CIO-Agenda

CIO-Agenda 2008: "Hinter dem Wiki wird es dunkel"

30.10.2007

Aufbrechen vertikaler Wertschöpfungsketten

Das Kunden-Feedback in die Wertschöpfungsketten einzubeziehen ist aus IT-Sicht nur die eine Seite der Medaille. Die zweite große Chance für Innovationen bietet das Aufbrechen von Wertschöpfungsketten und das Einbeziehen von Partnern in Collaboration-Netzwerke, die klassische Lieferketten zunehmend ersetzen. Unternehmen analysieren ihre Prozesse, definieren deren Einzelteile und vergeben sie – global – an Spezialisten, die ihren Fokus auf die Lösung der Teilprobleme legen. Die Automobilindustrie geht in dieser Entwicklung voran, andere Branchen folgen.

Post-CIO Johannes Helbig: "Collaboration erfolgt auch auf Maschinen- und Prozessebene."
Post-CIO Johannes Helbig: "Collaboration erfolgt auch auf Maschinen- und Prozessebene."

"Collaboration erfolgt nicht nur unter Menschen, sondern auch auf Maschinen- und Prozessebene", verdeutlichte Johannes Helbig, CIO der Deutschen Post AG, die Ausmaße der Veränderung. Das habe völlig neue Prozessmodelle zur Folge, etwa wenn Teile der internen Leistungserbringung auch auf dem Markt angeboten und zu Umsatzträgern würden. Er nannte das Beispiel der Postbank, die als Dienstleister auch den Zahlungsverkehr für die Deutsche und die Dresdner Bank übernommen hat.

Die IT, so zeigte die Diskussion, ist heute kaum in der Lage, die permanente Zerschlagung und Neuzusammensetzung der Prozessketten zu unterstützen, geschweige denn, die Prozessketten und Prozessnetze zu transformieren. Monolithische Anwendungen und fehlende Schnittstellen stellen ein gravierendes Hindernis dar, ebenso das Fehlen von Prozessdesign, modularisierbaren Systemen (Web Services), Service-Level-Agreements (SLAs) und Tools zur unternehmensübergreifenden Prozesssteuerung. Widerstände gibt es auch beim Personal, das keinen Wert darauf legt, Prozessketten aufzubrechen und damit die Auslagerung von Teilprozessen zu erleichtern. Auch Sicherheitsrisiken werden oft als Killerargumente angeführt.

"Wo es um transaktionsbasiertes Arbeiten geht und um Stücklisten, ist es schwierig, stabile Produktionsketten sinnvoll aufzubrechen", beobachtet Thomas Henkel, Vice President Global IT bei der Amer Sports Corp., Helsinki. Einfacher sei es im Bereich Forschung und Entwicklung, da kreative Prozesse nicht so starr strukturiert und deutlich flexibler sind. Der Einsatz von Collaboration-Tools habe sich hier besonders bewährt.

Stabile Produktionsketten sinnvoll aufzubrechen ist nicht trivial, so Thomas Henkel, der bei Amer Sports die IT verantwortet.
Stabile Produktionsketten sinnvoll aufzubrechen ist nicht trivial, so Thomas Henkel, der bei Amer Sports die IT verantwortet.

Der Ansatzpunkt für die IT, so der Konsens in dieser Arbeitsgruppe, liegt im Prozessdesign. Ablaufketten verstehen, Potenziale erkennen und Entkoppelungspunkte definieren seien die Aufgaben, die von der IT als querstehender Institution gelöst werden könnten. "Es geht hier um eine völlig neue Rolle für die IT", sagte Post-CIO Helbig. "Von unserer Ausbildung und intellektuellen Veranlagung her sind wir es, die solche Prozesse denken müssen. Wir sind quer zu allen anderen Unternehmensbereichen aufgestellt. Das ist eine Chance für die IT!"

Die mit dem Thema Wertschöpfungsketten befasste Arbeitsgruppe schlug den CIO-Kollegen vor, das Thema zunächst "strategisch zu positionieren". Im Konzern müsse klar sein, welche Kernkompetenzen und –prozesse man selbst abbilden und welche man aus der Hand geben will. Weil die IT von Haus aus analytisch denkt und zudem alle Teilprozesse kennt, kann sie die Rahmenbedingungen schaffen. Dabei kristallisieren sich drei Aufgaben heraus:

  1. Prozessdesign: Die wichtigen Unternehmensabläufe sind sauber zu dokumentieren und auf ihr Optimierungspotenztial hin zu analysieren. Ist das geschehen, können sie gegebenenfalls zerschlagen und neu zusammengesetzt werden – mit Unterstützung unternehmensfremder Lieferanten von Teilprozessen. Diese Aufgabe kann natürlich nur im Zusammenhang mit den betroffenen Business-Bereichen angemessen gelöst werden.

  2. Entkopplungspunkte definieren: Die Beteiligten untersuchen die Prozessketten auf ihre Entkopplungspunkte hin und beziehen dabei verfügbare Alternativen im Markt mit ein. Dabei sind Schnittstellen zu definieren, die im Einklang mit dem stehen, was andere Unternehmen ("starke Spieler") tun. Unternehmen einer Branche sollten dabei zusammenarbeiten und sich untereinander vernetzen, anstatt den IT-Anbietern diese Baustelle zu überlassen.

  3. Anpassung der technischen Systeme: Sind die Prozesse designt und die Entkopplungspunkte und Schnittstellen festgelegt, lässt sich erkennen, welche Systeme angefasst werden müssen. Dabei gilt es, Monolithen aufzubrechen und Inseln zu verbinden. Je nach Unternehmensstrategie kann die Priorisierung erfolgen.

Konkrete Aufgaben der IT sind den Vorstellungen der CIOs zufolge in diesem Zusammenhang das Mitwirken beim Prozessdesign, die Definition und Überwachung von Service-Level-Agreements (SLAs) für die Schnittstellen zum externen Partner und die Steuerung des Tool-Einsatzes. Benötigt werden etwa Werkzeuge für Business Process Monitoring, Servicedesign und die Vernetzung (Web-Services, Enterprise Service Bus). Bei schwach strukturierten Prozessen etwa im Bereich Forschung und Entwicklung hilft der Einsatz von Collaboration-Tools weiter: Web-2.0-Angebote, Lotus Notes, Microsoft Sharepoint sowie Dokumenten- und Content-Management-Lösungen.

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Die Ergebnisse des Syntegrations-Workshops vom September 2006 im Überblick: