Hauptversammlung verweigert Konsul Meyer Entlastung:

Commerzbank läßt ADV/Orga umkrempeln

10.03.1989

WILHELMSHAVEN (vwd) - Infolge der schweren Vertrauenskrise, in der sich die ADV/Orga F. A. Meyer AG, Wilhelmshaven, wegen des Verlusts von 9,5 Millionen Mark im Geschäftsjahr 1987/88 (30. Juni) befindet, wird das Unternehmen neu strukturiert. Statt der bisherigen zwei Geschäftsbereiche "Anwendungssoftware" und "Informationstechnik" werden acht Profitcenter gebildet.

Diese Abteilungen, die jeweils voll für ihr Geschäftsergebnis verantwortlich sind, werden in einem zentralen Marketingbereich zusammengehalten. Wie Vorstandsmitglied Antonio Schnieder in der Hauptversammlung erklärte, setzt dies ein gravierendes

Umdenken voraus. Ferner sind Kosteneinsparungen durch Personalentlassungen und Fixkostensenkung geplant. Ein "Zeitmanager" organisiert dies seit 1. März, Insgesamt soll jährlich ein zweistelliger Millionenbetrag eingespart werden.

Für das laufende Geschäftsjahr erläuterte Vorstandsmitglied Helmut Merkel, es zeichne sich im zweiten Halbjahr eine Besserung ab, die durch den Vertrauensgewinn nach der Mehrheitsübernahme durch die Commerzbank im Dezember bedingt sei. Insgesamt

werde das zweite Halbjahr nach einem Verlust von 15 Millionen Mark im ersten aber keine schwarzen Zahlen schreiben. Unter anderem müssen auch Vorlaufkosten für die geplante Umstrukturierung getragen werden.

Der geplanten Erhöhung des Grundkapitals von derzeit 15 Millionen Mark auf bis zu 20 Millionen Mark hat die Hauptversammlung nach heftiger Diskussion zugestimmt. Die Kapitalerhöhung soll durch Ausgabe von Stammaktien erfolgen. Aufsichtsrat und Vorstand des Unternehmens wurde für das Geschäftsjahr 1987/88 die Entlastung erteilt. Zu Beginn der Veranstaltung hatten zwei Gegenanträge hinsichtlich der Entlastung des Vorstands vorgelegen. Gegen Vorstand und Aufsichtsrat von ADV/Orga wurden in der Aussprache schwere Vorwürfe erhoben.

Unter anderem hatten die Aktionäre die Verletzung der Informationspflicht reklamiert. Vor allem der Vorstandsvorsitzende Konsul Meyer, der nicht anwesend war, habe sich dem Verdacht ausgesetzt, die Aktionäre vorsätzlich getäuscht zu haben. Auch von juristischen Ermittlungen war die Rede. Unter großem Beifall verweigerten zunächst alle vortragenden Aktionäre der Unternehmensführung die Entlastung.

Den Vorwurf, der Mehrheitseigner betreibe bei der Aktie des Wilhelmshavener Softwareunternehmens "Kurspflege", wies Aufsichtsratsvorsitzender Axel Freiherr von Ruedorffer in seiner Eigenschaft als Commerzbank-Vorstandsmitglied zurück. Ein Teil des im ersten Halbjahr eingefahrenen Verlustes könne theoretisch wieder aufgefangen werden, wenn Großaufträge kommen. Man bemühe sich nun um Mittelstandsaufträge, um eine breitere Risikostreuung zu erreichen. Die bisherige Vertriebszusammenarbeit mit IBM werde auf Entwicklung erweitert; weitere Hardwareanbieter habe man für Vertriebskooperationen ins Auge gefaßt.

Zuvor hatte Ruedorffer "Weitere unpopuläre Maßnahmen" zur Stabilisierung sowie eine Neukonzeption des Unternehmens angekündigt. Zum Auftakt der Hauptversammlung hatte er erklärt, daß sich das Unternehmen einer Kapitalbeteiligung durch einen branchenerfahrenen Partner nicht verschließen werde. Ruedorffer betonte, das Engagement der Commerzbank bei ADV/Orga sei ernst und nicht etwa eine "aus der Not geborene Übergangslösung".