Netzwerkkonzern von Konjunktureinbruch gebeutelt

Cisco bereinigt das Sortiment

20.04.2001
MÜNCHEN (CW) - Vom Konjunktureinbruch in den USA gezeichnet, zieht Cisco Systems Konsequenzen im Produktportfolio. Das Unternehmen stellt die Arbeiten an den Wavelength-Routern der Serie "ONS 15900" ein, die Cisco mit der US-Firma Monterey Networks im August 1999 erworben hatte.

Eine halbe Milliarde Dollar hatte Cisco für Monterey Networks gezahlt. Die Übernahme war in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden, weil der Netzwerkgigant am selben Tag angekündigt hatte, für 6,9 Milliarden Dollar auch den auf optisches Netzequipment spezialisierten Anbieter Cerent zu übernehmen. Eine geringe Nachfrage und die anhaltend dümpelnde US-Konjunktur sind der Grund dafür, warum Cisco nun die Monterey-Technik aufgibt.

Fraglicher Return ...Mit den beiden Übernahmen hatte Cisco im Sommer 1999 erste Schritte in das Wachstumssegment der optischen Netzwerktechniken gewagt - ein überfälliger Schritt, wie Analysten damals kommentierten. Mit den Produkten sowie der späteren Übernahme der optischen Übertragungstechnik von Pirelli stellte sich der weltweit größte Anbieter von Netzequipment Herausforderern wie Ciena, Corvis, Lucent Technologies oder Nortel Networks.

ONS 15900 ist eine Router-Serie für Netze auf Basis des Dense Wavelength Division Multiplexing (DWDM), die die Funktionen von IP-Routern, ATM-Switches und SDH- beziehungsweise Sonet-Multiplexern übernehmen. Der Wavelength Router sollte im Kern der Glasfasernetze von Carriern und Service-Providern seinen Dienst tun. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, gab es jedoch technische Probleme mit dem Produkt. Cisco wolle sich angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage auf Produkte konzentrieren, die unmittelbar Geld in die Kassen bringen.

Cisco hatte im Februar ein schwaches Ergebnis für das zweite Finanzquartal gemeldet und damit den ohnehin schon gebeutelten Aktienkurs weiter in den Keller geschickt. John Chambers, Chief Executive Officer (CEO) und President, musste die Entlassung von 8000 Mitarbeitern ankündigen - ein Schock für ein Unternehmen, das im vergangenen Jahr kurzfristig die Krone des am höchsten kapitalisierten Unternehmens der Welt trug.

... der InvestmentsIn Sorge wegen der Investitionszurückhaltung der Kunden, beschwor Chambers vor wenigen Tagen in Las Vegas die Cisco-Partner auf einer Händlerveranstaltung, in Verkaufsgesprächen stärker als bisher auf den Nutzen der Netzprodukte hinzuweisen. Die Kunden müssten begreifen, wie sie durch Technikeinsatz Geld sparen und ihre Produktivität steigern könnten. "Sie müssen verstehen, wie sie mit einer Investition von 20 Millionen Dollar 50 Millionen Dollar einsparen können und wie dieser Return on Investment im Detail erfolgt." Für Cisco und seine Partner bedeute das, dass man sich mehr mit den Geschäftsbedürfnissen der Kunden auseinander setzen müsse und nicht allein mit technischen Anforderungen.

Steigende BürokratieAngesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation ist der Glanz von Cisco verblasst. Die "Financial Times" schrieb kürzlich in einer Analyse, das Unternehmen habe nicht mit der nachlassenden Konjunktur, sondern auch mit den Folgen des zu schnellen Wachstums zu kämpfen. In den sechs Jahren, in denen Chambers Cisco führte, wuchs die Personaldecke von 3000 auf mehr als 44 000 Mitarbeiter. Der Netzwerkriese leide nun an der Bürokratie und sei zudem für Talente als potenzieller Arbeitgeber weniger interessant.

Verfall der AktienMit dem Verfall der Cisco-Aktie hat sich für Mitarbeiter die Aussicht, über Optionen reich zu werden, relativiert. Technisch begabte Individualisten, auf die das Geschäft von Unternehmen wie Cisco angewiesen sei, ziehe es wegen des Arbeitsklimas und der Vergütung häufiger zu hoffnungsvollen Startups wie Procket Networks oder zu aussichtsreichen Wettbwerbern wie Juniper Networks.

Zudem räche sich nun, dass Cisco all die Jahre überwiegend durch Akquisitionen gewachsen sei. Aufgrund der konjunkturbedingt nachlassenden Geschäfte und des sinkenden Aktienkurses kann der Netztechnikriese keine Unternehmen mehr aufkaufen. Auch deshalb kommt der Zufluss an intellektuellem Kapital zum Erliegen.