Comdex-Aussteller geben sich optimistisch Multimedia: Ein wichtiger Hoffnungstraeger der Branche

04.06.1993

ATLANTA (gfh) - Die amerikanische DV-Industrie macht in Optimismus. Auf der Comdex wurde vor allem der Erfolg von Microsoft beschworen. Erste Anzeichen, dass die Branche diesem Vorbild nacheifert, entdeckten eine Reihe von Kongressreferenten in der grossen Angebotsvielfalt an Multimedia-Produkten.

Tatsaechlich wurden die Messebesucher vor allem auf den Ausstellungsflaechen der Windows-World von einer Fuelle an akustischen und optischen Eindruecken nahezu betaeubt. Ruhiger ging es auf der Comdex selbst zu, dort war Multimedia jedoch das mit Abstand haeufigste Konferenzthema. Auch die Keynote-Speaker Bill Gates (Microsoft), Jim Cannavino (IBMund Bob Palmer (DEC) befassten sich intensiv mit diesem Thema.

DEC-Chef Palmer positionierte die neuen Alpha-PCs als optimale Plattform fuer Multimedia-Anwendungen. Waehrend seiner Praesentation fuehrte er einen Dialog mit einer elektronischen Imitation seiner selbst namens "Dave". Dave konnte sein Aussehen veraendern und seine Lippen synchron zu dem gesprochenen Text bewegen - ein bis dahin nicht geloestes Problem der Multimedia-Technik. Das Palmer- Abbild fungierte als persoenlicher Sekretaer, der die verbal geaeusserten Terminanfragen und Flugbuchungswuensche seines Chefs ebenso in Echtzeit erledigte und bestaetigte. Er liess sich zumindest in dieser Vorfuehrung auch als Nachrichtenuebermittler einsetzen. Als Produkt wollte DEC Dave jedoch nicht ankuendigen.

Aehnlich problemlos erschien die Multimedia-Gegenwart bei der Vorstellung von OS/2 2.1 durch IBMs Topmanager Cannavino. Er fuehrte vor, wie einfach es in der hauseigenen Multimedia-Umgebung ist, Videodemonstrationen zu erstellen. Deutlich wurden dabei sowohl die Staerke als auch die Schwaeche der IBM bei dieser neuen Technik. Cannavino selbst berichtete, wie schwer es war und ist, alle IBM-Bereiche von der 370-Welt ueber die AS/400-Division bis zu den Unix-Herstellern in ein einheitliches Multimedia-Konzept einzubinden.

Produkte konnten

nur selten ueberzeugen

Nun jedoch sei das PC-Subunternehmen der IBM bereit, alle noetigen Funktionen zu integrieren. Erkauft wurde diese Faehigkeit jedoch durch die Einbindung von althergebrachten Techniken. So mussten die Multimedia-Objekte fuer die Demonstration mit SQL-Statements aus der Datenbank abgerufen werden.

Auch die Produkte auf den Messestaenden konnten die Anwender nur in seltenen Faellen ueberzeugen. Ein amerikanischer Mitarbeiter einer Kabel-TV-Station suchte auf der Comdex vergebens nach einem Produkt zur sendefertigen Aufbereitung von Fernsehsequenzen. Zu den Angeboten am IBM-Stand meinte er: "Entweder genuegt die Technik nicht den beim Fernsehen ueblichen Qualitaetsnormen, oder sie ist noch nicht verfuegbar."

Diese Kritik trifft jedoch

keineswegs nur die IBM. Laut

Anthony Slabinck, einem belgischen Anbieter von Buchhaltungssoftware, taugt ein Grossteil der gezeigten Hard- und Softwareprodukte nicht fuer den kommerziellen Einsatz. Er hat eben erst eine Firma gegruendet, die Multimedia-Dienstleistungen - vor allem elektronische Videoclips - fuer Werbezwecke anbietet. An der Comdex bemaegelt er vor allem das Fehlen von Produkten fuer die flimmerfreie Wiedergabe von Videosequenzen. Sein harsches Urteil: "Entweder tricksen die Anbieter, indem sie den verraeterischen Schwarzweiss-Kontrast vermeiden, oder sie fuehren ihre Produkte mit einem Equipment vor, das man nicht kaufen kann, weil sie es selbst zusammengeschustert haben."

In den Vortraegen der Hersteller ist von solchen Schwierigkeiten nur wenig zu hoeren. Dafuer wird klar, dass der Multimedia-Markt nur noch wenig mit dem klassischen DV-Geschaeft zu tun hat. Nach den Ausfuehrungen von Angela Aber, Executive Vice-President der Graphix Zone Inc., Irvin, Kalifornien, liegen die wichtigsten Absatzmoeglichkeiten in den Bereichen elektronischer Versandhandel und Unterhaltungselektronik sowie im Bildungssektor.

Noch ist jedoch laut Aber die richtige Infrastruktur fuer einen Multimedia-Boom nicht geschaffen. So fehlt es an einheitlichen Standards, an die sich die Anbieter halten koennten. Das gilt insbesondere fuer die Uebertragungsmedien. Auch ist noch keineswegs sichergestellt, dass Entwickler von Multimedia-Diensten auch die verschiedenen Hardwareplattformen erreichen koennen, auf denen ihre Produkte laufen sollen.