Interview mit Hagen Rickmann, T-Systems

Cloud in Zeiten von Prism

17.09.2013
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Private, Public und Hybrid - Welche Cloud bevorzugen die Kunden?

CW: Die reine Lehre unterscheidet zwischen Private, Public und Hybrid Clouds. Welche der drei Typen bevorzugen Ihre Kunden bei T-Systems?

Rickmann: Bei unseren Kunden stehen vor allen Dingen die Sicherheit der Daten und des Unternehmens-Know-hows im Vordergrund. Weiterhin ist die Möglichkeit, Cloud-Services nahtlos in die eigenen Prozesse und die eigene IT zu integrieren und damit effizient zu nutzen, sehr wichtig. Das lässt sich vor allem durch Private-Cloud- sowie durch geeignete Hybrid-Cloud-Lösungen sicherstellen. Hier arbeiten wir mit unseren Kunden partnerschaftlich zusammen und begleiten sie.

Man darf nicht vergessen: Cloud-Services sind hochgradig standardisiert. Der Weg in die Cloud ist jedoch für jedes Unternehmen sehr individuell. Dennoch können auch Public-Cloud-Lösungen für Unternehmen interessant sein. Hier ist dann der Grad der Individualisierung und Anpassbarkeit geringer als in den beiden anderen Varianten.

CW: Haben Sie einmal erhoben, ob Unternehmen je nach Größe und Branche unterschiedliche Neigungen zeigen, Cloud-Services zu beziehen?

Rickmann: Der aktuelle "Cloud Monitor 2013" zeigt, dass auch zunehmend mittelständische Unternehmen Cloud-Services nutzen beziehungsweise entsprechende Pläne hegen. Cloud Computing ist im Unternehmen angekommen. Dabei sind die Lösungen jedoch zurzeit eher in größeren Unternehmen im großen Stil im Einsatz. Das sind auch unsere Erkenntnisse. Betrachtet man die einzelnen Branchen, so haben wir in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Dynamic Services branchenübergreifend genutzt werden.

CW: Welcher Art sind die Anwendungen, die der Cloud anvertraut werden?

Rickmann: Ich würde die Frage andersherum beantworten: Welche Anwendungen sind für die Cloud ungeeignet? Hier fallen mir Anwendungen ein, bei denen es auf Echtzeit ankommt, um etwa Maschinen zu steuern, oder Anwendungen, bei denen rechtliche Vorgaben eine Verschiebung in die Cloud untersagen. Ansonsten gibt es meiner Ansicht nach per se keine Einschränkung für die Verwendung von Cloud-Services. Cloud Computing ist immer eine Frage des Vertrauens in den Anbieter und die von diesem produzierten Cloud-Services.

CW: Vertrauen Unternehmen der T-Systems-Cloud auch Klassiker wie HR- oder Finanzanwendungen an, die ja sensible Daten enthalten?

Rickmann: Selbstverständlich. Unsere Kunden verstehen Cloud Computing aus der Private Cloud als eine (echte) Sourcing-Alternative zu etablierten Möglichkeiten wie dem Outsourcing oder dem Eigenbetrieb. In diesem Zusammenhang haben wir bereits seit 2005 Kunden, die für ihre HR-Anwendung oder ihre Finanzbuchhaltung die Dynamic Services nutzen.

Ein Fall für die Private Cloud?

CW: Wären diese Klassiker ein Fall für die Private Cloud?

Rickmann: Für die meisten Klassiker, wie Sie sie nennen, ist die Private Cloud bezüglich Sicherheit und Integration die beste Lösung. Viele Unternehmen sind nicht bereit, einen Big Switch durchzuführen und alle Anwendungen in die Cloud zu verlagern und gleichzeitig auch noch die Applikation etwa hin zu SaaS zu wechseln. Eine entsprechende Risikoabschätzung fällt dann oft zuungunsten der Cloud aus, obwohl deren Vorteile auf der Hand liegen. Hier bietet die Private Cloud mit einem meist klaren Fokus auf klassische Unternehmensanwendungen eine echte Alternative zum Eigenbetrieb oder zum bisherigen Outsourcing.

CW: Welche Anwendungen verlagern Unternehmen garantiert nicht in die Cloud?

Rickmann: Ich sehe hier die Grenzen nicht so sehr in der Anwendung, vielmehr in der Menge der Daten, die bewegt werden oder aber entsprechend schnell zur Verfügung stehen müssen. Hierzu gehören unter anderem die eben angesprochenen Maschinensteuerungen. In solchen Fällen ist noch immer die Physik und damit die verfügbare Technik der limitierende Faktor.

CW: Nach Gartner werden sich die verschiedenen Cloud-Segmente BPaaS, PaaS, SaaS und IaaS in den nächsten zwei, drei Jahren unterschiedlich stark entwickeln. Worin investieren T-Systems-Kunden Ihren Erfahrungen nach am meisten, und mit welchen Zielen?

Rickmann: Gegenwärtig werden die meisten Ausgaben in der IT und somit im Cloud-Umfeld noch von den IT-Abteilungen getätigt. Hier ist vor allem IaaS der einfache und schnelle Einstieg in die Cloud-Welt. Veredelt werden diese Infrastruktur-Cloud-Services dann entsprechend durch die IT-Abteilungen der Unternehmen. Hierdurch sind kaum Anpassungen an den Prozessen und in den Unternehmensabläufen vorzunehmen. Aktuell kann so noch die angestrebte Flexibilität, Skalierbarkeit und gegebenenfalls auch die Kosteneinsparung erreicht werden.

Mittel- bis langfristig ist jedoch der Standardisierungs- und Industrialisierungstrend in der Unternehmens-IT nicht länger aufzuhalten. In diesem Zuge werden zunehmend SaaS- und auch PaaS-Lösungen in die Unternehmen gelangen. Zudem fordert eine Generation Easy in den Fachabteilungen weniger komplexe Umgebungen ohne schwierige Bedienung. Sie entscheidet zunehmend die Auswahl der IT-Services.

Ist IaaS vernachlässigbar?

CW: Firmen wie Oracle sagen, dass IaaS eher vernachlässigbar sei, SaaS hingegen nicht - welche Aussage einen irgendwie nicht überrascht. Ihre Meinung?

Rickmann: Nicht für alle Anwendungen wird es SaaS-Lösungen geben. Da überschätzt Oracle vielleicht den Einsatz von Standardlösungen in Unternehmen - und um solche handelt es sich bei SaaS. Die meisten Konzerne haben noch eine ganze Reihe von individuellen Lösungen in Betrieb, für deren Management und Administration Branchen-, Unternehmens- oder spezielle Fachkenntnisse notwendig sind.

Für diese ist IaaS meist die richtige Basis. Weiterhin ist der Integrations- und Migrationsaufwand beim Einsatz von SaaS nicht zu unterschätzen und zu vernachlässigen. IaaS bietet hier einen weitaus einfacheren Einstieg, bei dem sich die Anpassungen und Änderungen in Grenzen halten. Dies ist meine Erfahrung aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Kunden. Vor diesem Hintergrund würde ich den Bereich IaaS nicht vernachlässigen. (mhr)