Software zur Inhalteverwaltung auf der Internet World 2002

CMS-Anbieter modellieren Details heraus

14.06.2002
BERLIN (fn) - Obwohl der Internet-Boom der Vergangenheit angehört, sind Content-Management-Lösungen weiterhin gefragt. Die Anwender suchen vor allem nach preisgünstigen, Betriebskosten senkenden sowie pflegeleichten Systemen. Die Hersteller reagieren mit der Integration von Suchmaschinen und multilingualen Features, mit denen sich interaktionale Websites einfacher verwalten lassen.

Programme zum Verwalten der Inhalte von Internet-Sites, Intranets und Portalen stehen nach wie vor auf der Wunschliste der IT-Manager. So zählten Anbieter von Content-Management-Systemen zu den wenigen Ausstellern der stark verkleinerten Fachmesse "Internet World 2002" in Berlin, die ein größeres Publikum fanden. Die Nachfrage untermauert das Marktforschungsunternehmen IDC: Die Analysten schätzen den Umsatz mit Content-Management- und Retrieval-Software in Westeuropa für das Jahr 2006 auf 2,8 Milliarden Dollar, wobei dieses Segment stärker wachsen soll als der gesamte Softwaremarkt in dieser Region. Das Volumen des vergangenen Jahres beziffern die Auguren auf 637 Millionen Dollar.

Systemwechsel bei Bol.de

Vorrangiges Entscheidungskriterium für IT-Verantwortliche ist aber nicht mehr nur der gute Name eine Lösung. Sie messen die Hersteller vielmehr daran, ob sich durch den Einsatz der Produkte die Betriebskosten von Web-Auftritten, Intranets oder E-Commerce-Sites senken lassen. Manche Käufer wechseln aus diesem Grund den Anbieter. So tauschte beispielsweise Bertelsmann jüngst bei vier seiner internationalen Online-Medienshops, darunter die deutsche "Bol.de", eine Lösung des namhaften US-Herstellers Vignette durch den "Content Management Server" (CMS) des in Oldenburg beheimateten Herstellers Reddot Solutions aus. Dieses System dient der vom Mutterkonzern zum Sparen verpflichteten Internet-Firma zur Verwaltung von Produktbeschreibungen sowie zum Erstellen von redaktionellen Seiten im Online-Shop. Der CMS wurde hierzu in die bereits existierende E-Commerce-Umgebung "Enfinity" von Intershop eingebunden.

Reddot möchte wie andere Anbieter verstärkt Kunden gewinnen, die Websites in verschiedenen Ländern betreuen müssen, und hat daher sein CMS Unicode-fähig gemacht. Auf diese Weise lassen sich über ein System Online-Angebote für europäische, aber auch fernöstliche Besucher kostengünstiger über eine zentrale Stelle verwalten. Spezielle Funktionen, um Übersetzer besser in den redaktionellen Workflow zu integrieren, sollen in der nächsten Version folgen.

Da Firmen verstärkt das Dokumenten- mit dem Web-Content-Management verknüpfen wollen, vereinbarte Reddot eine Kooperation mit dem Hersteller Hummingbird. Dessen Portal- und Dokumenten-Verwaltungssystem soll an das Erzeugnis der Oldenburger angepasst werden. Über noch zu entwickelnde Schnittstellen werden Web-Autoren künftig in der Lage sein, Content aus dem Dokumenten-Repository von Hummingbird in von Reddot verwaltete Web-Seiten zu integrieren.

OEM-Abkommen mit Verity

Apropos Integration: Auch Reddot reiht sich in die Schar der Content-Management-Spezialisten ein, die Veritys Suchmaschine einbinden. Ende April hatte Wettbewerber Pironet NDH aus Köln angekündigt, die Retrieval-Software "K2" des Marktführers mit "Pirobase" zu verknüpfen. Wie die Kölner unterzeichnete nun auch Reddot mit Verity ein OEM-Abkommen. Der Vorteil laut Hersteller: Anwender müssen für ihre Projekte die K2-Technik nicht eigens integrieren.

Veritys Technologie erlaubt nicht nur die Volltextsuche, sondern auch eine Recherche nach ähnlichen Begriffen. Ferner klassifiziert K2 Dokumente automatisch. Die Infopark AG aus Berlin hat sich ebenfalls mit Verity angefreundet. Beide Firmen entwickelten eine "Search Cartridge" für das Content-Management-Produkt "NPS 5.1". Das Modul ermöglicht eine Recherche sowohl im Content-Server als auch auf der mit NPS verwalteten Website. Laut Infopark erlaubt die direkte Integration der Search-Engine eine rasche Indizierung auch großer Datenmengen, was insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn sich der Bestand an Dokumenten ständig erweitert.

Mittlerweile lassen sich zwar nahezu alle Content-Management-Systeme über eine Browser-Oberfläche bedienen, dennoch möchten Autoren zur Eingabe von Inhalten nicht unbedingt ihre liebgewonnenen Anwendungen verlassen. So gestattet es Infoparks NPS nun, Dateien vom Windows-Desktop aus per Drag and Drop über ein neues Web-DAV-Modul in den Content-Server einzustellen. Die Schnittstelle Web-DAV (Web-based Distributed Authoring and Versioning) wurde entwickelt, um über das HTTP-Protokoll Web-Editoren und Desktop-Software einzubinden, etwa Macromedias "Dreamweaver" oder "Microsoft Office". Nach Angaben des Anbieters ist damit gewährleistet, dass auch technisch weniger versierte Nutzer Dokumente an das Content-Management-System übertragen können. Das ist deshalb sinnvoll, weil Fachabteilungen eines Unternehmens vermehrt in der Lage sein müssen, Informationen wie etwa Produktdatenblätter oder Beschreibungen selbständig online zu stellen, statt diese Arbeit einem Team aus Web-Designern zu überlassen. Allerdings ist Infopark nicht der erste Anbieter mit Web-DAV-Implementierung: Gauss Interprise aus Hamburg zum Beispiel integrierte das Interface bereits vergangenen Oktober.

Hoch im Kurs bei Anwenderfirmen stehen darüber hinaus Funktionen, die das Verwalten von Websites einfacher gestalten. Daher versah beispielsweise der Berliner Anbieter Blue Orange sein auf der Messe präsentiertes Produkt "xRed 3.3" mit einem "Quick Create Button". Ein Autor kann durch einen Mausklick eine neue Web-Seite erzeugen. Er muss dazu nicht mehr in eine Autorenoberfläche wechseln und nach der geeigneten Vorlage suchen, sondern ruft diese Funktion direkt auf der jeweilgen Web-Seite auf. Über eine "Quick-Edit"-Schaltfläche ändert er bestehende Seiten. Des Weiteren erhielt die Workflow-Engine von xRed einen neuen Timer-Baustein, der ereignis- oder zeitgesteuert Aktionen anstoßen kann, beispielsweise, um das Backup der Datenbank zu automatisieren.

Imperia entdeckt SQL

Der überwiegende Teil der Content-Verwaltungssysteme stützt sich heute auf relationale Datenbanken. Imperia aus Hürth dagegen verfolgte bisher eine andere Strategie: Dokumente speicherte das gleichnamige Produkt des Herstellers entweder in einem Dateisystem oder nutzte hierzu den XML-Datenspeicher "Tamino" von der Software AG. Das neue Release Imperia 6.5 arbeitet nun auch mit SQL-Datenbanksystemen zusammen. Der Dateisystemansatz hat sich bei manchen Websites als unpraktisch erwiesen, da je nach Aufbau des Web-Auftritts eine Vielzahl von Unterverzeichnissen erstellt werden muss, begründet das Unternehmen die Hinwendung zu relationalen Massenspeichern. Gleichwohl gebe es noch immer viele Anwender, die mit dem File-System klarkämen. Zudem muss der Kunde die Datenbank extra beziehen, während die File-System-Variante im Lieferumfang enthalten ist.

Auch Imperia machte, wie schon der erwähnte Wettbewerber Reddot, seine Software Unicode-fähig, damit Firmen sich bei der Gestaltung mehrsprachiger Web-Auftritte leichter tun. Ferner zog der Hersteller mit Infopark gleich und spendierte seinem Produkt ebenfalls eine Web-DAV-Schnittstelle.

Angesichts der neuen Features, die Hersteller in ihre Produkte einbauen, wird deutlich, wie sehr sich die Content-Management-Systeme mittlerweile ähneln. Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Partnerschaften der Content-Management-Hersteller mit dem Suchmaschinenspezialisten Verity. Firmen möchten nicht mehr nur Online-Präsenzen einrichten, sondern ihren Anwendern - seien sie nun Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner oder Lieferanten - zusätzlich einen komfortablen Zugriff auf Content respektive Wissen bieten. Die Integration von Informationen aus unterschiedlichen Quellen wie Datenbanken, Dokumenten-Management-Systemen und Business-Software gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Somit dürfte die Zusammenarbeit von Reddot und Hummingbird weiter Schule machen.

Langweilig wird es im Markt für Content-Management-Systeme auch in Zukunft nicht, denn auch Anbieter von Business-Software beobachten diesen Markt genau. Kooperationen zwischen beiden Fraktionen gibt es bereits: So hat beispielsweise der ERP-Spezialist Soft M aus München die "Content Application Platform" der in Hamburg ansässigen Coremedia in sein Softwareangebot aufgenommen. Dieser Schulterschluss zeigt, dass manche Firmen unter "Content" inzwischen weit mehr als nur Texte und Grafiken für das Web verstehen. Sie interpretieren jede Art von Information als geschäftsrelevant. Dies schließt HTML-Dokumente genauso ein wie Daten aus ERP- und CRM-Systemen, elektronische Kataloge, Archivsysteme oder proprietäre Datenbanken. Auch die Analysten von IDC bestätigen dies: Sie sagen voraus, dass Content-Management und Retrieval-Software künftig zentrale Funktionen zufallen, die in die meisten unternehmensweiten Anwendungen eingebunden werden.

CMS-Ausprägungen

Allein in Deutschland tummelt sich eine Vielzahl an Content-Management-Anbietern. Zwar ähneln sich die Systeme immer mehr, dennoch gibt es technologische Unterschiede. Einige basieren komplett auf Java und laufen auf Windows und Unix-Derivaten, andere haben sich der Microsoft-Plattform verschrieben. Ein weiteres Merkmal sind die Script-Sprachen, mit denen der Anwender Templates gestaltet und dynamische Seiten programmiert. Während ein Teil der Hersteller PHP, Tcl, Javascript und ASP oder auch Kombinationen davon unterstützen, haben einzelne Firmen eigene Script-Kommandos entworfen oder setzen auf herstellerspezifische Umgebungen, wie etwa "Coldfusion" von Macromedia.