CITE-Roundtable

Collaboration in Zeiten von Mobile und Social Media

16.12.2013
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Im Rahmen der COMPUTERWOCHE-Veranstaltung CITE (Consumerization of IT in the Enterprise) diskutierte CW-Redakteur Joachim Hackmann mit Experten und IT-Entscheidern darüber, was Firmen konkret oder generell im Bereich Collaboration unternehmen, was die Tools leisten und wie man auch die Mitarbeiter mitnimmt.
Die Diskussionsrunde (v. l. n. r.): CW-Redakteur Joachim Hackmann, Dan Bieler (Forrester), Dr. Michael Rödel (Bionorica) und Thomas Henkel (Amer Sports)
Die Diskussionsrunde (v. l. n. r.): CW-Redakteur Joachim Hackmann, Dan Bieler (Forrester), Dr. Michael Rödel (Bionorica) und Thomas Henkel (Amer Sports)

Ganz neu sei das Thema Collaboration ja per se nicht, stellt Dan Bieler, Principal Analyst bei Forrester Research, gleich zu Beginn der Diskussion klar: Unified Communications gebe es schließlich schon seit gut zehn Jahren. Verändert habe sich seiner Ansicht nach allerdings, dass nun beispielsweise ausreichend Bandbreite für die Nutzung von Video vorhanden sei, Social-Media-Kanäle eingebunden wurden und es schließlich auch die Bereitschaft gibt, mit Instant Messaging zu arbeiten. Und da vielfach die alte TK-Anlage nicht mehr den Ansprüchen genüge, so Bieler, überlegten sich viele Firmen nun, ob und wie sie dabei auch die Thematik Collaboration angehen wollten.

Der Forrester-Analyst verweist aber noch auf einen anderen Aspekt, der eher aus dem operationellen Umfeld kommt: Die Firmen hätten erkannt, dass Talent Management als Teil von Collaboration ein wichtiges Thema ist, um die richtigen Teams an ein Thema zu setzen oder um sich in einem veränderten Geschäftsumfeld besser organisieren zu können. Collaboration als der Austausch von Wissen sei somit der erste Schritt, um Knowledge Management sicher und sinnvoll einsetzen zu können. In Folge tauchten dann auch diverse Begleitthemen auf, etwa, wie man sicherstellt, dass das Wissen im Unternehmen bleibt oder Compliance-Richtlinien eingehalten werden. Ein anderer Punkt, etwa im Utility- oder Versorger-Umfeld sei das Messen, wie lange es dauert, bis eine Beschwerde oder ein Problem adressiert wird, erklärt Bieler. Da helfen solche Tools sehr stark und die Firmen erkennen, dass es wichtig ist, sich darüber Gedanken zu machen. "Wir wissen ja alle, wie lange es manchmal in Unternehmen dauert, Informationen darüber zu finden, wer was zu welchem Thema weiß."

Was darf wem zugänglich gemacht werden?

"Forschung und Wissen müssen in einem geschützten Raum stattfinden." Dr. Michael Rödel, Bionorica
"Forschung und Wissen müssen in einem geschützten Raum stattfinden." Dr. Michael Rödel, Bionorica
Foto: Rödel, Bionorica

Welchen Stellenwert Wissens-Management für sein Unternehmen darstellt, beschreibt Dr. Michael Rödel, Vorstand und Finanzen bei Bionorica, folgendermaßen: "Als forschendes Pharmaunternehmen ist das Wissen der Treiber für die Zukunft, das heißt, wir müssen in unserer internationalen Organisation Wissen einsammeln und wieder verteilen können und das alles möglichst geschützt." So kommt es auch wenig überraschend, wenn Rödel berichtet, dass Bionorica dafür eine eigene Abteilung "Intellectual Property" unterhält, die nicht nur das klassische Thema Patente oder Markenrechte behandelt, sondern sich auch mit dem Wissens-Management beschäftigt. Im Zentrum stehe dabei die gar nicht so triviale Frage, welches Wissen das Unternehmen braucht und was davon wem zugänglich gemacht werden darf. Unterteilt würden die Informationen dabei in Sicherheitsstufe 1,2 und Corporate Trust.

Die Zusammenarbeit bei Bionorica sei nicht zuletzt deswegen eine Herausforderung, weil das Unternehmen in Projekten mit einem Forschungsnetzwerk von Professoren weltweit zusammenarbeite, betont der Wirtschaftswissenschaftler. Bevor es an die Auswahl von Collaboration-Tools oder Storage-Lösungen gehe, komme daher die Überlegung "Was definiere ich als Unternehmen als relevantes Wissen?. Erst im zweiten Schritt gehe es um die Handhabung oder Absicherung.

Bei den Lösungen nutzt Bionorica unter anderem Sharepoint, Videokonferenzen sowie Active Directory als Basis darunter. Außerdem habe das Pharmaunternehmen selbst eine Key-Opinion-Leader-Datenbank programmiert. Von Cloud-Lösungen lässt Rödel dagegen die Finger, nicht zuletzt in Hinblick auf die NSA-Affäre. "Wir wissen genau, dass wir nicht alles schützen können", räumt er ein, "aber wir können immerhin 99 Prozent abdecken." Die Vorsicht sei bei Bionorica nicht ganz unbegründet, führt Rödel aus. Falls etwa die Rezeptur des Hauptprodukts Sinupret in falsche Hände gerate, könnte das Unternehmen dicht machen. "Forschung und Wissen", so sein Credo, "müssen in einem geschützten Raum stattfinden."

Auch beim Einsatz von Social Media ist Bionorica restriktiv. "Wir spielen zur Zeit etwa das Thema Facebook überhaupt nicht", berichtet der IT-Verantwortliche des fränkischen Unternehmens. Begründung: Generell sei es Bionorica wegen des Heilmittelwerbegesetzes untersagt, Social Media für die Produktwerbung einzusetzen. Für die interne Nutzung untersage man es den Mitarbeitern nicht aktiv, so Rödel, sondern fahre eine Offensiv-Strategie: Man habe den Außendienst mit iPhones und iPads ausgestattet, passende Anwendungen ausgesucht und deren Nutzung per Whitelistung gestattet. "Sicher ist nicht jeder Mitarbeiter damit zufrieden, aber jeder weiß, dass wir da gewisse Reglementierungen haben", erklärt der IT-Chef.

Collaboration setzt hierarchische Unternehmen unter Druck

"Heute suche ich Informationen und warte nicht mehr, dass sie mir jemand bereitstellt" Thomas Henkel, Amer Sports
"Heute suche ich Informationen und warte nicht mehr, dass sie mir jemand bereitstellt" Thomas Henkel, Amer Sports
Foto: Amer Sports

Aus Sicht von Thomas Henkel, Vice President "Group Operational Integration"und früherer CIO von Amer Sports Corporation, hängt die Social-Media-Nutzung stark von der Industrie ab, in der man sich bewegt. Sein Unternehmen, besser bekannt durch die Marken Salomon und Atomic, verkaufe Sportgeräte, noch dazu Saison-Ware, außerdem sei es aufgrund der Historie als eine Reihe zugekaufter Unternehmen weltweit unterwegs, da böten Collaboration-Plattformen ganz andere Arten der Zusammenarbeit, erklärt er. Gleichzeitig sei aber auch eine enge Beziehung zu dem Konsumenten gewünscht, um Produkte zu erklären oder Rede und Antwort zu stehen.

Auf diesem Gebiet habe sich in den letzten Jahren Einiges verändert, resümiert Henkel, zum einen die Werkzeuge, zum anderen die Bereitschaft, diese zu nutzen. Entsprechend gerieten sehr hierarchische Unternehmen immer mehr unter Druck, weil das früher übliche Ausblocken von Informationen nicht mehr so umsetzbar sei - jüngere Mitarbeiter seien einfach anders aufgewachsen.

Mit dem Begriff Knowledge Management hat Henkel dagegen so seine Probleme - er ist ihm zu hochgestochen. Im Endeffekt komme es doch nur auf den schnellen unkomplizierten Zugang zu Informationen an, erklärt er. Dies sei bei heutigen Suchmaschinen aber kein Problem mehr. "Die Informationen liegen immer noch irgendwo in File-Verzeichnissen, nur kann ich die heute einfacher zur Verfügung stellen wie noch vor 15 Jahren", erklärt er. Geändert habe sich seiner Meinung neben der Technik aber auch die Arbeitsweise: "Ich suche Informationen und warte nicht, dass sie mir jemand bereitstellt - egal, ob sie im gleichen Stockwerk liegen oder in einem weltweiten Unternehmen."

Henkel weist allerdings darauf hin, dass dennoch so manches Unternehmen am Knowledge Management scheitere, da dies eine gewisse Freiwilligkeit, ein Mitmachen voraussetze. So bräuchten Knowledge Bases eine kritische Masse an Teilnehmern, die ihr Wissen bereitstellen.