Mittelstand läßt sich von Utopien nicht beeindrucken:

CIM-Anbieter nehmen Nachhilfe in Marktkunde

29.05.1987

WIESBADEN - Die DV-Hersteller stecken mit ihrem klassischen hardwareorientierten Marketing in der Sackgasse: Bei der Einführung von integrierten Lösungen für das "Computer Integrated Manufacturing" (CIM) scheitern überkommene Absatzstrategien an den Realitäten des Markts.

Diese schmerzliche, wenn auch nicht überraschende Erfahrung ließ den britischen Hersteller International Computers GmbH (ICL) neue Wege zum Kunden ersinnen. Vorläufiges Fazit: Die Resonanz ist (noch) sehr mager. Anders als die deutsche Hewlett-Packard-Tochter, die kurz zuvor in München Manager aus Großunternehmen wie MBB, Audi, BMW oder Hypo-Bank zu einem "HP-Forum" mit Viel-Referenten wie Professor Hans-Jörg Bullinger aus dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation zusammengetrommelt hatte, versuchte es die ICL bei mittleren Unternehmen ab 100 Beschäftigten. Insgesamt 5000 Betriebe, so Uwe Wagner, Chef der Rhein- Main-Geschäftsstelle in Neu-Isenburg bei Frankfurt, habe man angesprochen. Der Erfolg: Geschäftsführer, Inhaber oder Manager von gut 90 Firmen ließen sich auf sogenannten CIM-Informationstagen einzelne Bausteine wie Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme (PPS), Generalized Numeric Control (GNC) oder Betriebsdatenerfassung (BDE) demonstrieren - in Einzelgesprächen, bei denen kein Konkurrent zuhören konnte.

Als Abschluß der vier Info-Tage hatte Uwe Wagner eine Podiumsdiskussion angesetzt, bei der (künftige) Anwender, Unternehmensberater, Wissenschaftler und natürlich Repräsentanten des einladenden Hardwareherstellers sich austauschen sollten. Mit 100 Leuten hatte Wagner gerechnet, 30 kamen. Von den Anwendern, deretwegen die ganze Aktion gestartet worden war, ließen sich fünfzehn, vielleicht zwanzig blicken. Der Rest der Plenumsteilnehmer vertrat Unternehmensberatungen oder Betriebe der Maschinenbaubranche, die gern am erwarteten CIM-Boom partizipieren würde.

Der trotz kompetenter Podiumsteilnehmer bescheidene Erfolg entmutigt Wagner nicht: "Wir werden weitermachen und auch das Niveau der Referenten halten, wenn nicht sogar noch steigern. In der letzten Zeit litten die Anwender vielleicht an einer gewissen Übersättigung mit Informationen. Sie sind noch nicht in der Lage, zu beurteilen, wer ihnen wahre Informationen gibt." Dabei ist sich der Geschäftsstellenleiter im klaren, daß es jeder Hersteller schwer hat, der Verunsicherung über das Thema CIM glaubwürdig entgegenzutreten. Der Kunde sieht die (Verkaufs-)Absicht und ist verstimmt. Doch mit der schnellen Mark rechnet ohnehin kaum noch ein Anbieter in diesem Marktsegment. Hohe Kosten für Informationsveranstaltungen außerhalb von Messen sind in den Budgets fest einkalkuliert. Die Investitionen zahlen sich - vielleicht - Anfang der 90er aus.

In solchen Zeiträumen denken, wie sich bei der Podiumsdiskussion zeigte, auch die Maschinenbauer. Referent Hannes-Werner Politsch, Vorstandsmitglied der Münchner Friedrich Deckel AG, forderte gar einen "Ehrenkodex der CIM-Anbieter". Die DV-Konzerne sollten sich verpflichten, nur fundierte, sachlich kompetente, professionelle Beratung zu leisten, statt mit "CIM-Salabim", das auch Uwe Wagner ins Reich der Absurden verwiesen hatte, auf Kundenfang zu gehen. Freilich ließ Politsch durchblicken, daß es ihm mit diesem Postulat vor allem ums eigene Geschäft geht: Verschreckte Anwender halten sich bei Investitionen zurück.