Über den Wolken

Cloud Computing sucht nach Nutzern

20.11.2008
Von Dr. Thomas Reuner

IT als Gebrauchsgut: Noch einige Jahre entfernt

Interoperabilität: Alle Anstrengungen um offene Standards oder Open Source verblassen, wenn man im privaten Bereich mit den Frustrationen eines Vista-Upgrades oder mit Problemen des ISPs zu kämpfen hat. Und diese Erfahrungen sind zumeist entscheidender als viele Hochglanzbroschüren über künftige IT-Strategien. Natürlich operieren Unternehmen mit besseren Verfügbarkeiten und umfangreichen Qualitätstests, aber die Erfahrungen im privaten Bereich bleiben emotionale Hemmschwellen. Cloud Computing beschreibt als Vision oder Zielrichtung ein Konzept, in dem IT als Gebrauchsgut verfügbar ist. Doch von dieser Vision sind wir noch einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte entfernt. Daran wird auch die immer stärkere Verbreitung von Web-2.0-Applikationen wie etwa Facebook nichts Grundlegendes ändern.

Der Kampf um den Desktop hat begonnen

Wirtschaftliche Interessen: Der aus der Außenperspektive spannendste Aspekt von Cloud Computing (als auch vieler seiner Komponenten) ist, wie die großen etablierten IT-Anbieter mit diesem potentiellen Paradigmenwechsel umgehen. Denn verbrauchs- und nutzerbasierte Geschäftsmodelle gefährden die Zukunft der etablierten Procurement- und Lizenzmodelle. Dementsprechend haben die großen IT-Anbieter und Dienstleister (wie schon bei On-demand- oder SaaS-Angeboten) zumeist nur geringes Interesse daran, wirklich bedarfsgerechte Geschäftsmodelle einzuführen. Sie handeln häufig nur dann, wenn sie dazu gezwungen werden. Die Bereitstellung von Applikationen und Dienstleistungen über das Internet bedeutet aber auch, dass dem Desktop und dem Internet-Browser eine noch wichtigere Rolle obliegen. So ist etwa die Einführung von Googles Chrome Browser (wie auch dem Android Handy-Betriebssystem) nicht unbedingt auschließlich als Breitseite gegenüber Microsoft zu verstehen, sondern vor allem als Gewährleistung dafür, dass nicht nur Internet-Seiten abgebildet werden können, sondern auch Applikationen über Clouds bereitgestellt werden können. Der Kampf um den Desktop, so scheint es, hat erst richtig begonnen.

Fazit: Der Weg in das Zeitalter von Cloud Computing ist deutlich vorgezeichnet. Das Konzept wird sich in den nächsten fünf Jahren vor allem im Infrastrukturbereich etablieren, aber nur graduell in den Applikationsbereich vorstoßen. Bleibt zu hoffen, dass die begriffliche Verwirrung durch Termini wie On-demand, SaaS, Utility, SOA oder Cloud Computing durch ganzheitliche Ansätze aufgehoben wird, die stärker auf Geschäftsprobleme als auf Technologien abheben. Und nur dann wird sich der anfängliche Bodennebel ins Zeitalter von Cloud Computing auflösen. (jha)

Zur Person

Name: Dr. Thomas Reuner

Position: Geschäftsführer

Analystenhaus: TSM Strategies, London.

Beratungsschwerpunkt: Reuner konzentriert sich auf die Bereiche IT-Services, Sourcing, Business Process Outsourcing (BPO) sowie Mobile Enterprise. Dabei vertraut er auf über 10 Jahre Erfahrung im Bereich der IT-Marktforschung und Beratung. Bevor er TSM Strategies im September 2008 gründete, bekleidete Reuner leitende Funktionen bei Gartner, KPMG Consulting, NelsonHall und IDC. Außerdem leitet er den Consulting-Bereich bei CCS Insight in London. Sein Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Göttingen hat Reuner mit der Promotion abgeschlossen.