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CMS: Schaltstelle für Web-Anwendungen

29.05.2001
Viele Besucher der Internet World waren auf der Suche nach Software für das Erstellen und Pflegen von Internet-Inhalten. Manche lösen selbst gebaute Web-Content-Management-Software ab, andere suchen eine Lösung, um neue Internet-Präsenzen, Intranet-Portale oder E-Commerce-Applikationen zu realisieren.

Von CW-Redakteur Frank Niemann

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Viele Besucher der Internet World waren auf der Suche nach Software für das Erstellen und Pflegen von Internet-Inhalten. Manche lösen selbst gebaute Web-Content-Management-Software ab, andere suchen eine Lösung, um neue Internet-Präsenzen, Intranet-Portale oder E-Commerce-Applikationen zu realisieren.

Mittlerweile beträgt der Anteil Europas am gesamten Content-Management-Markt 20 Prozent, was einem Umsatzvolumen von 187 Millionen Euro entspricht. Zu diesem Ergebnis kam das britische Marktforschungsunternehmen Trend Consulting. Nach Ansicht der Analysten wird Europa seinen Weltmarktanteil bis 2003 auf 28 Prozent beziehungsweise 1,4 Milliarden Euro steigern. Bisher ordern vor allem große Firmen aus der Medien-, Finanz-, Hightech- und Einzelhandelsbranche solche Produkte. Noch stellt Großbritannien den größten Absatzmarkt für Software, Dienstleistungen und Beratung zur Inhalteverwaltung dar, doch bis 2002 wird Deutschland die Briten überholt haben.

Internationaler Markt

Zwar waren einige deutsche Hersteller auf der Internet World vertreten, doch immer mehr ausländische Anbieter aus Europa und den USA schlagen hierzulande ihre Zelte auf. Die britische Mediasurface beispielsweise zählt im Heimatland zu den Marktführern und will nun auch ihre Präsenz in Kontinentaleuropa ausbauen. Mediasurface wendet sich an Großkunden, die umfangreiche Web-Applikationen bauen wollen. Kern der Content-Management-Software bildet ein Repository auf Basis von Oracles Datenbank-Server, in dem Inhalte, Layouts sowie Kundenprofile zentral abgelegt werden. Die Funktionsbausteine des Systems wurden in Java implementiert, und über Schnittstellen wie COM+ oder J2EE (Java 2 Enterprise Edition) bindet Mediasurface E-Commerce-Applikationen wie etwa "Enfinity" von Intershop oder Microsofts "Commerce Server", sowie Applikations-Server der Hersteller Bea, IBM und ATG ein. Zu den deutschen Kunden der Briten zählt die Siemens-Tochter Vertacross aus Nürnberg, die auf Basis der Mediasurface-Software einen Online-Marktplatz für Automatisierungstechnik eröffnete.

Lösungen für KMU und Mittelstand

Mediasurface richtet sich wie viele Anbieter an Großkunden. Bedarf an Content-Management haben aber mittlerweile auch mittelständische Firmen sowie größere Unternehmen, die jedoch nur kleine Web-Projekte statt gleich konzernweite Lösungen realisieren wollen. Diese Klientel wünscht sich vorgefertigte Funktionen statt Frameworks - ein Marktspektrum, dass die Kölner Firma Solutas bedienen möchte, die auf der Messe ihr Debüt gab. Die Software "Netabler Pro" eignet sich zum Erstellen und Pflegen von Online-Auftritten, doch statt das Programm zu kaufen, abonniert der Kunde einen Web-Service, der die Programmnutzung das Web-Hosting sowie eine Datentransferrate von 1 GB im Monat enthält. Darüber hinausgehende Datenübertragungen werden extra in Rechnung gestellt. Der Anwender startet per Browser ein Java-Programm, über das er die Funktionen der gehosteten Netabler-Pro-Software aufrufen kann.

Die Gestaltung der Seiten ähnelt laut Solutas dem Erstellen von Powerpoint-Präsentationen: Objekte lassen sich an beliebiger Stelle einfügen. Eine Reihe von vorgefertigten Elementen für den Seitenbau liefert Solutas gleich mit, etwa einen Newsletter oder anpassbare Online-Formulare. Die Site-Struktur visualisiert das Tool anhand eines Organigramms. Netabler Pro verfügt zudem über eine Benutzerverwaltung, die verschiedene Rollen und Zugriffsrechte beispielsweise für Autoren oder Site-Verwalter zulässt. Das Kölner Unternehmen will die E-Commerce-Software "Jakarta" des Softwarespezialisten Hybris in sein Online-Paket integrieren. Auf Basis der eigentlich für große Shop-Systeme konzipierten Software will Solutas Komponenten entwickeln, die Endkunden ähnlich wie die bereits bestehenden Elemente in ihre Web-Seiten einbetten können.

Für Firmen mit kleinem Geldbeutel dürfte auch der Softwarehersteller Omeco aus Kaiserslautern interessant sein, der in Berlin sein Web-Content-Management-System "Webcontent 2.0" vorstellte. Das Produkt basiert auf der PHP4-Technik. Mit Hilfe dieser in HTML eingebetteten Skriptsprache entwickeln weltweit eine Vielzahl von Web-Experten dynamische Internet-Seiten. Webcontent 2.0 wurde so aufgebaut, dass Inhalt und Layout voneinander getrennt gepflegt werden können. Mit der Content-Software können Anwender das ebenfalls von diesem Hersteller stammende Webshop-Programm "Omeco Webshop" verbinden, um so die Inhalte eines Internet-Geschäfts, etwa Produktinformationen, zu verwalten. Webcontent in der Version "Internet Solution" kostet 9800 Euro, die Variante "Intranet Solution" ist für 3900 Euro zu haben.

An den Mittelstand richtet sich auch das neu vorgestellte Mietsoftware "Obtree C3 ASP" des Schweizer Unternehmens Obtree aus Basel. Dieses System eignet sich laut Anbieter für Firmen, die nicht mehr als 200 Web-Seiten verwalten möchten. Obtree zählt eigentlich zu den Anbietern von Web-Content-Management-Software, die mit dem Verkauf von Lizenzen Geschäfte machen. Das System "C3" wurde für umfangreiche Online-Anwendungen konzipiert. Die Seitengestaltung erfolgt dabei nach objektorientierten Prinzipien. Schablonen (Templates) erzeugt der Designer entweder auf Basis von HTML, XML oder Wireless Markup Language (WML). Aus den Templates und den in einer Datenbank gespeicherten Inhalten erzeugt die C3-Komponente "Webengine" dynamisch die vom Browser angeforderte Seite. Obtree liefert Datenbank-Schnittstellen wie ODBC, OCI und CLI aus, über die sich sowohl Windows- als auch Unix-basierte Datenbank-Server an das Content-System anbinden lassen. Die C3-Server-Software läuft auf Sun Solaris oder Windows NT. Obtree vermarktet seine Lösung nun auch komplett mit passender Serverhardware von IBM.

XML wird immer wichtiger

So mancher Anwender solcher Content-Werkzeuge muss seine bisherige Softwareentscheidung revidieren. Der ADAC beispielsweise will sich vom Produkt "Imperia" trennen, um im Herbst einen komplett neuen Internet-Auftritt mit Hilfe des "Dialog Server 4.2" des in Amsterdam beheimateten Herstellers Tridion zu realisieren. Den Schwenk begründet der Automobilclub unter anderem damit, dass sich das bisherige Softwareprodukt nicht mit der bevorzugten Suchmaschine des Anbieters Verity verbinden ließ. Allerdings steht der ADAC nun vor der Herkulesaufgabe, seine Inhalte in das neue System einzupflegen, da das Tridion-Produkt auf der Extensible Markup Language (XML) basiert und Web-Content daher in einer strukturierten Form vorliegen muss. Nach den Erfahrungen Tridions sind nur bei wenigen Anwendern die HTML-Dokumente so strukturiert, dass sie mit Hilfe einfacher Integrations-Scripts in deren Web-Content-Management-System eingepflegt werden können. Nur durch die Umwandlung in XML können Anwender vollen Nutzen aus den Verwaltungsfunktionen des Dialog Server ziehen. Bisher speichert Tridion seine Dokumente in einer relationalen Datenbank, an einer Integration mit der XML-Datenbank "Tamino" der Software AG arbeitet der Hersteller bereits.

XML bietet mehr Flexibilität bei der Verbreitung von Inhalten für unterschiedliche Endgeräte sowie dem Austausch von Content zwischen anderen Internet-Anwendungen, etwa für das Bestellen von Waren und das Übermitteln von Rechnungsdaten. Die volle XML-Unterstützung ist heute noch nicht selbstverständlich: Einige Hersteller begnügen sich damit, ihre Produkte mit einer Import- oder Export-Schnittstelle für XML-Dokumente auszustatten, statt die Handhabung von Inhalten komplett auf Basis der W3C-Spezifikation zu implementieren.

In Sachen XML-Unterstützung brauchen sich deutsche Hersteller keineswegs hinter ausländischer Konkurrenz zu verstecken. Der Web-Content-Management-Spezialist Coremedia aus Hamburg, dessen System ebenfalls diese Spezifikation unterstützt, zeigt auf der Messe eine Web-Anwendung, mit der sich Inhalte sowohl für Web-Browser als auch für Settop-Boxen erzeugen und verwalten lassen. Die Firma Technidata AG aus Markdorf entwickelt die Software auf der Coremedia-Plattform. Medienunternehmen will Technidata so in die Lage versetzen, Content zentral über eine Applikation zu managen. Noch befindet sich das Produkt im Anfangsstadium. Das fertige System soll am gleichen Ort während der diesjährigen Internationalen Funkausstellung präsentiert werden.