Ein EIS ist niemals fertig

Client-Server und die verteilte Datenhaltung schaffen Vorteile

19.03.1993

Fuehrungs-Informationssysteme unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von anderen betriebswirtschaftlichen Anwendungen: ihr Charakter ist evolutionaer, das heisst, sie sind einem mal schnelleren, mal langsameren Aenderungsprozess unterworfen. Ein EIS entwickelt sich mit dem Wandel von Maerkten, Unternehmensstrukturen und persoenlichen Arbeitsstilen. Es ist niemals fertig und weist nicht die Stabilitaet auf, die beispielsweise ein Finanzbuchhaltungs-System hat.

Schwankungen bereiten keine groesseren Probleme

Weil die Front-end-Seite auf dem PC von den Datenstrukturen auf dem Mainframe abgekoppelt ist, stellen die Schwankungen des EIS zumindest auf der PC-Seite kein groesseres Problem dar. Mit Hilfe von Softwarewerkzeugen, Programmier- oder Makrosprachen lassen sich die Praesentationsstrukturen relativ schnell anpassen, ganze Bildschirm-Layouts koennen frei gestaltet beziehungsweise neu entworfen werden.

Die grosse Flexibilitaet auf der fuer den Datenempfang zustaendigen PC-Seite geht aber in der Regel mit starren, fest programmierten Ablaeufen bei der Datenbeschaffung und dem Daten-Handling am Grossrechner einher. Hier muss oft gleich an mehreren Stellen in das Coding eingegriffen werden. Oft ist ein Datenbank- und Systemadministrator zu Rate zu ziehen.

Standardloesungen senken den Aufwand

Da es keine flexible logische Verbindung zwischen den am Front- end eingehenden Daten und der Praesentation gibt, ist ein laufender Abstimmungsaufwand erforderlich. Bei Aenderungen der eingehenden Datenstruktur durch neue Objekte ist unter Umstaenden ein komplett neues Bildschirm-Layout erforderlich. So sind in der Regel mehrere unterschiedliche Bildschirm-Layouts zu verwalten. Das schafft eine enorme Unhandlichkeit und einen hohen Wartungsaufwand.

Zudem erfordert das Daten-Handling auf dem Grossrechner teure zentrale CPU-Kapazitaeten fuer eine eigentlich dezentrale Datenverarbeitung. Ansaetze, die ein Fuehrungs-Informationssystem sowohl betriebswirtschaftlich als auch technisch enger in ein gesamtes betriebliches Informationssystem einbinden und damit zum Beispiel auch einen durchgaengigen datengetriebenen Einsatz ermoeglichen, bieten sich an.

Durch entsprechende Standardloesungen sollte sich die Wartung des Systems - bei Wahrung der Flexibilitaet und der Individualisierbarkeit - so weit vereinfachen lassen, dass anfallende Aenderungen im Idealfall eine einzige Person ohne Programmieraufwand durchfuehren kann. Dies wuerde die Unhandlichkeit und damit die Kosten reduzieren und zudem schnellere Reaktionen auf Aenderungswuensche erlauben.

Gerade fuer die Anforderungen eines EIS bieten offene Standardsysteme auf der Basis von Client-Server-Architekturen und verteilter Datenhaltung Perspektiven.

Sie enthalten Servicefunktionen fuer die interne und externe Kommunikation. Verschiedene Hard- und Softwaresysteme kommunizieren direkt ueber gemeinsame Schnittstellen und gestatten so beispielsweise eine standardisierte Verbindung zwischen einer zentralen Mainframe-Umgebung mit den operativen Anwendungen (Rechnungswesen, Logistik, Personalwesen etc.) und einer Workstation- und PC-basierten EIS-Landschaft.

Ueber eine Programm-zu-Programm-Kommunikation laesst sich ein Fuehrungs-Informationssystem datentechnisch konsistent in die gesamte betriebliche DV integrieren. Dabei wird ebenfalls das Einbringen von Daten aus DV-Systemen von Tochter- oder Partnerunternehmen sowie aus externen Datenbanken vereinfacht.

Standard-Schnittstellen gestatten beispielsweise die Anbindung eines EIS an ein unternehmensweites E-Mail-System, die Verbindung zu PC-Anwendungen und Dokumentenverwaltungs-Systemen oder die Kommunikation mit Partnerunternehmen ueber EDI. Die technische Integrationsfaehigkeit der offenen Architektur eines solchen Systems gewaehrleistet darueber hinaus die Einbeziehung aktueller Entwicklungen (etwa optische Speicher, Multimedia).

In Client-Server-Architekturen lassen sich flexible dezentrale DV-Konzepte mit zentral orientierten, integrierten Ansaetzen verbinden. Eine zentrale EIS-Datenbank auf einer Unix-Workstation, die Verbindungen zu den operativen Anwendungen auf dem Host unterhaelt oder als Sammelstelle fuer alle EIS-relevanten Daten von anderen externen DV-Systemen fungiert, dient als Datenbank-Server fuer die EIS-Applikationsrechner unterschiedlicher Controlling- oder Vorstandsbereiche. Die eigentliche Praesentation findet dann beispielsweise auf einem PC statt.

Datenbanktransaktionen, die EIS-Applikationsprogrammme und die rechnerintensive grafische Verarbeitung fuer die Praesentation belasten bei einem solchen Konzept nicht mehr die teuren zentralen Mainframe-Kapazitaeten. Es muss auch nicht bei jedem Datenaufruf eine Verbindung zum Host aufgebaut werden.

EIS-Anwendungen nur einmal vorhanden

Die EIS-Anwendungen sind in der Client-Server-Umgebung nur einmal vorhanden, was die Wartung und Neukonfiguration des Systems erleichtert. Das ist ein Vorteil gegenueber Loesungen, die auf mehreren einzelnen PCs installiert sind. Gleichzeitig ist auch eine gemeinsame konsistente Datenbasis fuer alle Anwender verfuegbar: alle Controlling- beziehungsweise Vorstandsbereiche arbeiten mit den gleichen Grunddaten.

Auch fuer grosse Installationen, beispielsweise fuer einen weltweit operierenden Konzern, ist mit Hilfe der verteilten Datenhaltung eine Kombination der Integrationsvorteile eines zentralen Ansatzes mit der Flexibilitaet einer lokalen dezentralen EIS-Verarbeitung moeglich. Diese Technik gestattet es, fuer die Zwecke eines EIS- Konzernberichtswesens eine zentrale Datenbank am Unternehmenssitz zu verwalten, die von den operativen Systemen der Konzerngesellschaften mit Daten versorgt wird.

Einer Auslandsgesellschaft etwa kann innerhalb eines lokalen EIS auf einer Workstation ein Ausschnitt der zentralen Datenbank mit den relevanten Daten zur Verfuegung gestellt werden. Der Abgleich der lokalen mit den zentralen Daten erfolgt automatisch, so dass der Benutzer gar nicht bemerkt, dass er auf einer anderen physischen Datenbank arbeitet. Konzernkennzahlen lassen sich auf der Basis einer gemeinsamen konsistenten Datenbasis fuer alle EIS- Anwender weltweit bereitstellen.

Die Anforderungen betriebswirtschaftlicher Abteilungen an Fuehrungs-Informationssysteme sind gewachsen. Neben den bisher ueblichen Funktionen wird zunehmend eine enge Koppelung an die uebrigen DV-Anwendungen gefordert. Vor allem Controller erwarten neue und effiziente Loesungen, da sie immer mehr als Informations- Manager fuer ein uebergreifendes Berichtswesen fungieren. Sie sind taeglich mit den Problemen der Datenbeschaffung und dem Abgleich von Informationen unterschiedlicher DV-Systeme beschaeftigt.

Der Trend zur Dezentralisierung

Fuehrungs-Informationssysteme sind, eingebettet in die betrieblichen Controlling-Systeme, eher fuer ein aktives, uebergreifendes Unternehmens-Controlling geeignet als fuer ein passives Informationssystem. Der Trend zur Dezentralisierung in den Unternehmen, zur Delegation von Verantwortung an den Ort des Kundenkontaktes, erfordert flexible Loesungen mit umfangreicher Funktionalitaet. Gleichzeitig sollen diese dezentralen Einheiten aber, im Sinne eines modernen partizipativen Fuehrungsstils, Einblick in diese Daten erhalten und damit arbeiten koennen, ohne die Konsistenz und Integritaet der Gesamtloesung zu gefaehrden.

Gefordert sind maechtige Funktionen eines flexiblen Daten- Handlings auf der Basis von Standards, die sich bei nur geringem Programmieraufwand schnell an die Erfordernisse eines individualisierten empfaengerorientierten Berichtswesens anpassen lassen. Um viele Informationen homogen bearbeiten zu koennen, ist die Integration von Daten unterschiedlicher DV-Plattformen mit flexiblen Detaillierungsmoeglichkeiten erforderlich.

Dazu muessen nicht nur fuer die eigentliche EIS-Anwendung unterschiedliche Sprachen unterstuetzt werden. Um ein einfaches Daten-Handling ohne Programmieraufwand zu ermoeglichen, ist neben den technischen Bezeichnungen von Datenobjekten (beispielsweise Feldnamen in der Datenbank, mit denen in der Regel nur ein Datenbankadministrator oder Programmierer etwas anzufangen weiss) das parallele Fuehren der betriebswirtschaftlichen Bezeichnungen in mehreren Sprachen noetig.

Ein Fuehrungs-Informationssystem, verstanden als Anwendung fuer aktives, uebergreifendes Unternehmens-Controlling, soll darueber hinaus auch mit den uebrigen DV-Anwendungen gekoppelt sein. Eine Analyse im verdichteten EIS-Datenbestand, die beispielsweise zur Erstellung eines Ad-hoc-Berichtes fuer das Management erfolgt, sollte nicht damit enden, dass der Anwender die detaillierteste Stufe erreicht und nun in ein operatives System wechseln muss, in dem er sich moeglichwerweise gar nicht richtig auskennt.

An dieser Stelle sollte man vielmehr direkt und ohne Systembruch auf die richtige Transaktion zugreifen koennen. Darueber hinaus wird die Unterstuetzung einer integrierten Vorgangsbearbeitung nun auch fuer Management-Anwendungen wie ein EIS gefordert. Auch dazu muss eine EIS-Anwendung enge Kopplungen zu anderen betrieblichen Anwendungen aufweisen.

Beispielsweise ist es im Sinne eines integrierten Unternehmens- Controllings erforderlich, dass aus dem EIS Plan- und Budgetvorgaben automatisch an die operativen Controlling- und Planungssysteme durchgereicht werden koennen. Auch vergleichsweise einfache Funktionen sind wichtig, zum Beispiel der automatische Versand von E-Mail-Nachrichten oder Kontrollfunktionen beim Ueberschreiten von Schwellenwerten spezifischer Kennzahlen.

Wenn zudem die angesprochene Person direkt aus ihrer E-mail- Nachricht heraus den entsprechenden Bericht mit den im EIS verfuegbaren Funktionen fuer Drill-downs und Analysen aufrufen kann, bringt das dem Anwender Zeit fuer andere Dinge.

Moderne Unternehmensfuehrung zeichnet sich auch dadurch aus, durch Kooperationen aus. Das kann so weit reichen, dass zwei Unternehmen in einem bestimmten Marktsegement kooperieren, aber in einem anderen Bereich Wettbewerber sind. Solche Allianzen erfordern oft firmenuebergreifende Berichtssysteme. Aufgrund ihrer Flexibilitaet bieten sich gerade dafuer EIS an.

Durch die Beteiligung mehrerer Unternehmen steigt die Zahl der technischen und betriebswirtschaftlichen Einflussfaktoren an ein solches Berichtswesen ueberproportional. Deshalb sind hier flexible Standardanwendungen auf der Basis von Client-Server-Architekturen und verteilter Datenhaltung von Vorteil. Standard-Schnittstellen vereinfachen nicht nur den

Informationstransfer zwischen den Partnern, sie gestatten auch ein schnelles elektronisches Berichtswesen. Davon profitieren zum Beispiel Kunden, die regelmaessig ueber Aktivitaeten innerhalb eines Partnerverbundes informiert werden moechten.

Eine enge Koppelung eines EIS an die uebrigen DV-Anwendungen bedeutet auch seine betriebswirtschaftlich-konzeptionelle Einordnung. Es muss definiert sein, wie die Verbindung zwischen anderen DV-Systemen und dem EIS aussieht.

Ziel: schnellere und bessere Entscheidungen

Fuehrungs-Informationssysteme richten sich an Entscheider in den Unternehmen. Sie sollen Informationen ueber alle Faktoren, die die Geschaeftstaetigkeit eines Unternehmens beeinflussen, zur Verfuegung stellen. Das Ziel heisst, schnellere und bessere Entscheidungen auf einer objektiven Entscheidungsgrundlage zu ermoeglichen.

Die Systeme muessen sich leicht, nach Moeglichkeit ohne groesseren Programmieraufwand, anpassen lassen. Dies gilt nicht nur fuer den Praesentationsteil, sondern auch fuer die Datenbasis und Datenbeschaffung aus den operativen Systemen.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird man fuer ein EIS eine eigene Datenhaltung, die strategische Unternehmensdatenbank, waehlen. Sie gestattet ein firmenindividuelles Datenmodell entsprechend dem Verdichtungsgrad, der fuer ein Management- Berichtswesen benoetigt wird. Ueber komfortable Pflegeprogramme sollten sich Datenstrukturen auch ohne einen Datenbankspezialisten anpassen und einrichten lassen.

Vorteile einer EIS-Datenbank sind kurze Antwortzeiten und die Unabhaengigkeit von externen Rechnerkapazitaeten. Dazu kommt eine homogene Sicht auf Datenbestaende aus unterschiedlichen Anwendungen und die Konsistenz der Daten fuer alle EIS-Anwender. Im Praesentationsteil lassen sich durch die komfortable Gestaltung von Analyse-, Berichtsstrukturen und Kennzahlen individuelle Perspektiven fuer die einzelnen Controlling- oder Vorstandsbereiche definieren.

Das EIS steht hierarchisch ueber allen sonstigen DV-Anwendungen im Unternehmen. Waehrend es bei den operativen Systemen darum geht, die betrieblichen Prozesse aus Gruenden der dispositiven Steuerung und Dokumentation moeglichst vollstaendig datentechnisch abzubilden, steht bei Fuehrungs-Informationssystemen die Reduktion dieser Daten fuer das Management im Vordergrund. Dabei kann es sich um eine Verdichtung oder eine Ausschnittbildung handeln.

Ueber den operativen Anwendungen, die der Ebene der dispositiven Steuerung zuzuordnen sind, sind Berichtssysteme positioniert, die sich auf einen funktionalen Bereich eines Unternehmens beschraenken. Dazu zaehlen funktionsorientierte Systeme wie ein Finanz-, Personal- oder Logistik-Informationssystem. Ein EIS, das auch anwendungstechnisch in die gesamte betriebliche Infrastruktur integriert ist, nutzt dann beispielsweise die auf den niedrigeren Ebenen definierten Kennzahlen auch fuer weitere Verdichtungen.

Die Verbindung zwischen dem EIS-Datenbereich und den dispositiven Systemen und funktionsorientierten Kennzahlensystemen uebernimmt ein Datenbeschaffungs-Tool mit umfangreicher Funktionalitaet. Es gestattet im Rahmen einer Client-Server-Umgebung eine schnelle, transaktionsgesteuerte Anpassung an neue Informationsanforderungen auf der Basis von standardisierten Schnittstellen.

Das frei konfigurierbare Datenbeschaffungs-Werkzeug garantiert fuer jeden EIS-Datenbankbereich eine separate, frei einstellbare, zeitlich gesteuerte Fortschreibung - taeglich, woechentlich oder auch Realtime.

*Juergen Daum ist Mitarbeiter der SAP AG, Walldorf. Er betreut dort vertrieblich das Fuehrungs-Informationssystem der SAP.