Collaboration am Schreibtisch im Web

21.02.2008
Von 
Nicole Dufft ist Independent Vice President – Digital Enterprise PAC
Richtig eingesetzt, können Online-Collaboration-Tools Online- und Offline-Anwendungen sowie Kollaborations-, Koordinations- und Kommunikationsfunktionen integrieren.

Schade, dass das Wort Kollaboration in Deutschland einen so negativen Beiklang hat. Denn dadurch wird im Deutschen für den englischen Term "Collaboration" meist der Begriff "Zusammenarbeit" verwendet. Er trifft aber nicht genau, was mit "Collaboration" im Sinne eines gemeinsamen Arbeitens an Inhalten, der Weiterentwicklung von Ideen und dem Austausch von Wissen zwischen verschiedenen Partnern gemeint ist. Collaboration steht nicht nur bei Softwareanbietern derzeit ganz oben auf der Entwicklungs- und Marketing-Agenda, sondern wurde auch als Schwerpunkt auf dem diesjährigen World Economic Forum in Davos unter dem Begriff "Collaborative Innovation" intensiv diskutiert.

Denn effiziente Zusammenarbeit und Wissensaustausch sind in den vergangenen Jahren anspruchsvoller geworden. Das bestätigen fast 90 Prozent der Fachbereichsleiter größerer deutscher Unternehmen in einer repräsentativen Umfrage von Berlecon Research im Auftrag des Softwarehauses Coremedia aus Hamburg. Die Gründe für die zunehmende Bedeutung von Collaboration sind zahlreich und wirken sich stark auf unser tägliches Arbeitsumfeld aus:

Hier lesen Sie …

warum Anwender in Unternehmen Bedarf an Online-Collaboration haben;

welche Methoden der Online-Zusammenarbeit es gibt;

dass Angestellte einfache, Internet-gestützte Werkzeuge für die Teamarbeit an der IT-Abteilung vorbei nutzen;

dass Online-Tools besonders effizient sind, wenn sie sich mit Desktop-Software verbinden lassen;

dass viele Werkzeuge Kommunikationsmedien nur unzureichend einbinden, obwohl sie große Vorteile daraus ziehen könnten.

  • Unternehmen agieren vermehrt in globalen Wertschöpfungsnetzen. Die Zahl der in Unternehmensprozesse eingebundenen Partner steigt sowohl in der Beschaffung, Entwicklung und Produktion als auch im Vertrieb und bei kundennahen Prozessen.

  • Arbeit wird immer seltener in einzelnen Abteilungen definiert, sondern erfolgt häufiger projektbasiert und unternehmensübergreifend. Teams arbeiten oft zeitlich begrenzt und in unterschiedlichen Konstellationen an Projekten zusammen. Und das in aller Regel nicht nur unternehmensintern und von einem Standort aus, sondern über Unternehmensgrenzen, Länder und auch Zeitzonen hinweg.

  • Teams müssen mobil sein und ihre Aufgaben unabhängig von Ort und Zeit erledigen können: ob beim Kunden in London, beim Lieferanten in China oder vom Schreibtisch in Oberbayern aus.

  • Gleichzeitig müssen diese Teams schnell und flexibel reagieren, Entscheidungen treffen und Ergebnisse liefern können; lange Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse sind da hinderlich.

E-Mail und Kalender reichen nicht

Ein solches Arbeitsumfeld erfordert neue IT-Ausstattung. Der reine Austausch von Dateien, Terminplänen oder Aufgaben per E-Mail ist dabei nicht mehr wirklich zeitgemäß. Doch anscheinend wird die ITK-Ausstattung in deutschen Unternehmen den neuen Anforderungen nicht gerecht: Weniger als die Hälfte der im Rahmen der Studie "Enterprise 2.0 in Deutschland" befragten Fachverantwortlichen fühlen sich durch die ITK-Systeme ihrer Firma ausreichend unterstützt.

Vor diesem Hintergrund haben Web-basierende Collaboration-Tools in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Denn Web-basierende Anwendungen erfüllen einige wesentliche Voraussetzungen für die effiziente Zusammenarbeit über räumliche und organisatorische Grenzen hinweg: Sie erlauben den Zugriff auf Anwendungen und Daten unabhängig von Endgeräten und Betriebssystemen. Der Browser und ein breitbandiger Internet-Zugang sind der kleinste gemeinsame Nenner für die Zusammenarbeit im Netz. Gerade für Projekte, die zeitlich begrenzt und mit wechselnden Partnern mit unterschiedlicher ITK-Ausstattung betrieben werden, bieten sich Web-basierende Applikationen an. Zudem sind die Anwendungen oft nach Bedarf (on Demand) ohne hohe Anfangsinvestitionen und Implementierungskosten einsetzbar.

Web-Collaboration und -Kommunikation

Im Internet finden sich zahlreiche Online-Angebote zur Unterstützung von Teamarbeit. Das Spektrum reicht von Open-Source-Plattformen über Freeware bis hin zu Angeboten der Softwareriesen im Betastadium. Unterteilen lassen sich die Online-Collaboration-Tools zunächst nach der Form der Zusammenarbeit, die sie unterstützen. Man kann unterscheiden zwischen

  • Zusammenarbeit im engeren Sinne,

  • Koordination und

  • Kommunikation.

Zur ersten Kategorie der Collaboration-Tools im engeren Sinne zählen zum einen Desktop- und Application-Sharing. Diese erlauben es Nutzern beispielsweise, sich über das Web virtuell gegenseitig auf den Bildschirm zu schauen und Anwendungen zu nutzen. Damit können Nutzer beispielsweise Grafiken gemeinsam betrachten und bearbeiten, die sie sonst aufwändig als Datei per E-Mail hin- und herschicken müssten. Andere Online-Tools ermöglichen das Hinterlegen, den Zugriff und die Verwaltung von Dateien in gemeinsamen, geschützten Ordnern im Netz.

Darüber hinaus zählen zu den Online-Collaboration-Tools auch Werkzeuge wie Wikis (Sammlung von als Web-Seiten angelegten Artikeln mit integrierter Editierfunktion), in denen Teams Inhalte gemeinsam und dynamisch à la Wikipedia bearbeiten sowie Dokumente, Links oder Zeitpläne hinterlegen können. Ebenso lassen sich Blogs (öffentliche Online-Tagebücher) oder Social-Bookmarking-Systeme für den projektbasierenden Erfahrungs- und Wissensaustausch nutzen. Social Bookmarking erlaubt es einer Gemeinschaft von Internet-Usern, Lesezeichen zu sammeln, zu kommentieren beziehungsweise zu bewerten.

Zur zweiten Kategorie, den Anwendungen für die Koordination von Teams, zählen Web-basierende Projekt-Management und Groupware-Anwendungen. Sie erlauben es einer Gruppe von Nutzern, gemeinsame Kalender und Arbeitspläne zu verwalten, Aufgaben und Ressourcen zuzuordnen und Meilensteine festzulegen.

Die Kategorie der Web-basierenden Kommunikationswerkzeuge hat in den vergangenen Jahren nicht zuletzt dank des Internet-Telefonie-Systems Skype hohe Popularität erlangt und sich von der privaten Nutzung zunehmend auch in Unternehmen ausgebreitet. In vielen Firmen haben Web-basierende Sprach-, Instant-Messaging- und Präsenz-Management-Anwendungen die traditionelle E-Mail ergänzt - allerdings oft in Eigenregie der Mitarbeiter, ohne Abstimmung mit der IT-Abteilung. Instant Messaging (IM) erlaubt es registrierten Teilnehmern, Textnachrichten auszutauschen. Über ein Präsenz-Management können IM-Nutzer sehen, welche Kollegen ebenfalls online sind. Gleichzeitig kann ein IM-Mitglied aber signalisieren, zwar gerade online, aber nicht verfügbar zu sein.

Hinzugekommen sind Web-basierende Web- und Videokonferenzsysteme, mit deren Hilfe Nutzer auch ohne aufwändige technische Infrastruktur Ad-hoc-Konferenzen über das Internet initiieren können. Diese sind teilweise ohne vorherige Installation eines Desktop-Clients und über ein Pay-per-Use-Preismodell nutzbar.

Am Angebot an Werkzeugen für die Zusammenarbeit im Netz dürfte es nicht mangeln. Gemeinsam ist vielen Web-basierenden Collaboration-Verfahren, dass sie ohne großen technischen und finanziellen Aufwand, oft sogar kostenlos, genutzt werden können.

Voraussetzungen für Blogs, Wikis und Networking

Obwohl oder gerade weil die Nutzung der Werkzeuge so leicht möglich ist, sollten die ITK-Abteilungen der Unternehmen sich intensiv mit dem Bedarf ihrer Mitarbeiter in puncto Collaboration auseinandersetzen. Wenn die Unternehmens-ITK nicht bietet, was sich die Nutzer wünschen, greifen diese gerne zur Selbsthilfe, notfalls an den ITK-Verantwortlichen vorbei. Das hat negative Folgen, denn einerseits entsteht ein Wildwuchs an Verfahren, andererseits führt dies mitunter zu Sicherheitslücken, weil ohne Vorkehrungen über die Web-gestützte Kommunikation Computerviren und -würmer eingeschleppt sowie Hacker-Angriffe begünstigt werden können.

Eine wesentliche Herausforderung bei der Web-basierenden Zusammenarbeit liegt in der Verknüpfung unterschiedlicher Anwendungen und Informationsquellen. Die Verbindung von Kollaborations- und Koordinationsfunktionen bieten integrierte Kollaborationsplattformen, die beispielsweise Kalender, Projekt- und Ressourcen-Management, Bookmark-Sammlungen, Doku-menten-Management, Wikis, Blogs und Networking-Tools vereinen. Letztere sind Websites, auf denen registrierte Anwender persönliche Profile erzeugen und mit anderen Teilnehmern Geschäftskontakte eingehen können.

Verbindung zum Windows-Desktop

Um solche Web-basierenden Plattformen effizient ins Unternehmen einzubinden, sollten diese aber auch Möglichkeiten zur Verknüpfung und Synchronisierung mit Desktop-Anwendungen bieten. Denn sonst besteht leicht die Gefahr der "doppelten Buchführung", wenn beispielsweise Kalender- oder Kontaktinformationen aus verschiedenen Anwendungen nicht synchronisiert werden. Ein Teammitglied sollte Termine aus einem Projektkalender im Web automatisch mit seinem Unternehmenskalender abgleichen können, auf den auch seine Kollegen Zugriff haben, die nicht in das Projekt involviert sind.

Während solche Plattformen im Web bereits Kollaborations- und Koordinationsfunktionen integrieren, steht der Schritt zur Integration der Kommunikation oft noch aus. Doch erst, wenn Werkzeuge für Kollaboration, Kommunikation und Koordination ineinandergreifen, können Teams produktiv zusammenarbeiten. Ein Beispiel wäre, dass sich Kalendereinträge mit Präsenzinformationen verknüpfen lassen: So könnte der Präsenzstatus des Mitarbeiters auf "Meeting" wechseln, wenn die Besprechung beginnt. Hilfreich ist es ferner, wenn man beim gemeinsamen Bearbeiten eines Dokuments über in der Web-Oberfläche hinterlegte Kontaktinformationen ad hoc eine Web-Konferenz mit anderen Projektmitgliedern starten kann. Bei der Integration von Kommunikationsfunktionen stoßen sowohl Web-basierende als auch viele Desktop-Anwendungen aber noch an ihre Grenzen.

Trotz aller technischer Entwicklungen der letzten Jahre wird sich wohl kaum die gesamte Arbeitswelt auf das Netz verlagern und nur noch der Web-Browser das alleinige Werkzeug sein. Web- und Desktop-basierende Anwendungen dürften auf absehbare Zeit nebeneinander existieren: Die Desktop-Anwendungen quasi als "Home Base" und die Web-basierenden Applikationen zur Verknüpfung mit dem Rest der Welt. (fn)