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COMDEX: Gates predigt XML

13.11.2000
Microsoft-Gründer Bill Gates hat am Sonntagabend mit seiner Keynote die Comdex Fall in Las Vegas eröffnet. Unter anderem kündigte er einen Tablett-PC an, der aber erst Mitte 2002 auf den Markt kommt.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Bill Gates, Gründer und inzwischen Chief Software Architect von Microsoft, eröffnete die amerikanische IT-Leitmesse Comdex Fall in Las Vegas mit einer zentralen Aussage: Die Industrie stehe vor dem Übergang in eine Ära "ungezwungener Innovation", in der alte Geschäftsmodelle wegfallen und durch Anwendungen auf Basis von XML (Extensible Markup Language) abgelöst werden.

Vor rund 12.000 Zuhörern im MGM Grand gewährte Gates einen Blick auf Teile der Produkt-Roadmap seines Unternehmens. Nach den "Pen-Windows"-Flops der 16-Bit-Vergangenheit ist man in Redmond offenbar der Ansicht, dass die Hardware inzwischen die nötige Leistung für einen "Tablet PC" bereitstellt. Diesen will Microsoft Mitte 2002 auf den Markt bringen. Hardware-Eckdaten: CPU mit 500 bis 600 Megahertz, 128 MB Arbeitsspeicher, eine 10-GB-Festplatte und den Win-9x/2000-Nachfolger "Whistler" als Betriebssystem.

Der Benutzer kann den gut zwei Zentimeter dicken Tablet PC sowohl in gewohnter Manier mit Maus und Tastatur als auch per Stifteingabe mit Handschrifterkennung ("Thinking Ink") steuern. Dabei lassen sich auch hingekritzelte Wörter etwa à la "Word" markieren und innerhalb des Textes verschieben. Produktion und Verkauf der tragbaren Rechner wird Microsoft wie üblich OEMs überlassen. Preislich sollen sich die Geräte - angeblich existieren bereits mehrere Hundert Prototypen - auf "Laptop-Niveau" bewegen.

In puncto Office betonte Gates die weit reichende XML-Integration der kommenden Version 10. "Microsoft und der Rest der Industrie sollten ihre Zukunft auf XML bauen", erklärte der Konzerngründer. Office 10 beispielsweise wird die Extensible Markup Language in der Tabellenkalkulation Excel und der Desktop-Datenbank Access nativ unterstützen. Wörter oder Daten lassen sich über die Meta-Auszeichnungssprache mit lokalen oder Internet-Inhalten verknüpfen.

Ein entsprechendes Feature namens "Smart Tags" befindet sich gegenwärtig im Betatest. Es ließe sich beispielsweise dazu nutzen, um branchenspezifische Office-Varianten zu erstellen. Ein Gates-Adlatus demonstrierte dies im Rahmen der Comdex-Show anhand einer Anwaltskanzlei. Diese versieht über Smart Tags ihre Dokumente mit Grundsatzurteilen und Gesetzestexten aus dem Web oder juristischen Datenbanken ("Blacks Law Dictionary").

Nicht auslassen konnte Gates natürlich einen kleinen Seitenhieb auf den Erzrivalen Sun Microsystems. Die McNealy-Company vertrete die These "Schafft endlich den PC ab - was soll´s, wenn die Privatsphäre dabei draufgeht". Statt der von Sun proklamierten Dominanz der Server setze Microsoft auf einen "Software-zu-Software"-Ansatz, so Gates. Die Anwendungen seien es, die Maschinen effektiver miteinander arbeiten ließen - egal ob Server-zu-Server, Server-zu-Client oder Client-zu-Client.

"Einige Leute glauben scheinbar immer noch, dass man den Client dümmer machen müsse, um den Server aufzuwerten", hämte Gates. Die Browser-basierte Zeit des Internet, in der alle Arbeit auf Servern abgelaufen sei und der Client nur die grafische Darstellung der Ergebnisse übernommen habe, gehe zu Ende. "Das Browser-Modell, das in den vergangen fünf Jahren im Mittelpunkt stand, ist in die Jahre gekommen", glaubt der Microsoft-Gründer, der natürlich weiterhin sicher stellen will, dass die Windows-Umsätze die Kassen seines Unternehmens füllen.

Auch Peer-to-Peer-Computing à la Napster sei kein Allheilmittel. "Wir können nicht zurück in die Steinzeit gehen und uns total am Client orientieren", erklärte Gates. Statt dessen gelte es, "Information Agents" zu etablieren, die die auf Servern lagernden Informationsmassen je nach Profil der Nutzer filtern und priorisieren könnten. Die Endgeräte könnten dabei vielgestaltig sein - neben dem Tablet PC führte der Chief Software Architect Microsofts kommenden Spielekonsole "X-Box", den "Auto-PC" sowie das hauseigene Smart Phone "Stinger Phone" ins Feld. Ein Zuhörer kommentierte dies mit den Worten: "Microsoft wird wohl das nächste Sony - sie haben Telefone, intelligente PCs und sogar Fernseher."

Zum Vergnügen der Zuschauer wurde übrigens auch noch ein spaßiges Video eingespielt, in dem Gates und sein Intimus und Microsoft-CEO (Chief Executive Officer) Steve Ballmer auf Rollern und in einem Motorrad mit Seitenwagen durch Seattle düsten, sich vergeblich am Basketballkorb und mit mehr Erfolg beim Softball bemühten.