Clinton-Vize Al Gore kuendigt neue Telecom-Regulierungspolitik an Juristische Reform soll Bau des Information-Highways erleichtern

04.02.1994

LOS ANGELES (IDG/CW) - Der Traum vom US-amerikanischen Information-Highway scheint langsam Realitaet zu werden. Wenn auch nach dem Fusionsfeuerwerk der letzten Monate zwischen Medien- und Filmgiganten, Telefon-Companies sowie Computerfirmen noch unzaehlige technische und finanzielle Fragen offen sind, gewinnt doch das derzeitige Aushaengeschild von Bill Clintons Technologieprogramm deutlich an Konturen. Erstes Ergebnis ist eine sich abzeichnende deutliche Revision der bisherigen Regulierungspolitik im Telecom-Bereich.

Zu den wichtigsten Punkten der Reformgesetzgebung fuer den Bereich Nachrichten- und Kommunikationstechnik erklaerte der amerikanische Vizepraesident Al Gore auf einer "Gipfelkonferenz der elektronischen Medien" nun neben der Standardisierung einschlaegiger technischer Normen die Etablierung einer einheitlichen Kontroll- und Regulierungsinstanz fuer alle beteiligten Firmen und Netzbetreiber. Damit wuerde zumindest eine der Hauptvoraussetzungen fuer den Bau landesweiter multimedialer Datenautobahnen erfuellt, naemlich die Legitimierung branchenuebergreifender Kooperationen.

Die beabsichtigte Neufassung des rechtlichen Rahmens soll nach dem Willen der Clinton-Administration dazu fuehren, dass das aufgrund bisheriger Bestimmungen nicht zulaessige Engagement neuer Interessenten im TK-Markt moeglich wird. Im Klartext bedeutet dies zum Beispiel die Genehmigung von Joint-ventures zwischen den regionalen Baby-Bell-Gesellschaften und Kabelfernsehnetzbetreibern - eine Regelung, der die Realitaet allerdings schon vorauseilt, etwa durch den 30-Milliarden-Dollar-Merger zwischen Bell Atlantic und TCI (vgl. CW Nr. 2 vom 14. Januar 1994, Seite 7: "Kampf um die totale Glotze auf dem Information-Highway").

Ueberdacht werden sollen darueber hinaus, wie Gore vor Vertretern der DV- und Telecom-Industrie ausfuehrte, die herkoemmlichen, nach Industriezweigen ausgerichteten und somit festgefahrenen Strukturen der staatlichen Regulierungspolitik. So befuerworten die TK- und Wirtschaftsexperten im Weissen Haus eine nachhaltige Kompetenzverlagerung von den bis dato fuer die Lizenzerteilung und -ueberwachung zustaendigen Gerichten einzelner US-Bundesstaaten hin zu der bisher mit wenig Machtfuelle ausgestatteten Federal Communications Commission (FCC) als oberster staatlicher Regulierungsbehoerde beziehungsweise zum dann letztlich verantwortlichen Justizministerium. Die neue Aufsichtsbehoerde soll sich zudem nicht mehr an der bisher traditionellen Marktaufteilung in Film-, Computer-, Kabel-, lokales Telefon- und Ferngespraech- Business orientieren, sondern lediglich zwischen Anbietern und Verbrauchern von Informationen sowie Herstellern von technischem Equipment differenzieren.

Noch aber steht dem Vorhaben eine Reihe legislativer Huerden im Weg. Selbst wenn der amerikanische Kongress den fuer das Fruehjahr angekuendigten Gesetzesvorlagen fuer eine Aenderung des 1934 verabschiedeten "Communication Act" zustimmt, muessen noch die einzelnen Bundesstaaten ihre entsprechenden Bestimmungen der neuen Verordnung anpassen. Grosse Hoffnung setzt die Clinton- Administration daher vor allem in die Ueberzeugungskraft der traditionellen Wettbewerbslehre, wonach ein freier Markt umfangreiche private Investitionen nach sich zieht.

Immerhin werden die Kosten fuer die Breitbandverkabelung aller privaten Haushalte allein in den Ballungsgebieten auf bis zu 400 Milliarden Dollar geschaetzt.

Als Initialzuendung, die ein Engagement weiterer Investoren nach sich ziehen duerfte, wird in diesem Zusammenhang die Ankuendigung des US-Carriers MCI gewertet, 20 Millliarden Dollar fuer ein Multimedia-Netz zu riskieren, davon allein zwei Milliarden Dollar fuer den Aufbau lokaler Telefonnetze in diversen Grossstaedten - den "Zubringern" zum neuen Information-Highway.

Ob sich ausser MCI, US West und Bell Atlantic noch weitere Telefongesellschaften bereitwillig ins Multimedia-Abenteuer stuerzen, bleibt jedoch abzuwarten, denn die meisten der uebrigen Baby-Bell-Companies haben, wie es scheint, in ihrer bis dato geschuetzten Nische des lokalen Telefonmonopols kraeftig Speck angesetzt. Vom sich ankuendigenden Wettbewerb aufgeschreckt, heisst es daher vielerorts zunaechst Abmagern statt Aufspringen auf den Zug zum Information-Highway. So will GTE in den naechsten drei Jahren rund 17000 Arbeitsplaetze abbauen, ebenso wie die im Grossraum New York agierende Nynex, gefolgt von Pacific Bell, wo man demnaechst 10000 Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen will.

Auch ueber das Tempo der Einfuehrung eines digitalen - mehr als 500 Kanaele umfassenden - Supernetzes koenne man, so die einhellige Auffassung unter Experten, nur mutmassen. Denn noch immer gilt es, mit einer, oder besser gesagt, mit der groessten Unbekannten zu kalkulieren - naemlich der Frage, ob die privaten Verbraucher die Segnungen der totalen Kommunikation ueberhaupt wollen und nutzen werden und zu welchem Preis? Zumindest im Augenblick sei zudem, wie auch die eingefleischtesten Multimedia-Verfechter in den USA zugestehen, Otto Normalverbraucher als zukuenftiger Kommunikationskunde von den neuen Nutzungsmoeglichkeiten vielfach ueberfordert.