Client-Server-Werbung haelt nicht, was sie verspricht Die weltweite Online-Recherche scheitert an fehlenden Standards

21.10.1994

Von Ingo Zank*

MUENCHEN - Traditionelle Technik wird zusehends durch virtuelle Welten im Computer ersetzt, so zumindest lautete das Fazit auf der IFRA-Kongress und -Expo, dem Jahresereignis der Zeitungsindustrie, das diesmal in Muenchen stattfand. Immer mehr Verlage setzen auf den digitalen Ganzseitenumbruch, und auch die aktuelle Recherche der Redakteure in weltweit verteilten Text- und Bildarchiven ist nur noch einen Mausklick entfernt.

Insbesondere Bildagenturen, aber auch Zeitungsverlage und andere Medienunternehmen planen den Aufbruch in die digitale Welt. Sie moechten ihre Bildarchive digitalisieren und online abrufbar machen, um Medienbrueche zu vermeiden und ihre Informationen kostenguenstig bei geringem Platzbedarf zu speichern. Egal welche Gruende nun fuer den Einstieg in die digitale Technik ausschlaggebend sind, am Beispiel digitaler Online-Bildarchive wird schnell deutlich, dass noch ein sehr weiter Weg zurueckzulegen ist, bis die Client-Server-Technik mehr ist als nur ein Werbeaufkleber am Messestand.

Denn die Offenheit der heute angebotenen Systeme beschraenkt sich in vielen Faellen leider darauf, dass die in der Datenbank gefundenen Bilder per Drag and drop in Photoshop geladen werden koennen. Sollte ein Redakteur gar so vermessen sein, die benoetigten Bilder gleich in mehreren Bildagenturen zu suchen, ist das Chaos komplett. Allerdings ist nicht die Client-Server-Architektur an sich dafuer verantwortlich, sondern die bewusst proprietaer gehaltenen Loesungen der verschiedenen Hersteller.

So wird fuer den Zugang zum Bildarchiv von Reuters die Client- Software "Phrasea" benoetigt, die Bildagentur Sygma in Paris erwartet "D&D Online", und das Focus-Archiv erreicht man mit einem "DC"-Client. Natuerlich sind die verschiedenen Client-Systeme weder untereinander kompatibel noch koexistent. Natuerlich benoetigen sie unterschiedliche Hardwareplattformen (PCs, Macs, Unix, Windows etc.) sowie verschiedene ISDN-Karten. Und ebenso natuerlich kann die Client-Software eines Herstellers nur in der jeweils eigenen Datenbank recherchieren.

Zwar versuchen die grossen Bildagenturen ihren Kunden in dieser Situation dadurch zu helfen, dass sie nicht nur eine, sondern zwei oder gar drei Bilddatenbanken installieren. Entsprechend vervielfachen sich die Investitionskosten. Die Folgeausgaben fuer Administration, Systempflege und Wartung potenzieren sich sogar, denn Kommunikation und Abgleich zwischen den Datenbestaenden muessen gewaehrleistet bleiben. Die Rechnung zahlt der Anwender.

Eigentlich sollte Client-Server-Computing bedeuten, die Aufgaben zwischen Kunden und Dienstleister sinnvoll zu verteilen und die Beziehung zwischen beiden moeglichst reibungsfrei zu gestalten. Nur durch gute Definition und Standardisierung der Schnittstelle zwischen Client und Server koennen Loesungen entstehen, die den Sinn der Client-Server-Architektur erkennen lassen und die Kapazitaeten der Datenautobahnen sinnvoll nutzen.

Statt dessen wird munter darauf losgebaut am Information-Highway. Hier ein Stueckchen in Rad-Schiene-Technik, dort etwas Magnetschwebebahn, ein bisschen Feldweg und ein Abschnitt Autobahn. Damit nur die herstellereigenen Fahrzeuge die jeweiligen Abschnitte befahren koennen, haben die Schienen ein ganz spezielles Profil und die Autobahnspuren die Breite eines Radweges.