Citrix treibt Virtualisierung auf die Spitze

02.11.2006
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.
Auf der Kundenkonferenz Iforum stellte Citrix sein Konzept "Dynamic Desktop" vor: Dank mehrerer Virtualisierungstechniken sollen damit endlich die Thin-Client-Unzulänglichkeiten verschwinden.

Citrix-Chef Mark Templeton ist eigentlich ein eher dezenter Typ, der mehr zu guten Argumenten neigt als zum branchenüblichen Marketing-Getöse. Sein schelmisches Lächeln konnte er aber während seiner Keynote-Ansprache zur diesjährigen Kundenkonferenz Iforum in Orlando, Florida, nicht verbergen, als er den 3500 Teilnehmern vorführte, wie eine wirklich schnelle Migration von Windows Vista vonstatten gehen kann: "Wir zeigen Ihnen, wie Sie einen XP-Desktop in 30 Sekunden auf Vista migrieren", kündigte der Citrix-CEO an, um anschließend tatsächlich einen kompletten Systemwechsel im Eiltempo zu demonstrieren. Der Showeffekt gelang, und Templeton schob sogleich die triumphierende Kernbotschaft nach: "Microsoft braucht Citrix, um den anstehenden Vista-Rollout in großen Organisationen zu meistern."

Mark Templeton, Citrix-CEO
Mark Templeton, Citrix-CEO

Hinter dieser Vorführung steckt das Projekt "Trinity" - es handelt sich dabei um eine von mehreren Neuerungen, die für eine technische Neuausrichtung des mittlerweile jährlich eine Milliarde Dollar umsetzenden Unternehmens stehen. Vereinfacht gesagt bedeutet Trinity die Dreieinigkeit unterschiedlicher Desktop-Bereitstellungstechniken. Die erste davon basiert auf dem altbekannten Citrix-Prinzip der Server-basierenden Windows-Desktops und -Anwendungen. Citrix nennt das neuerdings auch Virtualisierung und fragt - nicht ganz zu unrecht: "Wer hat´s erfunden?" Die beiden neuen Varianten des "Desktop-Delivery" markieren einen historischen Schnitt: Anstelle eines Terminal-Servers, den sich bis zu 500 Benutzer teilen müssen, führt man nun individuelle Systeminstanzen ein, die jedem Benutzer einen eigenständigen, aber gehosteten Windows-PC zur Verfügung stellen. Der Bedarf danach dürfte groß sein, denn bei klassischen Büroanwendern gilt der Terminal-Server bis heute als Spaßbremse.

Citrix verspricht mit Trinity eine skalierbare Client-Umgebung, die sich den Leistungsanforderungen des Benutzers anpasst, indem dieser beim Login je nach Bedarf auf eine von drei Bereitstellungstechniken geschaltet wird. Im Fall von Lowend-Ansprüchen wie etwa in Call-Centern verteilt wie gehabt der "Presentation Server" die Desktop-Software an die Arbeitsplätze. Die mittlere Variante beruht hingegen auf virtueller Maschinentechnik (wahlweise VMware, Xensource oder Virtual PC). Auf einem Server lässt sich so eine größere Zahl an eigenständigen Windows-XP-Instanzen installieren. Sind die Leistungsansprüche noch höher, kommen in der Highend-Ausführung exklusiv Blade-PCs im Server-Rack zum Einsatz. Das Terminal-Grundprinzip bleibt in beiden Szenarien gewahrt, wobei aber anstelle des integrierten Remote-Desktop-Features von Windows XP das Citrix-eigene, effizientere ICA-Protokoll verwendet wird. Die Kernkomponente von Trinity ist der "Desktop Broker", der für das Routing der Benutzer sowie das Management der Multi-Client-Umgebung zuständig ist. Citrix spricht in diesem Zusammenhang auch von lose gekoppelten Systemen, da der Benutzer je nach Arbeitssituation und Bedarf sein individuelles Windows aus einer der drei Server-Umgebungen beziehen kann.

Codenamen entschlüsselt

  • Trinity: Erweiterung der Terminal-Server-Architektur um gehostete Einzelinstanzen von Windows XP auf Basis von Virtual Machines (VMs) oder Blades;

  • Kent: Kooperation mit IBM für eine katastrophensichere Client-Infrastruktur auf Basis eines USB-Stick-Notfallsystems;

  • Ohio: Nächste Version 4.5 des Presentation Server auf der Basis des Windows-Servers Longhorn;

  • Pictor: Erweiterung des Presentation Server um 3D-Fähigkeiten für professionelles CAD und andere Grafikanwendungen;

  • Libra: Verbessertes Load-Balancing;

  • Gemini: Aufzeichnung von Terminal-Sitzungen zur besseren Systemüberwachung;

  • Sagitta: Erweiterungen für die Systemadministration;

  • Tarpon: Virtualisierung auf Ebene von Anwendungen und Benutzereinstellungen. Derart gekapselte Windows-Anwendungen lassen sich ohne Installationsskript und Client-Manipulation vom Server aus an Windows-Arbeitsplätze verteilen.