KOLUMNE

Client-Server in der Mogelpackung

09.04.1993

Mittlere und grosse Unternehmen organisiren sich neu, schlankere Einheiten entstehen. Der Hamburger Unternehmensberater Heinrich Brill erwartet tiefgreifende Veraenderungen mit Folgen fuer die Informationsverarbeitung (Seite X). Fuer den frueheren Vorstandssprecher des SNI-Anwendervereins Save ist klar: Die alten DV-Konzepte taugen nicht mehr. Das hat sich in der Branche offensichtlich noch nicht herumgesprochen, gut abzulesen an der Client-Server-Diskussion.

Sie kennen den Unterschied zwischen Cobol-Programmen und Client- Server-Anwendungen nicht? Seien Sie froh, dass Sie nicht dazu verdottert sind, aus einem Straussenei mehrere vorsichtige Spiegeleier zuzubereiten. Natuerlich denken wir dabei nicht an irgendwelche Cobol-Programme, wie auch unechte Client-Server- Applikationen in der Mogelpackung der 3270-Emulation bei diesem Vergleich aussen vor bleiben.

Gemeint ist ein vertrautes DV/Org.-Szenario: ein Mainframe von IBM und jede Menge Cobol-Code, der sich im Laufe der Jahre angesammelt hat - den Software-Entwicklern sind die Haende gebunden. Doch wozu gibt es Downloading? In der Werbung einiger Anbieter heisst es etwa: "Holen Sie ihre Cobol-Anwendungen vom Mainframe auf den PC herunter. Wir liefern Ihnen die Tools, Client-Server-Computing zu realisieren." Und waehrend in Fachkreisen noch um den "richtigen" Client-Server-Begriff gestritten wird, definiert ihn die IBM: Das klassische Master- Slave-Verhaeltnis wird umgekehrt, der Mainframe zum Superserver - also kann in der Anwendung nahezu alles beim alten bleiben.

Ob die "bewaehrten" Cobol-Programme aber auch einem Anspruch genuegen, aus dem heraus das PC-LAN, das Netz, in den Mittelpunkt rueckt ("echtes" Client-Server-Computing), wird kaum hinterfragt. Gewiss, nichts scheint Cobol umbringen zu koennen. Ueber das, was die Sprache zum Dauerlaeufer macht, ist damit freilich wenig gesagt. Mit anderen Worten: Hat man noch langfristige Ziele, die mit Cobol verbunden sind? Soll die Software-Entwicklung auf Sprachenebene reformiert, wenn nicht gar revolutioniert werden? Nicht, dass wir wuessten. Es gibt aber auch eine naeherliegende Erklaerung: Das persoenliche Ziel eines Cobol-Programmierers ist nicht immer das der Software-Entwicklungsabteilung eines Unternehmens, deren Aufgabe unter anderem auch darin besteht, die Zukunft zu gestalten. Wir muessen nicht ausfuehren, was mit der Fussnote "persoenliches Ziel" gemeint ist. Gepetzt wird nicht.

Unter uns koennen wir es jedoch offen sagen: Ob sich Cobol mit Client-Server vertraegt, steht dahin. Falsch waere es indes, die Vorzuege von Client-Server der zaehlebigen Penetranz einer Mainframe-Software zu opfern, die keine Wettbewerbsvorteile mehr bringt.