Jahrtausendwechsel und Euro lassen Personalressourcen knapp werden

Cobol- und Assembler-Profis händeringend gesucht

27.03.1998

Eine große Zahl von Anwendern ist sich selbst heute noch nicht so ganz im klaren, wie sich die Jahr-2000-Umstellung sowie die Einführung des Euro von der Personalseite her am besten bewältigen läßt. Doch die Zeit drängt - die Personaldecke wird zunehmend dünner und die Gehälter der Cobol- und Assembler-Programmierer immer höher. In den USA hat sich der Preis der Arbeitsstunden für einen externen Cobol-Auftragsprogrammierer nach Angaben von Gartner-Group-Analysten innerhalb der vergangenen zwölf Monate von 30 auf 70 Dollar erhöht. In England werden Computerexperten mittlerweile mit Tagessätzen von fast 3000 Mark engagiert.

Ähnliche Verhältnisse scheinen nun auch hierzulande Einzug zu halten. Sowohl Cobol- als auch Assembler-Programmierer können inzwischen gutes Geld verlangen, erklären Personalberater unisono. Derzeit erreiche ein Cobol-Programmierer eine Tagesgage von 1000 Mark. Dabei sei der Gipfel noch längst nicht erreicht. Viele Unternehmen würden das Umstellungsproblem nach wie vor verdrängen. Wenn dann spätestens in einem Jahr alle Firmen gleichzeitig aufwachen und durchstarten wollten, würden einige eine böse Überraschung erleben - der Personalmarkt sei so gut wie leergefegt.

Aufgrund der großen Nachfrage suchen Personalvermittlungs-Agenturen bereits heute händeringend nach Cobol- und Assembler-Programmierern. Fragt sich nur, ob wirklich alle Programmierer, gar Hochschulabsolventen, bereit sind, drei Jahre lang Cobol-Code zu entwirren? Schließlich gehen in dieser Zeit neue Entwicklungen, beispielsweise in der Internet-Welt, an ihnen vorbei.

"In Deutschland werden im Moment, und das wird sich in den nächsten zwei Jahren nicht ändern, dringend Assembler-Programmierer gesucht", erklärt Frank Sempert, Geschäftsführer der SEC Euro-Consulting und Sprecher der "Initiative 2000". Rund zehn Prozent der heute noch in Anwendung befindlichen Legacy-Anwendungen seien schließlich ganz oder teilweise mit dieser Sprache programmiert worden. "Also werden Leute, die früher entlassen wurden oder freiwillig gegangen sind, heute angeschrieben und gefragt, ob sie wieder für die alte Firma arbeiten wollen", weiß Sempert zu berichten. Um die gesuchten Programmierer mit den Unternehmen zusammenzubringen, hat die "Initiative 2000", ein Zusammenschluß von 14 Anbietern der IT-Branche, im vergangenen Jahr eine Jobbörse für Assembler- und Cobol-Programmierer eingerichtet. Darüber hinaus werden im Rahmen des Pilotprojekts "Gelbes Haus" im hessischen Schotten arbeitslose Programmierer in Jahr-2000-Umstellungsprojekte integriert.

Trotz aller Warnungen ist der größte Teil der bundesdeutschen Unternehmen überzeugt, die Jahreszahlenumstellung nicht nur rechtzeitig, sondern vorrangig mit dem Know-how der eigenen Leute in den Griff zu bekommen. Bei Fragen nach Neueinstellungen oder verstärktem Body-Shopping halten sich die IT-Chefs äußerst bedeckt. Michael Schäfer, beim Münchner Autokonzern BMW als Leiter Standardsoftware für die Datumsumstellung zuständig: "In Einzelfällen kann es möglich sein, daß wir zusätzliche Hilfe benötigen. Aber wir werden sicher nicht Hunderte von Programmierern einkaufen."

Diese Einschätzung teilt auch Peter Spitzer, Leiter Project Office Technik EWU, bei der Bayerischen Vereinsbank in München: "In einigen Bereichen arbeiten wir mit Externen zusammen, im großen und ganzen setzen wir aber eigene Leute ein." Entgegen den Ratschlägen vieler Experten entschieden sich die Verantwortlichen bei der BV, die Software-Anpassungen für den Jahrtausendwechsel weitgehend im Rahmen des Euro-Projekts durchzuführen. Bislang habe sich dieses Verfahren bestens bewährt. Spitzer: "Trotzdem sind wir sehr froh, daß wir das Euro-Projekt mitsamt der Software-Umstellung für das Jahr 2000 so frühzeitig vorangetrieben haben."

In der Tat bereitet den Banken die Euro-Umstellung mehr Sorgen als die Jahreszahlenumstellung. Dafür müssen sie ihre Organisation ändern und die DV überarbeiten - und alles muß bis zum 1. Januar 1999 über die Bühne gehen. Das Dienstleistungsunternehmen Compass beziffert den Zusatzaufwand für die Programmanpassung auf 20000 Personenjahre innerhalb der kommenden 18 Monate. Das würde die Geldinstitute an ihre personellen Grenzen bringen - zumal viele Mitarbeiter bereits in die Jahreszahlenumstellung eingebunden sind.

Der Bundesverband deutscher Banken schätzt, daß die IT-Organisationen der Geldinstitute etwa 25 Prozent ihrer Arbeitskapazitäten in diese hochkomplexen Aufgaben stecken müssen. Um das Jahr-2000-Projekt sowie die Euro-Anpassung in den Griff zu bekommen, werden die Banken die Hilfe von externen Spezialisten benötigen. Doch der Markt geeigneter freiberuflicher DV-Experten ist so gut wie leergefegt. Ins Fäustchen lachen können sich indes diejenigen Unternehmen, die entsprechend vorgesorgt beziehungsweise vorgebucht haben.

Zu den vorausschauenden Finanzdienstleistern gehört die Frankfurter SGZ Bank AG. Für Michael Reichhardt, Mitglied der Projektleitung Währungsunion, ist klar, daß das Unternehmen bei der Anpassung der DV-Systeme ohne fremde Hilfe nicht auskommen kann: "Es war doch vorhersehbar, daß die Ressourcen knapp werden. Also haben wir die erforderlichen Programmierer bei den entsprechenden Software-Anbietern vorab reserviert."

Für Klaus Enger, Fachbereichsleiter EWWU beim Debis Systemhaus in Düsseldorf, steht fest, daß die derzeitige Überschneidung der Ressourcen-Anforderungen der Grund ist, daß die Unternehmen personell derart in die Bredouille geraten: "Sowohl für die Jahreszahlen-Umstellung als auch für die Euro-Einführung werden dringend Cobol-, Assembler und PL1-Programmierer benötigt, die in der Lage sind, große Programmsysteme zu analysieren und entsprechend zu ändern." In den meisten Unternehmen würden für diese Fleißaufgabe die eigenen Mitarbeiter nicht ausreichen.

Den Debis-Mann verwundert es nicht, daß viele Unternehen die Euro-Umstellung noch vor sich herschieben. Bei Debis selbst wird die benötigte Programmierkapazität von Sub-Unternehmen im osteuropäischen oder indischen Markt zur Verfügung gestellt. Enger: "In unserem Haus wird weder für das Euro- noch für das Jahr-2000-Projekt auch nur ein einziger Programmierer eingestellt. Wenn jetzt alle Unternehmen Cobol-Leute einstellen - wohin dann in drei oder vier Jahren mit ihnen?".

*Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.