Leasinggesellschaft sucht nach Alternativen:

Comdisco will mehr PCM-Produkte kaufen

17.06.1988

FRANKFURT (dow) - Dem Einfluß, der IBM-Marktstrategen will sich die Leasinggesellschaft Comdisco künftig weitgehend entziehen. Bis 1990 plant das Unternehmen, das bei einem Jahresumsatz von weltweit 1,2 Milliarden Dollar derzeit rund 80 Prozent seiner Rechner vom Branchenersten bezieht, die Hälfte seines Equipments bei PCMern und anderen Herstellern einzukaufen.

Die Entscheidung begründete Stephen W. Hamilton, Senior Vice President von Comdisco, unter anderem mit den Verkaufsstrategien der IBM, die immer auf Kosten der Anwender gingen. Im Geschäft mit den Großrechnern seien diese häufig Opfer geschickter Verkaufs- und Marketingstrategen des Branchenführers, der derzeit "verzweifelt" versuche den Umsatz zu steigern, um den Hoffnungen der Aktionäre auf Wachstum gerecht zu werden.

Dieser "wenig glückliche Haufen" mußte sich, wie Hamilton erläuterte, in den letzten Jahren mit erheblichen Einbußen abfinden. Versprechungen der IBM aus dem Jahre 1985, das Geschäftsvolumen alle fünf Jahre zu verdoppeln, seien bei einem derzeit jährlichen Umsatz von über 54 Milliarden Dollar auch vom Branchenersten und profitabelsten, US-Unternehmen nicht einzuhalten, prognostizierte Hamilton. Seit Oktober 1987 verlor die IBM-Aktie, die derzeit bei einem Wert von 110 Dollar liegt, 60 Dollar. Mitbewerber im Großrechnergeschäft wie Amdahl, NAS und Storage Technology konnten hingegen kräftig zulegen.

Den Grund dafür sieht Hamilton in dem im Vergleich zur IBM besseren Preis/Leistungs-Verhältnis der PCM-Rechner. Wahrend bei der IBM 3090 die Zykluszeit 17,2 Nanosekunden betrage, liege die bei dem vergleichbaren Amdahl-Rechner 5990 bei 10 Nanosekunden. Außerdem brauche der Amdahl-Rechner bei einer Leistung von 35 MIPS nur vier Prozessoren, der IBM-Rechner dagegen sechs.

Obwohl die PCMer verglichen mit dem Branchenersten relativ wenig Umsatz machen (Amdahl hatte im vergangenen Geschäftsjahr einen Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Dollar), kann sich die IBM dem Konkurrenzdruck kaum entziehen. Jeder nicht verkaufte Rechner im Wert von etwa drei Millionen Dollar bedeute den Verlust des Folgegeschäftes von bis zu 30 Millionen Dollar für Peripheriegeräte, rechnete der Comdisco-Vertreter vor. Entgegen der Meinung vieler Branchenkenner, die mit der Auslieferung des als Summit bekannten Mainframes nicht vor 1991 rechnen, glaubt Hamilton daß die IBM die neue Großrechner-Familie spätestens im nächsten Jahr auf den Markt bringen wird.

Geködert werden solle der Kunde dann wieder mit noch mehr MIPS für wieder weniger Geld. Das Preis/ Leistungs-Verhältnis verbessere sich - Hamilton berief sich dabei auf ein Zitat von IBM-Fachleuten - jährlich um 20 Prozent. Mußte der Anwender 1985 für 28 MIPS noch 4 Millionen Dollar zahlen, bekommt er heute für das gleiche Geld bei Amdahl sogar 37 MIPS. Hamilton erinnerte in Hinblick auf die Summit jedoch daran, daß die IBM in der Vergangenheit selten ihre Versprechungen über die Leistungsfähigkeit von Rechnern eingehalten habe, und machte darüber hinaus auch den Preisverfall im Hardwarebereich deutlich: Der Wertverlust für eine 3090/200, die 1985 für rund fünf Millionen Dollars auf den Markt gebracht wurde, liegt nach Schätzungen von Hamilton bei 2,8 Millionen Dollar. Der Anwender, der sich heute wegen der Preisnachlässe des Herstellers einen größeren Rechner als nötig kaufe, müsse den rapiden Preisverfall mittragen. Indirekt mache er sich somit zu einem Instrument für den Hersteller, das dazu diene, die Verkaufszahlen in die Höhe zu treiben.

Über Preisreduktionen im Geschäft mit neuen Rechnern wolle die IBM auch Brokern die Kunden abspenstig machen. Bei einem Anteil von 40 Prozent des Gebrauchtcomputergeschäftes am Gesamtgeschäft mit Großrechnern fürchtet Big Blue die Konkurrenz älterer IBM-Rechnertypen, die nach Hamiltons Erfahrung mit entsprechenden Erweiterungen für den Bedarf der Leasing-Kunden häufig noch reichten.

Die Kontrolle der unliebsamen Konkurrenz übt IBM auch über die eigene Beteiligung am Leasinggeschäft aus. Damit habe sie auch die Chance, gebrauchte Anlagen vom Markt zu ziehen, die von Leasinggesellschaften sonst noch weitervermietet würden, beklagte sich Hamilton. Einen Ausweg aus dieser Abhängigkeit vom Marktführer sieht er darin, seinen Kunden deutlicher als bisher die Vorteile von Rechnern anderer Hersteller aufzuzeigen.