Datenbankanbindung an das Web (Teil 5)

Cold Fusion ermöglicht komplexe Anwendungen

07.11.1997

Das in Massachusetts ansässige Unternehmen kann im schnellebigen Internet bereits mit einer beachtlichen Vita aufwarten. Schon im Juli 1995 brachte die amerikanische Firma ihr Web-Tool für Datenbanken, "Cold Fusion 1.0", auf den Markt. Inzwischen liegt die Version 3.0 vor, die gegenüber der ursprünglichen Ausführung mit eine Reihe von Verbesserungen aufwarten kann.

Allaire orientiert sich mit Cold Fusion am klassischen Client-Server-Modell des World Wide Web (siehe Grafik). Anfragen eines Browsers an eine Cold-Fusion-Anwendung nehmen den Weg über den Web-Server, der sie seinerseits über Schnittstellen wie das Common Gateway Interface (CGI) an den Applikations-Server "Cold Fusion Engine" weiterreicht. Beim Eintreffen einer Abfrage wertet dieser die in eine Web-Seite eingebetteten Befehle aus, gibt sie an die Datenbank weiter und schickt das Ergebnis der Abfrage als dynamisch generierte HTML-Seite an den HTTP-Server zurück. Die Engine ist damit das Kernstück des Web-Werkzeugs.

Die Anwendungsentwicklung erfolgt in Allaires Cold Fusion Markup Language (CFML). Dank Kontrollstrukturen wie Schleifen und bedingter Anweisungen sowie der Möglichkeit, eigene Prozeduren zu erstellen, präsentiert sich diese als leistungsfähige Scriptsprache. Die CFML-Auszeichnungen erlauben dem Entwickler, SQL-Anweisungen direkt in HTML-Seiten zu integrieren. Insgesamt stehen rund 150 Funktionen zur Verfügung, mit denen sich Zeichenketten, Zahlenwerte und Datumsangaben manipulieren lassen.

Wer bei Cold Fusion eine visuelle Entwicklungsumgebung erwartet, wird enttäuscht. Lediglich für die ersten Schritte kann der Anwender auf einen Wizard zurückgreifen. Alle weiteren Arbeiten an einer Anwendung müssen mit einem normalen Texteditor erledigt werden. Für erfahrene Programmierer mag das keine Schwierigkeit oder sogar von Vorteil sein.

Allerdings hat die Allaire Corp. den Ruf nach einer komfortablen Programmierumgebung erhört und wird eine solche gegen Ende des Jahres als separates Produkt anbieten. Es soll in den USA rund 300 Dollar kosten und noch in diesem Jahr erhältlich sein.

Dieses "Cold Fusion Studio" wird unter anderem einen visuellen Query-Builder und das Versionskontrollsystem "Starbase" enthalten. Zudem ist eine Unterstützung für "MS Sourcesafe" oder Intersolvs "PVCS" angekündigt.

Die Administration der Cold Fusion Engine erfolgt über einen Browser. Über Netscapes Communicator oder Microsofts Internet Explorer lassen sich alle Cold-Fusion-Richtlinien verwalten. Auch das Debugging einer Anwendung läuft im Falle eines Programmierfehlers über den Web-Client.

Performance-Probleme, die der Datenbankbetrieb im Web häufig mit sich bringt, versucht Allaire auf vielfältige Weise zu umgehen. Über globale Session-Variablen lassen sich persistente Datenbankverbindungen aufbauen, um zeitraubende Logon- und Logoff-Operationen zu vermeiden. Zur Verringerung der Festplattenzugriffe werden häufig abgefragte Seiten vom Applikations-Server im Speicher gehalten. Wer die durch das CGI entstehenden Leistungseinbußen vermeiden möchte, kann Cold Fusion über Net-scapes oder Microsofts Programmier-Schnittstellen (NSAPI, ISAPI) direkt in den Web-Server einbinden.

Damit der in die Seiten eingebettete CFML-Code schneller abläuft, hat sich Allaire einer Technik bedient, die von der Programmiersprache Java bekannt ist. Über einen Just-in-time-Compiler wird die geringere Ausführungsgeschwindigkeit von interpretierten Programmiersprachen verbessert. Und zu guter Letzt ist der Applikations-Server als nebenläufiger Dienst unter Windows NT implementiert, so daß er die höhere Leistungfähigkeit von Symmetrisches-Multiprocesing-(SMP-) Maschinen ausnutzen kann.

Intranet-Anwendungen mit Cold Fusion müssen sich nicht auf Datenbankoperationen beschränken. Für die Anwendungsentwicklung bietet der Hersteller nämlich eine Reihe nützlicher Zusatz-Tools an, die über CFML eingebunden werden. Wer beispielsweise seine Web-Site um eine Volltextsuche erweitern möchte, dem steht das Retrieval-Werkzeug "Verity Search 97" zur Verfügung.

Unterstützung für Mail und Verzeichnisdienste

Dynamische Berichte lassen sich mit dem Report-Generator "Crystal Reports 5.0" erzeugen. Da Cold Fusion auch die Protokolle SMTP und POP 3 beherrscht, können Informationen via elektronischer Post in die Anwendung eingefügt oder daraus versendet werden. Außerdem erlaubt das Produkt die Abfrage von LDAP-kompatiblen Verzeichnissen.

In der Version 3.0 läßt sich zudem der Funktionsumfang des Applikations-Servers aufgrund der eingebauten COM/DCOM-Unterstützung durch Active-X-Komponenten erweitern. Alternativ kann der Entwickler dafür mit dem CFAPI (Cold Fusion Application Programming Interface) eine C++-Schnittstelle nutzen. Im Internet hat sich eine regelrechte Cold-Fusion-Gemeinde gebildet, die ganze Bibliotheken solcher Schnittstellen-Programme sammelt und jedermann kostenlos zur Verfügung stellt. Cold Fusion präsentiert sich daher als ausgefeiltes Tool zur Lösung komplexer Programmierprobleme, denen sich ein Webmaster bei seiner täglichen Arbeit gegenübersieht.

Cold Fusion 3.0 ist in zwei Ausgaben erhältlich. Die kleinere "Workgroup Edition" kann nur auf Daten von "MS Access", "MS Foxpro", Borlands "Paradox" und "Dbase" zugreifen. Die Professional-Variante hingegen vermag beliebige Datenquellen über ODBC-Treiber zu nutzen. Systemvoraussetzungen: Cold Fu- sion 3.0 läuft unter Windows 95 und NT. Eine Solaris-Version ist ab Dezember 1997 erhältlich.

Weitere Informationen sowie eine auf 30 Tage begrenzte Testversion finden sich unter http://www.allaire.com.

*Thomas Nitsche arbeitet als freier Autor in München.