Collaboration-Software im Vergleich

24.06.2009
Nicht jedes Angebot eignet sich gleichermaßen für die virtuelle Zusammenarbeit wie ein Blick auf vier typische Produkte zeigt.

Von Damian Amherd und Steffen Engeser*

Außer den Systemvoraussetzungen sollten Unternehmen bei der Softwareauswahl besonders die Teamfunktionen heutiger Collaboration-Lösungen eingehend vergleichen. Diese umfassen die Aspekte Kommunikation und Koordination (E-Mail, Instant Messaging, Kalenderverwaltung und Projekt-Management), Kooperation (Desktop-Sharing oder Online-Whiteboards), Dokumenten-Management sowie Information-Sharing (Wikis, Blogs, Diskussionsforen etc.). Wie die Praxis zeigt, decken die zum Teil noch relativ jungen Produkte diese Aufgabengebiete bei weitem nicht alle gleich gut ab. Nachfolgend seien einige Eindrücke zusammengestellt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Microsoft Office SharePoint Server 2007

Das Server-Produkt, kurz MOSS 2007 genannt, integriert sich nahtlos in vorhandene Microsoft-Landschaften und stellt laut Hersteller ein Komplettpaket für den Austausch von Informationen, die Zusammenarbeit von Gruppen und Teams sowie die Steuerung von Prozessen zur Verfügung. Autoren überprüfen und veröffentlichen Dokumente, erfassen und teilen Wissen und wickeln ihre tägliche Arbeit prozessgesteuert durch Workflows ab. Zudem sind diverse Module enthalten, die man in wenigen Schritten konfigurieren kann, um einem Team oder einer Abteilung ein eigenes Portal zu schaffen. Allerdings kann MOSS nicht in jeder Disziplin überzeugen beziehungsweise fehlen gewisse (Standard-)Funktionen. In diesen Fällen kommen Anwender nicht um die Eigenentwicklung von Web-Parts oder Workflows herum. Zusatzprodukte von Partnern und Drittanbietern helfen MOSS zu komplettieren.

Die Nutzung von MOSS 2007 setzt den Windows Server 2003/2008 und Microsoft SQL Server 2003/2008 voraus. Die Lizenzierung läuft über Partner und ist relativ einfach gestaltet: zum einen nach der Anzahl der PCs/Server, zum anderen nach der Art der Lizenzierung (Kauf, Miete, Umfang). Letztlich ist der Preis aber oft Verhandlungssache, weshalb Listenpreise wenig Orientierung bieten.

Dank der guten Integration von MOSS mit den Office-Produkten können die Teammitglieder effektiv kommunizieren. Ein Beispiel ist das Erstellen eines Meeting-Workspace direkt beim Versenden der Meeting-Einladung über Outlook oder der Zugriff auf einen Teamkalender. Im Zusammenspiel mit dem "Microsoft Live Communication Server" können Anwender auch per Instant Messaging kommunizieren sowie Anwesenheitsinformationen innerhalb von MOSS darstellen.

Bei der Verwaltung unterschiedlicher Inhaltstypen arbeitet MOSS 2007 mit Listen und Listenelementen. So existiert mit der Dokumentenbibliothek ein spezieller Listentyp, der typische Dokumenten-Management-Funktionen bietet. Hierzu gehören der Up- und Download, die Versionierung, Check-in/-out und Workflows für Genehmigungen. Ferner stellt MOSS 2007 zahlreiche Templates zur Verfügung, mit denen man durch wenige Klicks verschiedene Seiten wie Wikis, Blogs, Umfragen, Diskussionsforen etc. erstellen kann. Zusätzlich zu diesen Standard-Templates gibt es Application-Templates für Projekt-Management, zur Verwaltung von Kursen oder zum Kontakt-Management.

Insgesamt macht MOSS 2007 einen stabilen Eindruck und eignet sich als Collaboration-Plattform auch für große Unternehmen. Einigen Nachholbedarf zeigt die Software noch in Bezug auf Mehrsprachigkeit und Content-Management. Diese Lücken sollen aber mit dem aktuellen Service Pack 2 und mit Office 14 geschlossen werden.

Alfresco Share: Open Source, aber nicht kostenlos

Alfresco ist vor allem als Anbieter der gleichnamigen quelloffenen Software für Enterprise-Content-Management (ECM) bekannt. Seit Herbst 2008 ist aber mit Version 3.0 von Alfresco auch die von den anderen Funktionen losgelöste Collaboration-Lösung "Alfresco Share" erhältlich, die der Hersteller als Alternative zu SharePoint bewirbt. Alfresco Share - betrachtet wurde Version 3.0.1 - läuft auf dem Tomcat-Server und kann unter anderem auf die Datenbanken MySQL, Microsoft SQL Server und Oracle zugreifen. Der Anwender benötigt lediglich einen Browser (Firefox, Internet Explorer oder Safari), wobei ein installierter Flashplayer hilfreich ist.

Die Zusammenarbeit organisiert Alfresco Share über Projekträume, die "Sites". Diese stellen Funktionen für Dokumenten-Management, Kalender, Blog, Wiki und Diskussionsforum bereit. Größte Schwachstelle dieser Sites ist sicher, dass sie nicht archiviert oder abgeschlossen werden können. Anwender, die bereits bei mehreren Projekten dabei waren, können so schnell die Übersicht verlieren.

Nachholbedarf offenbart die Collaboration-Software auch bei den Aspekten Kommunikation, Koordination und Kooperation. Da zum Beispiel Instant-Messaging- und Web-Conferencing-Funktionen fehlen, müssen Anwender auf Drittanwendungen zurückgreifen, um mit anderen Teammitgliedern zu kommunizieren. Ferner bietet der Kalender von Alfresco Share nur rudimentäre Funktionen und ermöglicht es beispielsweise nicht, "out of the box" ausgewählte Personen zu einem Termin einzuladen (eine Einladung geht automatisch an alle Mitglieder einer Site) oder deren Verfügbarkeit zu überprüfen. Auch für den Zugriff auf Ressourcen (Räume, Equipment etc.) gibt es von Haus aus keine Funktionen.

Deutlich ausgereifter ist das Dokumenten-Management. Ein- und Auschecken von Dokumenten verschiedener Dateitypen, Versionierung, WebDAV-Anbindung, Microsoft-Office-Integration ? alles ist da, auch wenn die Office-Integration über das Add-on "MyAlfresco" im Test nicht richtig funktionierte. In puncto Information-Sharing bietet Alfresco Share die Möglichkeit, auf Wikis, Diskussionsforen oder Blogs zurückzugreifen, die aber nicht ausgereift sind und sich nicht mit verbreiteten Stand-alone-Produkten wie Confluence, Wordpress oder MovableType messen können.

Unter dem Strich ist Alfresco Share vor allem wegen der Dokumenten-Management-Funktionen einen Blick wert. Allerdings ist nur die eher experimentelle "Labs Edition" kostenlos. Wer hingegen die stabile Enterprise Edition einsetzen möchte, muss sich auf Kosten ab 16.125 Euro pro Jahr und Server-CPU einstellen.

Lotus Quickr - der Sharepoint-Rivale

Mit Lotus Quickr ist auch IBM mit einer Collaboration-Lösung am Start, die in einer Notes/Domino-Umgebung besonders elegant funktioniert, jedoch auch ohne diese auskommt. In Quickr (Version 8.1 mit Quickr Connectors 8.1) erfolgt die Zusammenarbeit vor allem in Projekträumen, die IBM "Places" nennt. Sie stellen eine Dokumentenbibliothek, ein Diskussionsforum, Kalender und Aufgabenlisten bereit.

Richtig auftrumpfen kann Quickr bei der Dokumentenverwaltung: Dank verschiedener Konnektoren ist ein direkter Zugriff auf Office-Anwendungen (inklusive Outlook), Lotus Notes, Lotus Symphony und dem Windows Explorer möglich. Ferner können Nutzer über das Web-Interface in Places gespeicherte Dokumente abrufen und diese ein- oder auschecken. Einzig die Versionierung wollte im Test nicht klappen. Anders sieht es hingegen bei den gebotenen Projekt-Management-Funktionen aus. Diese sind allerdings eher einfach gehalten und ermöglichen es, Aufgaben mit einem Start- und Enddatum zu versehen und Teammitgliedern zuzuweisen. Komplexere Ansichten (beispielsweise Gantt-Diagramme) oder verschiedene Sortiermöglichkeiten existieren nicht.

Was das Information-Sharing betrifft, wartet Quickr mit den üblichen Funktionen (Blogs, Wikis, Diskussionsforen) auf. Blogs und Wikis kann man jedoch "out of the box" keinem spezifischen Projektraum zuweisen, sondern der Anwender muss zunächst einen eigenen Place nur für das Wiki öffnen. Dieses Manko soll in den nächsten Versionen behoben werden. Ebenso konnte die mit Quickr gebotene Suchfunktion im Test nicht überzeugen.

Alles in allem ist Quickr eine der wenigen Lösungen, die es derzeit funktional und kostenseitig mit MOSS 2007 aufnehmen kann. Mit 85 Euro pro Nutzerlizenz bietet Quickr ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und in Verbindung mit Sametime ein schlagkräftiges Softwarepaket, das die tägliche Arbeit kräftig erleichtern kann. Für kleine Firmen könnte auch die Collaboration-Lösung "LotusLive Engage" interessant sein, die mit einem ähnlichem Funktionsumfang im Web-2.0-Look aufwartet und als Hosting-Angebot (Software as a Servce) erhältlich ist.

Oracle Beehive: freie Client-Wahl für alle

Die Collaboration-Software "Oracle Beehive" hat ihren Ursprung in der "Oracle Collaboration Suite" und ist insofern speziell, als sie es den Anwendern freistellt, mit welchem Client sie Beehive nutzen wollen. So können Teammitglieder das Web-Interface, Outlook, Thunderbird, Zimbra oder Trillian (für Instant Messaging) verwenden. Server-seitig läuft Oracle Beehive sowohl auf Windows- als auch auf Unix/Linux-Maschinen, und die Daten werden in eine Oracle-Datenbank geschrieben (Oracle 10g oder höher).

Die Zusammenarbeit in Oracle Beehive (Version 1.4.3) erfolgt über "Workspaces", in denen die Anwender ihre Dokumente abspeichern können. Im Vergleich zu den anderen vorgestellten Lösungen ist das Dokumenten-Management in Oracle Beehive jedoch etwas weniger ausgereift: So kann der Anwender auf den Workspace zwar via Outlook oder Web-Interface zugreifen - eine klassische Integration in Office gibt es jedoch nicht (dafür existiert innerhalb von Outlook eine ausgereifte Vorschaufunktion für Dokumente). Ferner ist das Ein- und Auschecken von Dokumenten sehr fehleranfällig, und weitere Extras sucht man vergeblich. So sind zum Beispiel "out of the box" keine Projekt-Management-Tools geboten. Die Möglichkeit, Tasks mit einer Deadline zu versehen und bestimmten Mitarbeitern zuzuweisen, wäre aber im Collaboration-Kontext hilfreich.

Problemlos funktionieren hingegen E-Mail als auch Instant Messaging, allerdings muss der Anwender mit zwei verschiedenen Clients arbeiten, wenn er beide Kommunikationsformen nutzen möchte: beispielsweise Outlook für E-Mail und Pidgin, Trillian oder andere Applikationen für Instant Messaging, sofern sie das Extensible Messaging and Presence Protocol (XMPP) unterstützen. Auch Calendaring ist mit Beehive kein Problem und klappt via Outlook, Zimbra oder Mozilla (Sunbird oder Lightning) sehr gut. Völlig fehlen hingegen typische Funktionen für Information Sharing wie Blogs oder Wikis. Dafür besteht immerhin die Möglichkeit, innerhalb eines Workspace Notizen zu posten.

Ob Unternehmen angesichts der teilweise rudimentären oder fehlenden Funktionen bereit sind, für Beehive 120 Dollar pro Nutzerlizenz zu bezahlen, bleibt abzuwarten. Bloße Software für E-Mail und Instant Messaging gäbe es auch billiger zu bekommen. Ebenso erwarten Anwender ausgefeiltere Funktionen im Dokumenten-Management. Schließlich müssen sich Unternehmen auch fragen, ob sie wirklich eine Vielzahl von Clients für Collaboration in ihrer IT-Landschaft betreiben wollen, oder ob es nicht sinnvoller wäre, beim herkömmlichen Client-Server-Modell zu bleiben. Deshalb das Fazit bei Beehive: im Auge behalten (nicht zuletzt auch, weil es rasant weiterentwickelt wird), jedoch nichts überstürzen.

Für jeden etwas dabei

Schon der kurze Überblick macht deutlich, dass es heute einige Collaboration-Lösungen gibt, die auch den Ansprüchen großer Unternehmen gerecht werden können. Perfekt ist aber keine der vorgestellten Lösungen und eine Pauschalempfehlung ohne eine detaillierte Anforderungsanalyse nicht möglich. Als kleine Orientierungshilfe kann die Tabelle dienen, welche die wesentlichen Stärken und Schwächen der vorgestellten Lösungen andeutet. Ferner finden sich weitere Collaboration-Produkte im Markt, die ebenfalls einen Blick wert sind. Hierzu zählen beispielsweise Jive, Huddle oder Collanos Workplace.

*Damian Amherd und Steffen Engeser sind Berater und Projekt-Manager bei der Web-Agentur namics in St.Gallen.

Nicht bei allen Collaboration-Produkten konnten die Teamfunktionen vollauf überzeugen.

Kommunikation/ Koordination

Kooperation

Dokumenten-Management

Information-Sharing

MOSS 2007

+++

++

+++

+++

Alfresco Share 3.0.1

+

+

++

+++

Lotus Quickr 8.1 (Quickr Connectors 8.1)

+++

+++

+++

++

Oracle Beehive 1.4.3

++

++

+

-

Legende: +++ sehr gute Funktionen; ++ gute Funktionen; + mäßige Funktionen; - Funktionen in der getesteten Version nicht vorhanden.

Anmerkung: Mittlerweile ist Oracle Beehive in Version 1.5 verfügbar.