CIOs denken in Architekturen

18.11.2005
Die heißesten Themen für die deutschsprachingen IT-Chefs sind derzeit Service-orientierte Architekturen und Web-Services.

So schnelllebig die IT-Welt auch ist - die wirklich wichtigen Themen haben eine relativ lange Halbwertszeit. Deshalb erstaunt es kaum, dass die Bewerber um den Titel "CIO des Jahres" auf die Frage nach den interessantesten Entwicklungen der Branche weitgehend dieselben Antworten geben wie im vergangenen Jahr - allerdings mit leicht veränderter Gewichtung.

Die fünf Topthemen

• Service-orientierte Architektur;

• Voice over IP;

• Radio Frequency Identification (RFID);

• IT-Governance;

• IT Infrastructure Library (Itil).

Weniger Komplexität dank SOA Mit Abstand am häufigsten genannt wurden Service-orientierte Architektur (SOA) und Web-Services beziehungsweise die SAP-Produkte der "Netweaver"-Familie. Hinter dem großen Interesse an der SOA steht der Wunsch nach einer weniger komplexen IT-Architektur, deren Bestandteile integriert, aber voneinander entkoppelt sind. Aufgrund ihrer Flexibilität erleichtert eine solche Struktur auch die Anpassung der IT-Anwendungen an die Geschäftsprozesse - nach wie vor eines der Hauptanliegen der CIOs.

Die zehn Bestplatzierten des diesjährigen Wettbewerbs führen eine solche Architektur fast ausnahmslos auf ihrer To-do-Liste; einige haben sie längst in Angriff genommen, andere setzen sich zumindest schon eine ganze Zeitlang intensiv damit auseinander. Überraschenderweise zeigen auch die IT-Chefs kleinerer und mittlerer Unternehmen reges Interesse. Allerdings steht die SOA dort noch im Schatten eines anderen Themas.

Sprache via Internet Protocol "Voice over IP", vulgo: die Sprachkommunikation über das Internet, ist vor allem im Mittelstand ein Renner. Kleinere Firmen fungierten hier quasi als Trendsetter. Doch mittlerweile schätzen auch die CIOs großer Unternehmen die Vorteile der Internet-Telefonie, zu denen in erster Linie vereinfachtes Management und geringere Kosten zählen.

Quelloffene Systeme Ebenfalls nicht nur ein Thema für Mittelständler - oder Behörden - ist die Open-Source-Software. Besonders das Betriebssystem Linux findet dank der kommerziellen Distributionen den Weg in immer mehr Großunternehmen. Als Basis für die Web-Infrastruktur ist es bereits State of the Art. Mit der Entscheidung, es auf den Desktops der Mitarbeiter zu installieren, tun sich die Konzerne allerdings noch schwer.

Da sind die öffentliche Hand und die kleineren Betriebe mutiger. Gezwungenermaßen, denn sie müssen vor allem auf die Kosten schauen, während es den Großanwendern mehr um die Standardisierung der Systeme zu tun ist, und die ist unter Windows zumindest nicht schwieriger als unter Linux. Darüber hinaus dürfte ein Weltkonzern im Umgang mit dem Softwaregiganten Microsoft bessere Karten haben als der Abnehmer von 100 oder 1000 Windows-Lizenzen.

RFID ohne Hype Hoch im Kurs steht in vielen Unternehmen auch die Funkfrequenz-Identifikation, englisch: Radio Frequency Identification (RFID). Die berührungslose Erkennung von Gegenständen mit Hilfe von Funkchips und mobilen oder stationären Lesegeräten wird in der produzierenden Wirtschaft, im Handel und in der Transportlogistik immer wichtiger. Jenseits der Publicity-trächtigen - und in Teilen der Öffentlichkeit heftig umstrittenen - Einsatzgebiete am Kunden-Frontend entfaltet die Technik ihren Nutzen vor allem unternehmensübergreifend, entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nolens volens werden sich also auch mittelständische Zulieferer damit beschäftigen müssen.

Zudem lässt sich das RFID-Prinzip sogar intern anwenden, beispielsweise für die Ortung teurer Spezialwerkzeuge und Container. Da hierfür nur eine begrenzte Anzahl von Chips notwendig ist, müssen die Anwender auch nicht warten, bis die Stückpreise unter zehn Cent sinken.

Governance kontra Elfenbeinturm Ein Dauerthema, das von den Konzernen allmählich auf den Mittelstand übergreift, ist die Feinabstimmung von IT und Business mit Hilfe einer "IT-Governance". In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen begonnen, quer zu ihren internen Bereichen Strukturen und Prozesse aufzubauen, die für weniger Komplexität, mehr Transparenz und einen direkten Draht zwischen geschäftlichen Anforderungen und informationstechnischen Möglichkeiten sorgen sollen. So lautet der kleinste gemeinsame Nenner des durchaus unterschiedlich besetzten Governance-Begriffs.

Mit dieser Entwicklung geht das "Empowerment" der Fachabteilungen einher; in zunehmendem Maße wird IT-Know-how direkt an die Geschäftsbereiche angegliedert. Das heißt gleichzeitig: Wenn der CIO vorwiegend strategische Aufgaben wahrnimmt, muss er - oder sie - keine großen Personalstäbe mehr um sich versammeln. Ein kleiner CIO-Bereich, der die Aufträge der Fachabteilungen bündelt, als Berater der Leitungsebene fungiert und gegenüber einem internen oder externen Dienstleister als Kunde auftritt, zeichnet sich als Modell für die Zukunft ab.

Best Practices gemäß Itil Die internen Dienstleister wiederum haben sich endlich von ihrer Rolle als Cost Center emanzipiert und treten jetzt als vollwertige Konkurrenz für die externen Spezialisten auf - mit dem Ergebnis, dass das Thema Outsourcing in vielen Unternehmen nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Wo es um austauschbare Leistungen geht und Economies-of-Scale-Effekte zum Tragen kommen, steht die Fremdvergabe außer Frage. Ist die Auslagerung hingegen ein Diskussionsthema, so fällt am Ende die Entscheidung häufig dagegen aus.

Der Grund dafür liegt in der wachsenden Professionalität der hauseigenen IT-Dienstleister. Vielfach bedienen sie sich moderner Management-Instrumente wie der Balanced Scorecard. Freiwillig lassen sich von externen Unternehmensberatern einem Benchmark-Test unterziehen. Und um effektiver zu werden, optimieren sie ihre eigenen Prozesse mit Hilfe von Best-Practices-Sammlungen wie der IT Infrastructure Library (Itil). Dieses im Dunstkreis der britischen Regierung entwickelte Framework ist mittlerweile vor allem in den Großunternehmen gelebte Praxis. Denn wie der CIO an der Funktionsfähigkeit seiner IT-Governance gemessen wird, so ist der Maßstab für den Chef des IT-Service-Bereichs die Zufriedenheit seiner Kunden. n

Karin Quack