eine wundersame Wandlung durchgemacht hat: Noch vor zwölf Monaten wollte das Deutschland-Management Bäume ausreißen im Geschäft mit Arbeitsplatzrechnern, wurde den Herstellern der Mittleren Datentechnik (MDT) und den Anbietern von Distributed-Data-Prosessing-Produkten (DDP) der Kampf angesagt.

Das war gar nicht übertrieben: Kein anderer Hersteller von Tischcomputern hat so viel für einen hohen Bekanntheitsgrad als "Nicht-Nur-Hobbyist" getan wie Commodore. Selbst mißtrauische Fachabteilungsleiter in Großbetrieben fanden Gefallen an den "Commodore Business (!) Machines", setzten CBM-Systeme für Insellösungen ein.

Der Absatz von Fachabteilungsmikros in der Bundesrepublik, vermuten Brancheninsider, sei neuerdings etwas ins Stocken geraten. Kein Wunder: Mainframer, Mini-Macher, MDT-Lieferanten und Terminalanbieter haben erkannt, daß sich Commodore und Kompagnons (Tandy, Apple etc.) am Büroarbeitsplatz breitmachen wollen.

Ankündigungen von IBM, Univac, Burroughs, ICL, Digital Equipment, Hewlett-Packard, Wang, MAI, Olivetti und - ganz aktuell - Ericsson (siehe Seite 27) im Bereich des Personal Computing beweisen, daß die Platzhirsche nicht bereit sind, einen "Springinsfeld" wie Commodore in ihrem angestammten Revier nach Belieben schalten und walten zu lassen. Die Hostrechnerleute tun sich dabei insofern leicht, als sie auf die diversen Anschlußmöglichkeiten für ihre intelligenten Workstations verweisen können. Auch Mehrplatzfähigkeit, in der Mikrocomputerwelt durchaus nicht selbstverständlich, ist in DDP-Kreisen ein gängiges Argument.

Ironie des (Mikro-)Schicksals: Auf Aufstieg in Mainframehöhen programmiert, hat Commodore die Wucht der Heim- und Spielcomputer-Welle offensichtlich unterschätzt. Bei Jugendlichen Einsteigern machten weltweit Billiganbieter wie Atari, Sinclair oder Osborne das Neugeschäft. Sie sind die eigentlichen Gewinner der Kleincomputer-Lotterie. Daß sich Speyer Jetzt der CBM-Anfänge erinnert, als der legendäre "PET" noch ein reines Spielzeug war, macht den Zielgruppenkonflikt im Personal-Computer-Lager deutlich.

Es ist ja nicht damit getan, preiswerte Jedermann-Computer aus dem Hut zu zaubern, um den Privatmarkt zurückzuerobern. Die Kleinen transportieren zwar, auf der Basis hoher Stückzahlen gerechnet, einen ansehnlichen Umsatz, jedoch nur noch bescheidene Gewinne. Ein Hersteller wie Commodore muß immerhin einen beträchtlichen Overhead (Verwaltung, Vertrieb etc.) umlegen, um aus dem Schneider zu sein. Dies, so meinen Branchenbeobachter, sei auch der Grund dafür gewesen, daß es Commodore "nach oben" zog, dorthin, wo die Preise nicht mehr das Maß aller Dinge sind. Ob Speyers Rechnung aufgeht, hängt also nicht zuletzt auch vom Wettbewerb ab.