Citrix-Chef Mark Templeton ist eigentlich ein eher dezenter Typ, der mehr zu guten Argumenten neigt als zum branchenüblichen Marketing-Getöse. Sein schelmisches Lächeln konnte er aber während seiner Keynote-Ansprache zur diesjährigen Kundenkonferenz Iforum in Orlando, Florida, nicht verbergen, als er den 3500 Teilnehmern vorführte, wie eine wirklich schnelle Migration von Windows Vista vonstatten gehen kann: "Wir zeigen Ihnen, wie Sie einen XP-Desktop in 30 Sekunden auf Vista migrieren", kündigte der Citrix-CEO an, um anschließend tatsächlich einen kompletten Systemwechsel im Eiltempo zu demonstrieren. Der Showeffekt gelang, und Templeton schob sogleich die triumphierende Kernbotschaft nach: "Microsoft braucht Citrix, um den anstehenden Vista-Rollout in großen Organisationen zu meistern."
Hinter dieser Vorführung steckt das Projekt "Trinity" - es handelt sich dabei um eine von mehreren Neuerungen, die für eine technische Neuausrichtung des mittlerweile jährlich eine Milliarde Dollar umsetzenden Unternehmens stehen. Vereinfacht gesagt bedeutet Trinity die Dreieinigkeit unterschiedlicher Desktop-Bereitstellungstechniken. Die erste davon basiert auf dem altbekannten Citrix-Prinzip der Server-basierenden Windows-Desktops und -Anwendungen. Citrix nennt das neuerdings auch Virtualisierung und fragt - nicht ganz zu unrecht: "Wer hat´s erfunden?" Die beiden neuen Varianten des "Desktop-Delivery" markieren einen historischen Schnitt: Anstelle eines Terminal-Servers, den sich bis zu 500 Benutzer teilen müssen, führt man nun individuelle Systeminstanzen ein, die jedem Benutzer einen eigenständigen, aber gehosteten Windows-PC zur Verfügung stellen. Der Bedarf danach dürfte groß sein, denn bei klassischen Büroanwendern gilt der Terminal-Server bis heute als Spaßbremse.
Citrix verspricht mit Trinity eine skalierbare Client-Umgebung, die sich den Leistungsanforderungen des Benutzers anpasst, indem dieser beim Login je nach Bedarf auf eine von drei Bereitstellungstechniken geschaltet wird. Im Fall von Lowend-Ansprüchen wie etwa in Call-Centern verteilt wie gehabt der "Presentation Server" die Desktop-Software an die Arbeitsplätze. Die mittlere Variante beruht hingegen auf virtueller Maschinentechnik (wahlweise VMware, Xensource oder Virtual PC). Auf einem Server lässt sich so eine größere Zahl an eigenständigen Windows-XP-Instanzen installieren. Sind die Leistungsansprüche noch höher, kommen in der Highend-Ausführung exklusiv Blade-PCs im Server-Rack zum Einsatz. Das Terminal-Grundprinzip bleibt in beiden Szenarien gewahrt, wobei aber anstelle des integrierten Remote-Desktop-Features von Windows XP das Citrix-eigene, effizientere ICA-Protokoll verwendet wird. Die Kernkomponente von Trinity ist der "Desktop Broker", der für das Routing der Benutzer sowie das Management der Multi-Client-Umgebung zuständig ist. Citrix spricht in diesem Zusammenhang auch von lose gekoppelten Systemen, da der Benutzer je nach Arbeitssituation und Bedarf sein individuelles Windows aus einer der drei Server-Umgebungen beziehen kann.
Codenamen entschlüsselt
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Trinity: Erweiterung der Terminal-Server-Architektur um gehostete Einzelinstanzen von Windows XP auf Basis von Virtual Machines (VMs) oder Blades;
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Kent: Kooperation mit IBM für eine katastrophensichere Client-Infrastruktur auf Basis eines USB-Stick-Notfallsystems;
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Ohio: Nächste Version 4.5 des Presentation Server auf der Basis des Windows-Servers Longhorn;
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Pictor: Erweiterung des Presentation Server um 3D-Fähigkeiten für professionelles CAD und andere Grafikanwendungen;
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Libra: Verbessertes Load-Balancing;
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Gemini: Aufzeichnung von Terminal-Sitzungen zur besseren Systemüberwachung;
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Sagitta: Erweiterungen für die Systemadministration;
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Tarpon: Virtualisierung auf Ebene von Anwendungen und Benutzereinstellungen. Derart gekapselte Windows-Anwendungen lassen sich ohne Installationsskript und Client-Manipulation vom Server aus an Windows-Arbeitsplätze verteilen.