Cognos bringt IBM zurück ins Anwendungsgeschäft

15.11.2007
Mit dem Kauf des Herstellers von Business-Intelligence-Software verändert Big Blue seine Strategie. SAP und Oracle sind die Gegner.

Von CW-Redakteur Sascha Alexander

Die Übernahme in Zahlen

58 Dollar pro Cognos-Aktie bietet IBM. Dies entspricht etwa fünf Milliarden Dollar (oder einem Aktienaufschlag von lediglich neun Prozent).

Cognos wurde 1969 gegründet. Firmensitz ist Ottawa, Kanada. Das Unternehmen beschäftigt etwa 4000 Mitarbeiter und zählt 23 000 Kunden sowie rund 3000 Partner und Reseller.

Cognos bietet mit "Cognos 8 BI" eine integrierte Softwareplattform für BI und CPM und erwirtschaftete im letzten Geschäftsjahr (Ende: 29. März 2007) 979,3 Millionen Dollar bei 159,9 Millionen Dollar Nettogewinn.

Es ist die teuerste Übernahme in der Geschichte der IBM: Fünf Milliarden Dollar will Big Blue für das kanadische Softwarehaus Cognos zahlen - einen der beiden letzten großen unabhängigen Anbieter von Business-Intelligence-(BI-)Software. Laut Steve Mills, Senior Vice President der IBM Software Group, würden die Produkte von Cognos, die neben Werkzeugen zum Reporting und Analyse von Geschäftsdaten auch Programme für Planung, Budgetierung und Forecasting (Corporate-Performance-Management = CPM) umfassen, gut zum Angebot der IBM passen. Big Blue hatte sich in diesem Markt bislang auf Produkte für das Daten-Management und die Datenintegration konzentriert, Lösungen für die Auswertung und Verteilung hatten Partner wie Cognos beigesteuert. Durch die Kombination der Produkte beider Anbieter könnte IBM künftig alles aus einer Hand liefern. Rob Ashe, President und Chief Executive Officer (CEO) von Cognos, bezeichnete das Angebot als gute Nachricht für Kunden, Partner und Mitarbeiter. Es gebe kaum Überschneidungen zwischen den Produkten, jedoch viele Synergien. Unter dem Dach der IBM könne Cognos Kunden umfassender betreuen und neue Lösungen für Business Intelligence und Information Management auf den Markt bringen.

Andreas Bitterer, Vice President Research des Analystenhauses Gartner, und andere BI-Experten erwarten keine größeren Probleme bei der Kombination der BI-Produkte von Cognos mit denen für das Daten-Management von IBM: Beide Unternehmen waren seit vielen Jahren Partner, wobei IBM den Aufbau von Data Warehouses und die Datenintegration übernahm, während Cognos mit seinen Berichts- und Analyse-Clients das Frontend bediente. "Nur bei der Datenintegration gibt es leichte Überschneidungen, doch war Cognos auf diesem Gebiet bisher schwach aufgestellt", sagte Bitterer. Optimismus herrscht auch bei der Deutschen Cognos User Group: "Die IBM-Akquise von Cognos erscheint vielen als glücklicher Ausgang des Spekulierens um den Kandidaten", sagte Vorstand Kai Noack. Schon einige von IBM übernommene Unternehmen hätten sich unter ihrem bekannten Label weiterentwickeln können.

Kehrtwende für IBM

Doch der Deal bringt strategisch erhebliche Veränderungen für IBM. Jahrelang hatte Big Blue rigoros eine Rückkehr in den Markt für Anwendungen abgelehnt und betont, ein Infrastrukturanbieter bleiben zu wollen. Noch in letzter Zeit hatte der Konzern stattdessen den Begriff "Asset-based Solutions" bevorzugt. Doch mit dem Kauf von Cognos ist IBM laut IDC-Analyst Rüdiger Spies endgültig ins Applikationsgeschäft zurückgehrt. Zudem schüre der Cognos-Kauf die Konkurrenz zu Oracle und SAP.Gartner-Experte Bitterer sieht hier sogar einen "totalen Konfrontationskurs", den IBM einschlägt. Bisher hatte sich IBM mit diesen Herstellern vertragen, man profitierte sogar voneinander. Das sei nun vorbei: IBM konkurriere nun offen mit SAP, und das nicht nur wie bisher bei der Middleware (SAP Netweaver versus IBM Websphere), sondern künftig auch bei Business Intelligence und Software zur Unternehmenssteuerung (CPM). Oracle wird durch den sich abzeichnenden Deal weiter isoliert, glaubt Spies. So stehe Oracle nun nicht mehr nur mit der Datenbank und "Fusion"-Middleware, sondern ebenfalls nach dem Kauf von Hyperion und Siebel Systems bei BI mit IBM im Wettbewerb.

Im seit Monaten von Übernahmen geprägten BI-Markt ist das Verschwinden von Cognos keine Überraschung. Führende BI-Anbieter wie Hyperion und Business Objects waren bereits dieses Jahr jeweils für mehrere Milliarden Dollar an Oracle beziehungsweise SAP gegangen. Kein eigenständiger BI-Markt mehr Für BI-Experte und Berater Wolfgang Martin steht bereits fest, dass es keinen eigenständigen BI-Markt mehr gibt: Vielmehr werde BI nun fester Bestandteil eines BPM/SOA-Modells ?† la IBM oder eines ERP-II-Modells. "Verblieben im Rumpfmarkt sind jetzt nur noch SAS Institute und die kleinen Anbieter." Letztere könnten sich aber als Best-of-Breed mittels Service-Orientierung in lukrativen Nischen positionieren. Ganz so dramatisch will Carsten Bange, Geschäftsführer des Business Application Research Center (Barc) in Würzburg, die Lage nicht sehen. Die verbleibenden großen Anbieter SAS Institute (knapp zwei Milliarden Dollar Umsatz), Microstrategy und Information Builders (jeweils um die 300 Millionen Dollar Umsatz) befänden sich mehrheitlich im Eigentum ihrer Gründer und Vorstandsvorsitzenden, was bedeute, dass eine Übernahme mehr wäre als eine Kapitaltransaktion am Aktienmarkt. Auch könne kein BI-Hersteller bisher mehr als 20 Prozent des BI-Markts für sich vereinnahmen. Es bleibe also Platz für Spezialisten und Innovationen.

So glaubt denn auch der privat geführte BI-Marktführer SAS Institute an seine Chance. Laut Geschäftsführer Jost Dörken würden die Cognos-Lösungen nun in der IBM-Produktwelt aufgehen und Kunden damit Flexibilität nehmen, wie sie eine plattformunabhängige Lösung von SAS bieten könne. Was bei IBM auf den ersten Blick wie eine durchgängige, homogene Plattform aussehe, sei nichts anderes als das Produkt von insgesamt 23 Übernahmen in den letzten Jahren, die alle dem Information-Management dienten: "Dies bedeutet: 23 zu integrierende Softwarewelten, 23 Mal Schnittstellenproblematik."